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Japan stoppt Exporthilfe für Kohlemeiler

Martin Fritz
1. April 2021

Japan erwägt, seine Billigkredite für den Bau von Kohlekraftwerken im Ausland zu beenden. Mit dem Strategiewechsel reagiert die Regierung auf die Klimapolitik des neuen US-Präsidenten Joe Biden. Von Martin Fritz, Tokio.

Japan Globaler Klimastreik - Tokio
Demonstration japanischer Klimaaktivisten im September 2019Bild: picture-alliance/dpa/Kyodo News

Laut dem Pariser Klimaabkommen soll die Welt bis 2050 netto kein Kohlendioxid mehr in die Atmosphäre blasen, um die Erderwärmung auf ein Minimum zu begrenzen. Das bedeutet vor allem, weniger Kohle zu nutzen, denn aus ihrer Verbrennung stammen derzeit 46 Prozent des emittierten Kohlendioxids. Der Ausstieg aus der Kohle sei "der wichtigste Schritt", um den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur auf 1,5 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau zu halten, betonte UN-Generalsekretär Antonio Guterres kürzlich.

Doch Japan beschreitet einen Sonderweg und steht deswegen seit einigen Jahren am internationalen Klimapranger. Das Inselland setzt zu Hause weiter auf Kohle. Zugleich fördert es den Bau von Kohlekraftwerken in Asien, um eigene Unternehmen zu unterstützen. Über staatliche Finanzinstitute vergibt die Regierung in Tokio zinsgünstige Langzeitkredite an asiatische Schwellenländer wie Indonesien und Vietnam, wenn sie ein Kohlekraftwerk bauen. Von den Beihilfen profitieren Handelshäuser wie Mitsubishi Corp. und Mitsui & Co., Stromversorger wie Tepco sowie die Kraftwerksbauer Mitsubishi Power und IHI.

Japans Maschinenbauer IHI ist einer der größten Mischkonzerne in AsienBild: Kyodo/picture alliance

Bislang unbestätigten Medienberichten zufolge will Japan diese Subventionen nun einstellen. Premierminister Yoshihide Suga könnte den Schritt beim virtuellen Klimagipfel am 22. und 23. April ankündigen, zu dem US-Präsident Joe Biden 40 Staatsoberhäupter eingeladen hat. Den Hauptgrund für Japans Meinungswandel sehen Beobachter in der Klimapolitik seines einzigen Sicherheitspartners USA. Biden macht den Klimawandel zu einem Schwerpunkt seiner Außenpolitik. Darin möchte Japans Premier Suga Biden unterstützen.

Suga als erster Gast im Weißen Haus

Biden hat den Japaner als erster ausländischer Regierungschef ins Weiße Haus eingeladen, das Treffen soll in der ersten Aprilhälfte stattfinden. Dabei wird Suga laut japanischen Medienberichten Biden versprechen, dass Japan sich für 2030 ein ehrgeizigeres Ziel für Klimaemissionen setzt und die Kohlekraft im Asien nicht mehr fördert. John Kerry, der neue Klima-Beauftragte von Biden, hatte Japan bereits öffentlich aufgefordert, diese Praxis zu beenden. Auch der britische Premierminister Boris Johnson, der in diesem Jahr die G7-Gruppe führt, hatte Japan dafür schon kritisiert.

Japans Premier SugaBild: Kiyoshi Ota/REUTERS

Bei dem Kurswechsel spielt auch die internationale Glaubwürdigkeit von Japan eine Rolle. Schließlich hatte Suga im vergangenen Herbst angekündigt, dass Japan bis 2050 klimaneutral wirtschaften will, ohne konkreter zu werden. Ein Stopp der Exportförderung wäre ohnehin kein wirklich großer Schritt mehr. Nach der internationalen Kritik hatte Sugas Vorgänger Shinzo Abe bereits im Juli 2020 die Richtlinien für die Billigkredite verschärft. Seitdem subventioniert Japan Kohlemeiler in Schwellenländern nur noch dann, wenn sie sich teurere Kraftwerke nicht leisten können und sich anstrengen, weniger Treibhausgase auszustoßen.

Außerdem ist die Zahl der japanischen Unternehmen, die von den Beihilfen profitieren, inzwischen deutlich gesunken. Die drei Finanzgruppen MUFG, SMFG und Mizuho wollen mittelfristig aus der Finanzierung von Kohlekraft aussteigen. Bei den Hauptversammlungen von MUFG und dem Handelshaus Sumitomo Corp. im Juli werden Aktionäre eine Resolution einbringen, dass die Geschäfte mit den Zielen des Pariser Klimaabkommens übereinstimmen müssen. Das Handelshaus Mitsubishi Corp. zog sich im Februar aus dem zwei Milliarden Dollar teuren Kohlekraftwerk "Vinh Tan 3" mit einer Kapazität von zwei Gigawatt in Vietnam zurück und erklärte die Entscheidung mit neuen Klimazielen. Der Turbinenbauer Toshiba kündigte im November an, keine neuen Aufträge für Kohlekraftwerke mehr anzunehmen.

Japans Finanzgruppe MUFGBild: picture-alliance/AP Photo/Yomiuri Shimbun/T. Oishi

Kohlenstoffarm statt kohlefrei

Doch in Japan selbst zeichnet sich kein Abschied von der Kohle ab. Sowohl vor als auch nach der Atomkatastrophe von Fukushima 2011 generiert die Kohle 25 bis 28 Prozent des Stroms. Daran soll sich nichts ändern. Der aktuelle Energieplan, der allerdings in diesem Jahr überarbeitet wird, sieht für 2030 einen Kohlestromanteil von 26 Prozent vor. Kohle sei eine wichtige Stromquelle für die Grundlast, heißt es in dem Papier. Die weitere Nutzung rechtfertigt Tokio damit, den Kohlestrom besonders treibhausgasarm zu erzeugen. Von aktuell 140 Meilern will man 100 ineffiziente Anlagen stilllegen und durch hochmoderne Kraftwerke ersetzen.

Diese Strategie erklärt den Neubau von rund einem Dutzend neuer Großkraftwerke für Kohle, die mit Vergasung und extrem hohen Drücken arbeiten und dabei bis zu 15 Prozent weniger CO2 ausstoßen. Zur Senkung der Emissionen könnten diese Anlagen auch sauberen Wasserstoff in Form von Ammoniak verfeuern. Zugleich arbeitet die japanische Industrie daran, das Kohlendioxid aufzufangen und entweder im Boden zu speichern oder daraus Chemikalien herzustellen. Mit solchen Methoden will Japan die Pariser Klimaziele trotz Kohlenutzung erreichen. Das Vorgehen brachte Satoshi Onoda, Präsident von Jera, Betreiber der Hälfte aller Wärmekraftwerke in Japan, mit einem Wortspiel auf den Punkt: "Wir unterscheiden zwischen einer kohlefreien und einer kohlenstoffarmen Gesellschaft."