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Das Fußballer-Dilemma mit der doppelten Staatsbürgerschaft

1. Februar 2021

Der DFB will das Bayern-Talent Jamal Musiala zur Nationalmannschaft holen. Der 17-Jährige spielt aber noch für die U21 von England. Eine schwere Entscheidung, die schon einige Nationalspieler vor ihm treffen mussten.

Fussball 1. Bundesliga FC Bayern München Jamal Musiala
Bild: Markus Ulmer/Pressefoto Ulmer/imago images

Jamal Musiala will eigentlich nur Fußball spielen. Der 17-Jährige mag es ruhig, gilt als bescheiden, aber entschlossen. Nun muss er wieder einmal eine Entscheidung treffen - denn sowohl die Auswahl Englands als auch die deutsche Nationalmannschaft buhlen um das Top-Talent. Ein innerer Konflikt, bei dem sowohl das Herz als auch der Verstand eine Rolle spielen: Wo habe ich die besten Einsatzchancen? Mit welcher Auswahl kann ich Titel gewinnen? Wo fühle ich mich am wohlsten?

"Sein Herz gehört den Three Lions"

Musiala ist als Kind einer deutschen Mutter und eines nigerianischen Vaters in Stuttgart geboren. Als er sieben war, zog seine Familie nach London. Neun Jahre lang lebte er in der britischen Hauptstadt, acht davon wurde er beim FC Chelsea zum Fußballer ausgebildet. Musiala spielt aktuell für den englischen Nachwuchs in der U21, schon mit 15 Jahren debütierte er für die Three Lions. Zwischendurch lief er aber auch für Deutschlands U16 zweimal auf. "Sein Herz gehört den Three Lions", erklärte Andrew Martin, ein Jugendtrainer Musialas im DW-Interview. "Er ist als Fußballer bei Chelsea aufgewachsen und hat dort mit vielen anderen englischen Spielern gespielt. Als er für Deutschland spielte, fühlte er sich wie ein Außenseiter." 

Wegen des Brexits und anderer Gründe verließ Musiala mit seiner Familie England und nahm 2019 das Angebot des FC Bayern an - weil er eben auch eine besondere Verbindung nach Deutschland hat.  

Nicht alle entscheiden sich für den DFB

Wie Musiala ging es schon vielen deutschen Spielern, die in der Jugend für andere Verbände gespielt haben. Im aktuellen DFB-Kader haben sechs Fußballer zwei Staatsbürgerschaften: Mahmoud Dahoud (Syrien), Leroy Sané (Frankreich), Antonio Rüdiger (Sierra Leone), Nadiem Amiri (Afghanistan), Jonathan Tah und Serge Gnabry (beide Elfenbeinküste). Sie entschieden sich für Deutschland, wie zuvor unter anderen auch Emre Can und Mesut Özil, die für die Türkei spielberechtigt gewesen wären, oder Karim Bellarabi, der auch die marokkanische Staatsbürgerschaft besitzt.

Brüder, die für unterschiedliche Nationen spielen: Jérôme und Kevin-Prince BoatengBild: HJS/imago images

Doch es gab auch einige prominente Fußballer, die dem DFB den Rücken kehrten: Jermaine Jones kam in Freundschaftsspielen für die A-Nationalmannschaft zum Einsatz und war im vorläufigen deutschen Kader für die EM 2008, entschied sich dann aber für die US-amerikanische Auswahl. Nuri Sahin, Hamit und Halil Altintop bevorzugten die türkische Nationalelf. Ömer Toprak und Eric-Maxim Choupo-Moting liefen zunächst für den DFB-Nachwuchs auf, spielten sich dann aber in anderen Nationalmannschaften: Toprak im Team der Türkei, Choupo-Moting in der Mannschaft Kameruns. Die Brüder Jérôme und Kevin-Prince Boateng entschieden sich gar komplett unterschiedlich: Während Jérôme Deutschland wählte, bevorzugte sein Bruder die Auswahl Ghanas - obwohl er seine Mitspieler nicht verstand und bis dahin noch nie in Ghana gewesen war.  

FIFA überarbeitet Spielberechtigung für Verbandsmannschaften

Wann also darf man für eine Nation auflaufen? Man muss nicht zwingend dort geboren sein, wie die Beispiele der deutschen Ex-Nationalspieler Gerald Asamoah (Ghana), Lukas Podolski (Polen) oder Cacau (Brasilien) zeigen: Nimmt ein erwachsener Spieler eine neue Nationalität an und wurde weder selber dort geboren, noch seine Eltern oder Großeltern, muss er mindestens fünf Jahre in dem betreffenden Land gelebt haben.

Ein Spieler darf zudem nur einmal einen Verbandswechsel beantragen. Die FIFA hat auf ihrem 70. Kongress im September 2020 die Regelung der Spielberechtigung für Nationalmannschaften überarbeitet, sie trat unmittelbar nach dem Kongress in Kraft. Demnach dürfen nun auch Spieler das Nationalteam wechseln, wenn sie nicht mehr als drei A-Länderspiele (auch Pflichtspiele) absolviert haben, zum Zeitpunkt des letzten Einsatzes noch nicht 21 Jahre alt gewesen sind, an keiner kontinentalen Endrunde oder WM teilgenommen haben, das letzte Spiel (auch Freundschaftsspiel) für den alten Verband mindestens drei Jahre zurückliegt und sie zum Zeitpunkt des ersten Pflichtspiel-Einsatzes für den alten Verband schon die Staatsbürgerschaft des neuen Verbands besessen haben.

Löw: "Die Entscheidung liegt bei ihm"

Komplizierte Ausgangslage also für den jungen Musiala, der damit theoretisch bei der WM-Qualifikation für Deutschland auflaufen und maximal drei Spiele absolvieren könnte, um dann in drei Jahren doch noch für England antreten zu dürfen. Eine dreijährige Pause ist allerdings keine Option für einen so talentierten Ausnahmefußballer. Und so muss Bundestrainer Joachim Löw weiter geduldig abwarten, bis Musiala sich selbst darüber klar geworden ist, was genau er will. "Ich denke, er weiß so oder so, dass ich ihn nominieren will", sagte Löw. "Die Entscheidung liegt bei ihm."

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