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PolitikJapan

Japan: Premier Kishida kämpft gegen Spendenskandal

14. Dezember 2023

Japans unbeliebtem Regierungschef droht der Machtverlust, falls sich die mächtigste Faktion seiner Partei nach ihrem Ausschluss aus dem Kabinett gegen ihn wendet. Martin Fritz aus Tokio.

Japan Premierminister Fumio Kishida
Japans Premier KishidaBild: Kyodo News/AP/picture alliance

Der japanische Premierminister Fumio Kishida hat am Donnerstag (14.12.23) vier Minister ausgetauscht, um die Auswirkungen eines ausufernden Skandals um politische Spenden einzudämmen. Doch der Ausschluss von allen Mitgliedern der stärksten Parlamentsfaktion seiner Liberaldemokratischen Partei (LDP) aus dem Kabinett untergräbt das Machtgefüge von Kishida. Seit seinem Amtsantritt im Oktober 2021 führt er die Regierung mit der Unterstützung dieser mächtigen LDP-Faktion. Diese konservative Gruppierung heißt offiziell Seiwakai. Sie wurde vom langjährigen Partei- und Regierungschef Shinzo Abe bis zu seiner Ermordung im Juli 2022 geleitet.

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Die Tokioter Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Seiwakai und andere Faktionen der LDP-Parlamentarier, weil sie in den fünf Jahren zwischen 2017 und 2022 rund 500 Millionen Yen (3,2 Millionen Euro) an Spendengeldern systematisch in schwarze Kassen geleitet haben sollen. Das wäre ein Verstoß gegen das Gesetz zur Kontrolle der Parteispende, was bis zu fünf Jahre Haft nach sich ziehen kann. Nun stehen Bürodurchsuchungen und Befragungen von Abgeordneten bevor. Beobachter ziehen bereits Vergleiche zum "Recruit-Skandal" am Ende der 1980er Jahre, als Vorwürfe über Insiderhandel mit Aktien den damaligen Premier Noboru Takeshita zu Fall brachten. Zurücktreten musste 1989 auch der LDP-Generalsekretär Shintaro Abe, Vater vom späteren Premier Shinzo Abe.

Angesichts der Verdächtigungen traten am Donnerstag die Minister zurück, die als frühere oder heutige Führungsmitglieder der Abe-Faktion für dieses strafrechtliche Vergehen mitverantwortlich wären. Dabei handelte es sich um Kabinettschef Hirokazu Matsuno sowie Wirtschaftsminister Yasutoshi Nishimura, Agrarminister Ichiro Miyashita und Innenminister Junji Suzuki. Allein Matsuno wird verdächtigt, über 10 Millionen Yen (65.000 Euro) an Spenden nicht korrekt verbucht zu haben. Fünf ranghohe Vizeminister und ein Sonderberater, die alle der Abe-Faktion angehören, gaben ebenfalls ihre Ämter ab. Auch die Parteiführung blieb nicht verschont. Politikchef Koichi Hagiuda und der Chef für parlamentarische Angelegenheiten, Tsuyoshi Takagi, wollen sich zurückziehen. Weitere Umbesetzungen wird es voraussichtlich nächste Woche geben. 

Missbrauchtes System für Parteispenden

Die Abe-Faktion mit ihren fast 100 Mitgliedern soll ein Standardverfahren der LDP für die Akquirierung von Parteispenden missbraucht haben. Dabei verkaufen ihre Abgeordneten eine bestimmte Zahl von Eintrittskarten für Spendenpartys, meist zu 20.000 Yen (130 Euro), an Unternehmen, Organisationen und Einzelpersonen, die Zugang zur Regierungspartei erhalten oder ihr Geld zukommen lassen wollen. Verkauft ein Abgeordneter mehr Tickets als seine Quote, zahlt seine Faktion ihm diesen Extraerlös zurück. Viele Abgeordnete verbuchten diese Kickbacks jedoch nicht wie vorgeschrieben als Einnahme, sondern füllten damit eine schwarze Kasse. Auch in den Büchern der Abe-Faktion tauchten die Gelder wohl nicht auf.

Kishida wird Ex-Außenminister Yoshimasa Hayashi zum neuen Kabinettschef ernennen. Ex-Justizminister Ken Saito wird Wirtschaftsminister und der Ex-Minister für regionale Wiederbelegung, Tetsushi Sakamoto, erhält das Amt des Agrarministers. Takeaki Matsumoto bekommt den Posten des Innenministers zurück, den er bei der Kabinettsumbildung im September verloren hatte. Alle vier gehören anderen Faktionen an. "Um das Vertrauen der Bevölkerung wiederherzustellen, werde ich als Feuerball handeln und an vorderster Front der LDP stehen", erklärte Kishida am Mittwoch. Allerdings berichtete die Zeitung Asahi, dass auch seine eigene Faktion, die Kishida entgegen der politischen Gepflogenheit bis zum Wochenende selbst führte, 20 Millionen Yen in ihren Spendenberichten von 2018 bis 2020 nicht angegeben haben soll.

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Schwache Grundlage für Machterhalt

Sein Vorgehen birgt ohnehin ein Risiko für den Machterhalt. Der 66-jährige Politiker mit Wahlkreis in Hiroshima gehört zwar zum liberalen Flügel der LDP, die Japan seit fast 70 Jahren nahezu unterbrochen regiert. Aber die stramm konservative Abe-Faktion unterstützte ihn bei der Wahl zum Parteivorsitzenden und danach bei seinem wichtigsten Projekt, den Verteidigungsetat bis 2027 auf zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu verdoppeln. Ohne die Aussicht, an Ministerposten zu kommen und die Regierungspolitik zu steuern, könnte die Seiwakai-Faktion versucht sein, Kishida als Parteichef und damit auch als Premier zu stürzen. Allerdings halten einige Beobachter es auch für möglich, dass die seit dem Tod von Abe kollektiv geführte Gruppe auseinanderfällt.

(Archiv) Wahlkämpfer Kishida in der LDP-ZentraleBild: The Yomiuri Shimbun/AP Images/picture alliance

Aber Kishida droht die Kontrolle über seine Partei auch mangels öffentlicher Zustimmung aus der Hand zu gleiten. Vielen Wählern stoßen die hohe Inflation, eine drohende Steueranhebung für Verteidigung sowie die Nähe der LDP zur koreanischen Vereinigungskirche sauer auf. Gemäß der letzten Umfrage der Nachrichtenagentur Jiji sank die Zustimmungsrate für Kishida durch den Skandal auf 17 Prozent. Das ist der schlechteste Wert für einen LDP-Regierungschef seit 14 Jahren. Zu seinem Glück findet die nächste Wahl erst im Oktober 2025 statt. Doch sollten die Wähler ihre schlechte Meinung über ihn nicht ändern, muss Kishida damit rechnen, dass seine Partei ihn spätestens zur Neuwahl ihres Vorsitzenden im September 2024 zum Rücktritt zwingt.