Japan rutscht in Rezession
19. Mai 2011Durch das Erdbeben der Stärke 9,0 und der anschließenden Flutwelle vom 11. März 2011 sind in Japan nach Schätzungen bis zu 26.000 Menschen ums Leben gekommen. Ganze Städte wurden ausgelöscht. Experten schätzen die Schäden auf umgerechnet mehr als 210 Milliarden Euro.
Infolge der wahrscheinlich teuersten Naturkatastrophe der Geschichte brach die japanische Wirtschaft im ersten Quartal dieses Jahres stark ein. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) - die Summe aller erwirtschafteten Waren und Dienstleitstungen - sank um 0,9 Prozent im Vergleich zum Vorquartal. Da das Bruttoinlandsprodukt bereits im letzten Quartal des vergangenen Jahres zurückgegangen war, und zwar um 0,8 Prozent, liegt die drittgrößte Wirtschaftsmacht der Welt damit zum zweiten Mal in Folge im Minus. Ökonomen sprechen dann von einer Rezession, auch wenn es keine allgemein anerkannte Definition des Begriffs gibt.
Experten sind überrascht
Analysten zeigten sich überrascht darüber, wie schnell die Wirtschaftsleistung in Japan zurückging. In der BIP-Bilanz seien nur 20 Tage aus der Zeit nach dem Erdbeben enthalten, aber die Folgen seien riesig, hieß es an den Aktienmärkten in Tokio und New York.
Japan hatte sich erst im zweiten Quartal 2009 aus der schwersten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg gelöst. Die Natur- und Atomkatastrophe dürften das Land nun in eine noch tiefere Krise gestürzt haben.
Regierung dennoch zuversichtlich
Der japanische Staatsminister für Wirtschafts- und Finanzpolitik, Kaoru Yosano, sprach am Donnerstag (19.05.2011) in Tokio von einem vorübergehenden Phänomen. Die Konjunktur werde zwar für einige Zeit schwach bleiben. Aber sie habe die Kraft, rasch wieder auf die Beine zu kommen. "Die Zulieferkette für die Industrie stabilisiert sich allmählich, und der Wiederaufbau dürfte die Wirtschaft ankurbeln", ergänzte Yosano.
Optimistisch zeigt sich auch die Investmentbank Goldman Sachs. Sie sieht die Talsohle im zweiten Quartal erreicht. Mit einem Wachstum sei wieder im dritten Quartal zu rechnen, erklärte ein Sprecher in New York.
Besonders hart traf es Toyota
Durch die Natur- und Reaktorkatastrophe wurden Investitionen gestoppt und Lieferungen innerhalb Japans sowie ins Ausland unterbrochen. Die Binnennachfrage brach ein. Besonders empfindlich traf es die Zulieferer der Automobilindustrie, deren Fabriken in der nordöstlichen Region Tohoku zerstört wurden. Der weltweit größte japanische Autokonzern Toyota musste wegen fehlender Teile und Stromausfällen Werke vorübergehend schließen beziehungsweise die Produktion im In- und Ausland drosseln.
Belastet wird die Wirtschaft nach wie vor durch die Folgen der Katastrophe von Fukushima. Das Kabinett von Ministerpräsident Naoto Kan beschloss vor wenigen Tagen, über Sonderanleihen einen Spezialfonds zur Entschädigung der Opfer aufzulegen. Das Volumen der Anleihen soll umgerechnet bei 43 Milliarden Euro liegen.
Strahlung um Atomruine Fukushima weitet sich aus
Auch die Stabilisierung der Atomruine und der Kampf gegen die radioaktive Verseuchung verursachen weiter immense Kosten. Erstmals registrierten Behördenvertreter in der Präfektur Miyagi am Donnerstag weit außerhalb der 20-Kilometer-Sperrzone deutlich überhöhte Strahlenwerte in Weidegras. Der Fundort lag 60 Kilometer nördlich des zerstörten Atomkraftwerks. Ein Kilogramm der Probe war mit 1530 Becquerel Cäsium belastet. Gesetzlich erlaubt für die Fütterung von Milchkühen sind in Japan maximal 300 Becquerel.
Die Provinzregierung forderte die 6000 Bauern in Miyagi auf, bei der Fütterung ihrer Tiere mit Gras zurückhaltend zu sein und sie zudem nicht auf die Weide zu schicken.
Autorin: Susanne Eickenfonder (dapd, rtr, afp, dpa)
Redaktion: Julia Elvers-Guyot