Der spanische Jakobsweg verzeichnet erneut eine Rekordzahl an Pilgern. Bis Ende November erhielten mehr als 317.000 Ankommende am vermeintlichen Grab des Apostels Jakobus in Santiago de Compostela ihre Urkunde.
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Pilgern auf dem Jakobsweg
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Damit wurden schon jetzt die bisherigen Rekordzahlen von 2017 (301.036), 2016 (278.041) und aus dem Jakobusjahr 2010 (272.417) deutlich übertroffen. Ende Dezember dürfte die Gesamtzahl laut Schätzungen 330.000 erreicht haben, hieß es. Das Jakobusjahr steht immer dann an, wenn der Festtag des Apostels, der 25. Juli, auf einen Sonntag fällt.
Der stärkste Zulauf herrschte demnach im August, als im Schnitt täglich fast 3000 Pilger die Grenzen der nordwestspanischen Stadt passierten. Voraussetzung für den Erhalt der Pilgerurkunde ist es, durch die Stempel im Pilgerausweis nachweisen zu können, mindestens die letzten 100 Kilometer bis Santiago zu Fuß zurückgelegt oder die finalen 200 Kilometer mit dem Fahrrad absolviert zu haben.
Klassiker unter den Routen ist der "Französische Weg" ab den Pyrenäen über Burgos und Leon, doch im Aufwind stehen der "Nordweg", der sich weitgehend parallel zur spanischen Atlantikküste hält, und von Portugal her der "Portugiesische Weg".
Das neue Rekordjahr 2018 hat einmal mehr den Ruf des Jakobswegs als wohl berühmteste christliche Pilgerroute der Welt verfestigt. Derzeit richten sich die Augen bereits auf das nächste Jakobusjahr 2021. Spätestens dann dürfte es den nächsten gewaltigen Schub geben.
is/ks (mit kna)
Eine kleine Geschichte des Pilgerns
Gepilgert wird in beinahe allen großen Religionen. Vermutlich aber hat das Pilgern seinen Ursprung in der jüdisch-christlichen Tradition. Diese kleine Bilder-Reise jedenfalls lässt diesen Schluss zu.
Bild: Dr. Raimund Joos
Immer mehr wollen mal weg sein
Das Pilgern boomt nicht erst seit dem Buch "Ich bin dann mal weg" des Komikers, Autors und Schauspielers Hape Kerkeling. Darin dokumentierte er 2006 seine Pilgerreise auf dem Jakobsweg nach Santiago de Compostela. Nein, Fachleute sagen, dass seit den 1970er Jahren die Bereitschaft des beseelten Unterwegsseins in christlicher Tradition in zahlreichen Ländern deutlich zugenommen hat.
Bild: Getty Images/AFP/M. Riiopa
Jenseits des Ackers gehen
Das Wort Pilger geht zurück auf den lateinischen Begriff "Peregrinus". Der wiederum setzt sich zusammen aus "per" (über, durch) und "ager" (Acker). Demnach ist ein Peregrinus/Pilger jemand, der seinen Weg "über den Acker" (per ager) oder über den Acker hinaus macht oder über das Land. Das Wort pilgern ("peregrinari") steht also für "wandern", "unterwegs sein“ oder auch "in der Fremde sein".
Bild: Dr. Raimund Joos
Pilger sind Fremde
Wer die vertraute heimische Scholle hinter sich ließ, war also ein Fremder und seine Pilgerreise ein Trip ins Fremde und somit auch ins Ungewisse. So betrachtet, hat das Pilgern bereits eine lange Tradition. Bereits Abraham, Stammvater Israels und der Araber, soll vor geschätzt vier Jahrtausenden mit seiner Familie in die Fremde gezogen sein, so berichtet es etwa das Alte Testament der Bibel.
Bild: Fred Brodina
Pilgermagnet Heiliges Land
Etwa ab dem Jahr 325 setzte ein großer christlicher Pilgerboom ins Heilige Land und nach Jerusalem ein, um auf den Spuren Jesu zu wandeln. Die Auffindung des angeblichen Kreuzes, an dem Jesus gestorben sein soll, war die Initialzündung, dass Menschen auf diese Weise eine Art Nachfolge betreiben wollten - gewissermaßen beten mit den Füßen. Hier die Grabeskirche in Jerusalem.
Bild: picture-alliance/dpa/Sputnik/K. Afanasyeva
Ziellose Pilgerwege
Manche frühchristlichen Mönche sind aber nicht nur gepilgert, um einen bestimmten Ort zu erreichen. Wandermönche, die den Wüstenvätern im späten 3. Jahrhundert im Nahen Osten zuzuordnen sind, gingen in die Ferne, um in die Ferne zu gehen. Es war ihnen nicht wichtig, irgendwo anzukommen, sondern unterwegs zu sein. Es gibt bis heute Pilgerwege, die reine Rundwege sind.
Bild: Dr. Raimund Joos
Anstrengung gegen Sündenvergebung
Bis zum Mittelalter variierte die Form des Pilgerns mehrfach. So war das Pilgern nicht mehr nur eine Reise ins Fremde, vielmehr suchten Gläubige bestimmte Orte auf, wie Jerusalem, Rom oder das Grab des Heiligen Jakobus in Santiago de Compostela. Einer der hauptsächlichen Beweggründe war, Ablass von Sündenstrafen zu bekommen. Dieser Aspekt spielt bei heutigen Pilgern kaum mehr eine Rolle.
Bild: picture-alliance/dpa
Pilgern ein "Narrenwerk"
Nach der Reformation (1517) ging das Pilgern zurück. Für Martin Luther, Begründer des evangelischen Glaubens, war das Pilgern "Narrenwerk", durch das sich niemand Seelenheil verdienen kann. Die Aufklärung und ein zunehmender Rationalismus taten ein Übriges. Im Pietismus aber wurde das Pilgern spiritualisiert, indem man den Lebensweg des Christen als eine Art Pilgerweg zum Seelenheil verstand.
Bild: ZDF
Wallfahren statt Pilgern
Beliebt wurde dann das Pilgern im Sinne von Wallfahren, um an einem bestimmten Ort besonderes Heil oder auch Heilung zu erfahren. Die Begriffe Pilgern und Wallfahren werden oft vermischt und ganz trennen lassen sie sich nicht. In der evangelischen Kirche meint man mit Pilgern das Fernpilgern, hin zu den alten Pilgerzielen. Wallfahren bedeutet eher, einen "heiligen" Ort in der Nähe aufzusuchen.
Bild: Dr. Raimund Joos
Begleitung und Beratung
In Deutschland und Europa sind die Pilgerwege noch immer geprägt durch die christliche Kultur. Früher gab es nach den entsprechenden Etappen Klöster, in denen die Pilger rasten konnten. Dort haben sie dann auch Gebet und Beistand durch die Mönche erfahren. Heute gibt es ausgebildete Pilgerbegleiter, die Menschen in Fragen beraten, die sie mit auf den oft beschwerlichen Weg nehmen.
Bild: Imago/blickwinkel/J. Kottmann
Loslassen können
Die heutigen Pilger-Spezialisten sagen: Der Pilgerweg beginnt vor der eigenen Haustür. Erfolgreich sei er, wenn der Pilger auf seinem Weg immer weiter gehe und den normalen Horizont überschreite. Dabei gehe es nicht nur um den räumlichen, sondern auch um den geistlichen Horizont, der überschritten werden müsse. Um zu einer Klärung im Herzen und in der Seele zu gelangen, sei das Loslassen wichtig.
Bild: picture-alliance/blickwinkel/M. Vahlsing
Laufen lockert die Gedanken
Fest steht, dass das Pilgern auch eine große Faszination auf immer mehr Menschen ausübt, die religiös ungebunden sind. Ein Grund dafür mögen die Gespräche unterwegs sein. Sprechen beim Gehen ist nicht konfrontativ, sondern man hat ein gemeinsames Ziel, eine gemeinsame Blickrichtung und vieles lockert sich im Gehirn, wenn die Füße bewegt werden, sagen Pilger.
Bild: Dr. Raimund Joos
Ziel-Erfahrung
Wer einen Pilgerweg antritt, muss das wollen. Der Jakobsweg, Europas beliebteste Pilgerstrecke, bietet auf seinen Etappen durch viele Länder zahlreiche Möglichkeiten der Besinnung, Begegnung und des Entspannens. Und wer, vom Zeichen der Jakobsmuschel navigiert, am Ziel Santiago de Compostela ankommt, für den treten die Mühen und Entbehrungen des Weges bestimmt bald in den Hintergrund.