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PolitikAsien

Japan investiert in See- und Luftverteidigung

29. Dezember 2020

Japan will seine Abwehrkraft gegen potentielle Gegner in der Nachbarschaft stärken. Priorität hat dabei die Modernisierung der Luft- und Seestreitkräfte.

Japan Mutsu | Marine | Zerstörer Suzunami
Bild: Kyodo/picture alliance

Bei seiner Amtsübernahme Mitte September versprach Premierminister Yoshihide Suga, den nationalkonservativen Kurs seines zurückgetretenen Vorgängers Shinzo Abe fortzusetzen. Dies gilt nun auch für die von Abe lange verfolgte Stärkung des japanischen Militärs. Wie das Kabinett nun beschloss, sollen die Verteidigungsausgaben im nächsten Fiskaljahr, das am 1. April beginnt, das neunte Jahr in Folge steigen.

Diesmal steigt der Etat für die Selbstverteidigungsstreitkräfte mit ihren 247.000 Soldaten um 1,1 Prozent auf nun 5,3 Billionen Yen (42,4 Milliarden Euro). Das entspricht fünf Prozent der Staatsausgaben, wenn man die geplanten Corona-Hilfen herausrechnet. Zugleich bleibt der Rüstungsetat wohl weiter knapp unter der langjährigen Orientierungsmarke von einem Prozent der realen Wirtschaftsleistung. Zum Vergleich: Die deutsche Bundeswehr mit ihren 184.000 Soldaten erhält im neuen Jahr 46,9 Milliarden Euro.

"Abstandsraketen" zum Inselschutz

Der Fokus des neuen Budgets liegt auf der Modernisierung von Waffensystemen, um die militärischeAbwehrkraft gegenüber China und Nordkorea zu erhöhen. So fließen rund 266 Millionen Euro in neue Raketensysteme, die feindliche Kriegsschiffe auf Abstand halten sollen. Ihre Entwicklung soll fünf Jahre dauern. Dafür will man die Reichweite von auf Lastwagen montierten Raketensystemen vergrößern, die in Okinawa stehen. Bisher fliegen ihre Geschosse nur 200 Kilometer weit.

Umstrittenes Gebiet zwischen China und JapanBild: DW

Die verbesserten Abstandsraketen könnten feindliche Schiffe in der Umgebung der Inselkette im Südwesten von Okinawa einschließlich der von China beanspruchten Senkaku-Inseln treffen. "In der Region ist das Sicherheitsumfeld rauer geworden, so dass wir angemessen reagieren müssen", erklärte Verteidigungsminister Nobuo Kishi, der jüngere Bruder des im September zurückgetretenen Premiers Abe. Seine Aussage bezieht sich auf die starke Zunahme von Chinas Militäraktivitäten um die umstrittene Inselgruppe im abgelaufenen Jahr.

Die Modernisierung des Waffenarsenals kommt Japan teuer zu stehen. Für die Entwicklung der nächsten Generation von Kampfflugzeugen einschließlich der dazugehörigen Forschung gibt die Regierung 580 Millionen Euro aus. Der Hersteller Mitsubishi Heavy wird dabei von dem US-Rüstungsriesen Lockheed Martin unterstützt. Auf der Einkaufsliste stehen auch sechs Lockheed F-35-Tarnkappenbomber für insgesamt 515 Millionen Euro, darunter zwei Flugzeuge dieses Typs, die senkrecht starten und landen können und auf einem umgebauten Hubschrauberträger stationiert werden sollen.

Erneute Debatte über pazifistische Verfassung Japans

Zugleich bereitet Japan den Bau von zwei kompakten Zerstörern vor, die das mit den USA betriebene, seegestützte Abwehrsystem gegen Raketen aus Nordkorea verstärken sollen. Im nächsten Jahr fließen zunächst 13,5 Millionen Euro. Aber bis zu ihrer Fertigstellung 2025 werden die zwei Schiffe über vier Milliarden Euro kosten. Die Zerstörer sollen das geplante landgestützte Aegis-Abwehrsystem ersetzen, das die Vorgängerregierung von Abe im Sommer aufgegeben hat – offiziell aus Kostengründen. Die neuen Zerstörer erhalten ein stärkeres Radarsystem mit einer drei Mal größeren Reichweite. Damit reagiert Japan auf die nordkoreanische Entwicklung von mobilen Mittel- und Langstreckenraketen, die sich schwerer orten und ausschalten lassen als solche mit fest installierten Starteinrichtungen.

Nordkoreas Drohung mit seinen Raketen zeigt WirkungBild: Reuters/H. Ran

Die neuen Waffensysteme beleben die uralte Debatte in Japan, ob die pazifistische Verfassung den Einsatz von weitreichenden Raketen erlaubt. Schon 1956 diskutierten Politiker und Verfassungsjuristen die Rechtmäßigkeit von japanischen Raketenschlägen auf andere Länder zur vorbeugenden Verteidigung. Damals tat Premierminister Ichiro Hatoyama den berühmten Ausspruch: "Die Verfassung meint sicher nicht, dass wir einfach sitzenbleiben und auf den Tod warten." Das heutige Szenario sähe so aus, dass Japan eine nordkoreanische Rakete auf ihrem Startplatz zerstören würde, falls Nordkorea einen Angriff auf Japan plant. Doch falls man eine solche Bedrohung falsch einschätzt, würde man einen Krieg beginnen.

Arbeitsteilung "Schild und Schwert" überholt?

Jedenfalls sind sich Experten und Militärs einig, dass ein japanischer Besitz von Mittel- und Langstreckenraketen die etablierte Arbeitsteilung mit dem Sicherheitspartner USA beeinflussen würde. Bisher basiert die Kooperation auf dem Prinzip "Schild und Schwert". Die Japaner bilden den Abwehrschild, während die 55.000 in Japan stationierten US-Soldaten das "Schwert" ihrer Offensivwaffen gegen den Gegner führen. "Aber dieses Paradigma hat sich im Verlauf vieler Jahre schon abgenutzt", sagte der Sicherheitsexperte Euan Graham vom Internationalen Institut für Strategische Studien in Singapur der "New York Times".

Der Kommandeur der US-Streitkräfte in Japan, Kevin Schneider (r) und Koji Yamazaki, Japans Armee-Chef, bekräftigen das bilaterale Bündnis auf einem japanischen Hubschrauberträger Bild: Tim Kelly/Reuters

Dessen ungeachtet betritt Japan weiteres juristisches und militärisches Neuland, um sich gegen einen Angriff besser verteidigen zu können. Im Mai kommenden Jahres wollen die japanischen Selbstverteidigungsstreitkräfte und die USA erstmals gemeinsam mit Frankreich ein Militärmanöver auf einem der unbewohnten Eilande von Japan abhalten. Offiziell will man Hilfsaktionen im Falle einer Naturkatastrophe erproben, aber Teile der Übungen könnten auch die Basis für die Abwehr eines feindlichen Angriffs bilden.

Außerdem diskutieren Politiker und Experten seit dem Sommer darüber, ob und wie Japan sich der Geheimdienstallianz "Five Eyes" von USA, Großbritannien, Australien, Neuseeland und Kanada anschließen könnte. Bislang hält sich die japanische Regierung in diesem Punkt bedeckt. Denn ebenso wie Aufrüstung und Manöver droht sich eine engere Kooperation von Japan mit diesem sogenannten "Spionageklub" negativ auf die fragilen Beziehungen von Tokio und Peking auszuwirken. Die engen ökonomischen Verflechtungen mit dem Nachbarland zwingen Tokio zur Vorsicht.

 

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