Japan: Große Sicherheitsbedenken wegen Chinas Machtpolitik
17. Juli 2025
Die japanische Regierung nimmt kein Blatt vor den Mund: "China ist eine noch nie da gewesene und die größte strategische Herausforderung für Tokio und seine Verbündeten". Das jüngste Verteidigungsweißbuch Japans konzentriert sich auf die aktuellen Bedrohungen rund um die Inselnation. Peking baue die Gebiete für seine militärischen Einsätze aus und werde immer selbstbewusster, hieß es. "Die internationale Gemeinschaft steht vor den größten Herausforderungen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Chinas verstärkte militärische Aktivitäten beeinträchtigen ernsthaft Japans Sicherheit."
Anlass zur Sorge geben auch die wachsenden militärischen Fähigkeiten Nordkoreas und seine sich vertiefende Sicherheits- und Wirtschaftsallianz mit Russland. Nordkorea schickt seine Soldaten an die westrussische Front im Krieg gegen die Ukraine. Als Gegenleistung erhält das Regime in Pjöngjang unter anderem Militärtechnologien.
"Im letzten Jahr gab es viel mehr Aktivitäten mit chinesischer, nordkoreanischer und russischer Beteiligung. Es war keine wirkliche Überraschung, dass Japan seine Besorgnis expliziter zum Ausdruck bringt", sagt Ryo Hinata-Yamaguchi, Professor am Institut für Internationale Strategie der Tokyo International University.
Militärallianz "China, Russland und Nordkorea"
Yakov Zinberg, Professor für internationale Beziehungen an der Kokushikan-Universität in Tokio, sagt, das jüngste Weißbuch deute auch auf die wachsende Besorgnis hin, dass China militärische Allianzen mit Nordkorea und Russland in Nordostasien aufbaue.
"China und Russland haben in den letzten Jahren eine Reihe von Militärübungen zu Wasser und in der Luft durchgeführt. Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass es in Zukunft weitere gemeinsame Übungen dieser Art geben wird", sagt Zinberg.
China und Russland möchten gemeinsam Macht in Asien demonstrieren und Länder wie Japan von einem aktiveren Widerstand abschrecken. 2024 umrundete bei einer Übung eine gemeinsame Flotte chinesischer und russischer Kriegsschiffe den japanischen Archipel. "Seitdem ist Japan äußerst besorgt über die US-Regierung und deren Bekenntnis für das Sicherheitsbündnis mit Japan, weil eben US-Präsident Donald Trump einfach unberechenbar ist", so Zinberg.
Schauplatz Ostchinesisches Meer
In jüngster Zeit trafen japanische und chinesische Kampfjets immer häufiger aufeinander. Zum ersten Mal seit dem Start der Aufzeichnung 1958 drang im August 2024 ein chinesisches militärisches Aufklärungsflugzeug in den japanischen Luftraum ein. Japanische Kampfflugzeuge waren aufgestiegen, um das Flugzeug abzufangen. Später bestellte Tokio als Protest den Geschäftsträger der chinesischen Botschaft als Abwesenheitsvertretung des Botschafters in das japanische Außenministerium ein.
Anfang Juni wurden gefährliche Luftmanöver von chinesischen Kampfjets über dem Pazifik geflogen. Damals übte China mit beiden Flugzeugträgern auf internationalen Gewässern. Als sich ein japanisches Aufklärungsflugzeug des Typs P3C annäherte, stieg der chinesische Kampfjet des Typs J-15 vom Flugzeugträger Shandong zu Luft. Dieser verfolgte den japanischen Seefernaufklärer etwa 80 Minuten lang - in einem Abstand von teils weniger als 45 Metern. Zwei Tage später kam es zu einem weiteren Zwischenfall mit identischem Ablauf.
Vor einer Woche (7.7.25) wurde wiederum ein japanisches Überwachungsflugzeug vom Typ YS-11EB im internationalen Luftraum über dem Ostchinesischen Meer von einem chinesischen Jagdbomber des Typs JH-7 verfolgt. Nach Angaben des japanischen Verteidigungsministeriums kam das chinesische Kampfflugzeug bis auf 30 Meter gefährlich nah an das japanische Flugzeug heran. Am folgenden Tag wurde erneut ein ähnlicher Zwischenfall registriert.
Über diplomatische Kanäle äußerte Tokio "ernste Bedenken" über die "anormalen Annäherungen". Peking wies die Beschwerde zurück und beschuldigte Japan, "sich zu nähern und Chinas militärische Übungen auszuspionieren".
Die chinesische Küstenwache ist weiterhin rund um die Senkaku-Inseln aktiv, auf Chinesisch Diaoyu. Die Inselgruppe wird von Japan verwaltet, allerdings von China beansprucht. Tokio registrierte jährlich Hunderte chinesischer Aktionen um die unbewohnten Inseln. Auch eine große chinesische Boje wurde in den Gewässern um die Inselgruppe im Ostchinesischen Meer entdeckt.
"Neben diesen Aktionen tritt China auch im Südchinesischen Meer und in der Straße von Taiwan immer selbstbewusster auf. Die Intensität nimmt von Jahr zu Jahr zu", so der Politologe Hinata-Yamaguchi.
China wies Kritik zurück
Peking reagiert prompt. Das chinesische Außenministerium erklärte, das Tokioter Weißbuch enthalte "eine falsche Wahrnehmung Chinas" und verbreite die falsche Angst um die sogenannte "Bedrohung durch China". Der Außenamtssprecher Lin Jian wies Japan auf dessen Kriegsschuld hin, die in Asien nach 1945 nicht gründlich aufgearbeitet worden war. 2025 werde das Ende des Zweiten Weltkriegs vor 80 Jahren gefeiert. "Das ist ein Erfolg des chinesischen Volks gegen die japanische Aggression", so Lin. Anfang September wird dieser Anlass in Peking mit einer großen Militärparade begangen. Der russische Präsident Wladimir Putin hat seine Teilnahme zugesagt.
"Wir fordern Japan auf, sein historisches Kriegsverbrechen gründlich zu überdenken, Lehren aus der Geschichte zu ziehen und aufzuhören, Vorwände für seine militärische Aufrüstung zu finden, indem es 'Spannungen' in der Nachbarschaft künstlich produziert", zitierte die nationalistische Zeitung Global Times den Sprecher Lin.
Japan will Rüstungsausgaben erhöhen
Die Friedensverfassung nach dem Krieg unter amerikanischer Federführung verbietet Japan eine eigene Armee. Deswegen nennt sich das japanische Militär "Selbstverteidigungsstreitkräfte", die laut Verfassung an keiner Kampfhandlung teilnehmen dürfen. Das Weißbuch bekräftigt, dass Tokio auf dem besten Weg sei, die Verteidigungsausgaben bis 2027 von derzeit 1,8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf zwei Prozent zu erhöhen.
Im transatlantischen Militärbündnis der NATO will US-Präsident Donald Trump erreichen, dass die NATO-Mitgliedsstaaten fünf Prozent des BIP für die Rüstung ausgeben. Dieselbe Forderung stellt Präsident Trump auch an seine Verbündeten in Asien. Das erklärte Ziel von Japan ist zwar von fünf Prozent weit entfernt. Doch das Weißbuch enthalte laut Hinata-Yamaguchi eine Botschaft an Washington.
"Wenn man zwischen den Zeilen liest, kann man erkennen, dass Tokio den USA mitteilte, dass die japanische Regierung alles in ihrer Macht Stehende tut, um mehr Verantwortung für ihre eigene Verteidigung zu übernehmen, und dass sie möchte, dass ihr die USA als Verbündeter und Partnerin vertrauen."
Aus dem Englischen adaptiert von Dang Yuan