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Japan: Hightech und Einwanderung gegen Fachkräftemangel

8. Februar 2024

Infolge sinkender Geburtenrate und alternder Gesellschaft steht Japan vor akutem Arbeitskräftemangel. Die Antwort im Fernost lautet: Hightech und Zuwanderung. Julian Ryall aus Tokio.

Senioren in Japan
Bild: CHARLY TRIBALLEAU/AFP/Getty Images

Zuerst fehlten Fachkräfte in der Kranken- und Altenpflege. Dann beklagten die Bau- und Logistikunternehmen, dass sie keine qualifizierten Mitarbeiter finden. Später wurden Taxifahrer, Lokführer und Förster Mangelwaren auf dem Arbeitsmarkt. Schließlich ist auch im öffentlichen Leben Not am Mann. Auch Lehrer werden gesucht.

Ende Januar forderte das japanische Schulministerium die Kommunalbehörden als Schulträger auf zu Schätzungen auf, wie viele Lehrer zu Beginn des neuen Schuljahres im April fehlen würden. Und es sah schon im letzten Jahr nicht gut aus. 2023 fehlten in 29 von 68 Präfekturen Lehrkräfte.

Das Schulministerium hatte deswegen im letzten Jahr mehr als drei Millionen Euro investiert, um mehr Hochschulabsolventen und Quereinsteiger für den Lehrerberuf zu gewinnen. Trotzdem ließen sich freie Lehrerstellen nicht besetzen. Bildungsexperten schätzen, dass die Stellen vor allem in ländlichen Regionen weiterhin unbesetzt bleiben würden. Dies liege daran, dass junge Absolventen eher an besser bezahlten Positionen in den Städten interessiert sind.

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Fünf vor zwölf

Japans Bevölkerung altert und schrumpft. Demografen sind der Meinung, dass der allmähliche Rückgang der Bevölkerungszahl nur schwer aufzuhalten ist. Im Bereich der Medizin, der Pflege und des Transports sind die Herausforderungen extrem groß. Hiroshi Yoshida, Professor am Forschungszentrum für alternde Volkswirtschaft und Gesellschaft an der Universität Tohoku, bestätigt, dass der medizinische und pflegerische Bereich besonders stark betroffen sei, gefolgt vom Transportwesen. "Die Löhne für Lkw-Fahrer sind nicht wahnsinnlich hoch. Die Kosten für Speditionsunternehmen werden in diesem Jahr erheblich steigen. Einige neue Gesetze werden 2024 in Kraft treten, die die tägliche Lenkzeit beschränkt."

Eine Studie vom Forschungsinstitut "NK Logistics Research Institute and Consulting Inc.", bekannt als "Problem 2024", prognostiziert, dass der Mangel an Fernfahrern bis 2030 zu einem Rückgang der Gesamttransportkapazität um 34 Prozent führen werde. Umgerechnet seien es etwa 940 Millionen Tonnen Güter, die nicht ausgeliefert werden können, berichtet die Zeitung Asahi. Noch alarmierender ist es, dass die Anzahl der Taxifahrer im gesamten Land seit ihrem Höchststand im Jahr 2009 um 40 Prozent gesunken ist, räumte das japanische Verkehrsministerium ein. 

Martin Schulz, Chefökonom der Fujitsu Group, sagt, dass mehrere Regierungen in Japan vom Fachkräftemangel gewusst hätten. Ihr Lösungsansatz sei es gewesen, junge Familien zu mehr Geburten zu ermutigen. Es habe leider nicht ganz geklappt. "Dieses Problem hatten die Regierungen immer wieder auf die lange Bank geschoben, weil sie andere akutere Probleme lösen mussten, zuletzt die Corona-Pandemie", sagt Schulz. 

Die Tokioter Regierung habe außerdem versucht, mehr Anreize zu schaffen, Frauen nach dem Erziehungsurlaub und Menschen, die das Rentenalter erreicht haben, zurück an den Arbeitsplatz zu bringen. Eine Zeit lang sei der Plan aufgegangen, so Schulz weiter. "Aber wir dürfen auch nicht übersehen, dass die Zahl der Erwerbspersonen zwischen 20 und 65 Jahren kontinuierlich schrumpft." Jetzt wurden Rentner endlich zu Rentnern, mehr Frauen im erwerbsfähigen Alter gibt es leider auch nicht. 

Auch die Gewerkschaften in Japan beschweren sich über Arbeitsverdichtung. Immer weniger Personal müsse Aufgaben erledigen, die nicht weniger würden. Die Arbeitgeber müssen deswegen immer Kompromisse bei Lohnforderungen machen, denn sie fürchten, dass die Konkurrenz gegen einen geringen Zuschlag die eigenen Mitarbeiter abwerben. 

Geregelte Zuwanderung

Um mehr Fachkräfte zu gewinnen, hat Japan die Einwanderungsregeln vereinfacht. 2019 wurde ein System eingeführt, das einer begrenzten Anzahl von Fachkräften in den Branchen mit dem größten Personalmangel die Einreise für fünf Jahre ermöglicht. Diejenigen, die als "hoch qualifiziert" eingestuft sind, dürfen sich danach dauerhaft in Japan niederlassen.

Die Regierung hatte sich dadurch einen Ansturm an Bewerbern und 345.000 Neuankömmlinge in den ersten fünf Jahren erhofft. Im ersten Jahr waren es lediglich 36.000 Ankünfte. Nach Ausbruch der Coronapandemie kam die Zuwanderung praktisch zum Stillstand. Nun will sich Japan in diesem Jahr weiter öffnen. Am Montag (05.02.) kündigt Japan an, die Zuwanderung für Fachkräfte in weiteren vier Branchen zu ermöglichen: Bus- und Taxifahrer, Lokführer sowie Förster.

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Künstliche Intelligenz und Roboter 

Allerdings ist Soziologe Yoshida nicht überzeugt, dass die Zuwanderung die alleinige Antwort sei. "Japan hat keine ausgeprägte Willkommenskultur gegenüber ausländischen Arbeitskräften. Auch sprachlich ist für die meisten Zuwanderer ein Problem", sagte er. "Darüber hinaus könnte es möglicherweise schwieriger werden, Arbeitskräfte aus anderen ostasiatischen Ländern anzuziehen, da auch diese mit sinkenden Geburtenraten zu kämpfen haben."

Manche Arbeit soll nun von Maschinen erledigt werden. Die Akzeptanz fortschrittlicher Technologien ist in Japan sehr hoch, das Bedenken über Datenschutz gering. Japan sei weltweit führend, sagt Yoshida, insbesondere bei Automatisierung, Robotik und vor allem bei der Künstlichen Intelligenz (KI). Die Hightech senke sowohl den Bedarf an Arbeitskräften als auch die Lohnkosten der Unternehmen. Die KI bereits kann schon heute mit der automatisierten Übersetzung die Sprachbarrieren überbrücken. 

"Wir sehen in Japan enorme Veränderungen. In vielen Restaurants bedienen mittlerweile Roboter. Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Konsumenten mit Einführung dieser Technologie unzufrieden sind", sagt der deutsche Volkswirt Schulz. "Die Künstliche Intelligenz wird in Japan ebenfalls zunehmend verstanden und akzeptiert. Sie ist genau das, was eine alternde Gesellschaft braucht."

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein
 

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