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Politik

Japan und Südkorea suchen Ausweg

22. Oktober 2019

Die zunehmenden Kosten drängen Japan und Südkorea, ihren Handels- und Geschichtsstreit zu beenden. Aber das beschädigte gegenseitige Vertrauen könnte sich als das größte Hindernis für eine Einigung erweisen.

Bildkombo Flaggen Südkorea und Japan

Die USA und China steuern auf einen Handelsvertrag zu, Großbritannien und der EU gelingt ein Durchbruch zum geordneten Brexit. Die beiden Einigungen erhöhen den psychologischen Druck auf Japan und Südkorea, ihren komplexen Zwist ebenfalls beizulegen. Beide Seiten signalisierten zuletzt, dass sie eine Lösung anstreben, nachdem ihre Beziehungen auf einen langjährigen Tiefpunkt gesunken waren. Die Basis für die Wiederannäherung könnte schon nach der Inthronisierungszeremonie für Kaiser Naruhito am kommenden Dienstag geschaffen werden.

Ursprünglich wollte Südkoreas Präsident Moon Jae In laut südkoreanischen Medienberichten persönlich zu der Feier nach Tokio kommen und Japans Premier Shinzo Abe treffen. Aber angeblich bevorzugte die japanische Regierung einen Besuch von Premierminister Lee Nak Yon, um die Möglichkeit eines Auswegs aus der verfahrenen Lage zunächst einmal auszuloten. Die Begegnung von Lee mit Abe soll am 23. oder 24. Oktober stattfinden. Außerdem bemüht sich Lee um Gespräche mit Toshihiro Nikai, dem Generalsekretär der regierenden LDP, sowie anderen politischen und wirtschaftlichen Schwergewichten.

Kriegsvergangenheit, die nicht vergehen will: Südkoreaner mit Porträts von Vorfahren, die von der kaiserlichen Armee zwangsrekrutiert wurden Bild: Imago/Kyodo News

Beidseitige Offenheit für Lösung

Der südkoreanische Regierungschef sagte der Nachrichtenagentur Kyodo, er wolle die Rolle eines Boten zwischen Präsident Moon und Premier Abe übernehmen und voraussichtlich einen Brief von Moon mitbringen. Lee spricht fließend Japanisch, war Vizechef der bilateralen Parlamentarischen Union und arbeitete in den neunziger Jahren als Zeitungskorrespondent in Tokio. „Ich werde den Worten von Abe ernsthaft zuhören und die Gedanken von Moon und mir so gut wie möglich erklären", sagte Lee. Auch die japanische Seite signalisierte ihre Offenheit für eine Lösung. "Wir sollten den Dialog fortsetzen und solche Gelegenheiten (wie das Treffen mit Lee) nicht ausschließen", sagte Abe im Parlament. Am Mittwoch trafen sich hochrangige Beamte beider Seiten in Seoul schon zu einem Arbeitsgespräch.

Doch der Hauptstreitpunkt ist nur schwer beizulegen, zumal starke nationale Emotionen mitschwingen. Das Oberste Gericht in Südkorea hatte im Herbst 2018 mehrere japanische Unternehmen dazu verurteilt, Zwangsarbeiter aus der Zeit der Kolonialherrschaft zu entschädigen. Nun werden Vermögenswerte der Unternehmen in Südkorea beschlagnahmt. Nach Ansicht der japanischen Regierung hat jedoch das bilaterale Abkommen von 1965 die Entschädigungsfrage abschließend geklärt. Deswegen verlangt sie die Einhaltung des Vertrages. Als Südkorea nicht reagierte, beschränkte die Tokioter Regierung den Export von wichtigen Materialien für die Produktion von Halbleitern in Südkorea. Danach kündigte Moon eine Abmachung über einen Informationsaustausch im militärischen Bereich auf.

Steigende Kosten des gegenseitigen HandelsboykottsBild: picture-alliance/AP Photo/Ahn Young-joon

Suche nach gemeinsamem Nenner

Japan hat ein erstes südkoreanisches Kompromissangebot bereits abgelehnt. Danach würden japanische und südkoreanische Unternehmen freiwillig in einen Fonds für die Entschädigung der Zwangsarbeiter einzahlen. Südkorea suche nach einer Lösung ohne staatliche Beteiligung, wie Südkoreas Botschafter in Japan, Nam Gwan-pyo, gegenüber der Finanzzeitung Nikkei erläuterte. Aber falls Japan eine gute Idee habe, werde man sie diskutieren. Eine zweite Hürde ist die Vereinbarung von 2015 zur Entschädigung von Zwangsprostituierten über eine südkoreanische Stiftung mit japanischem Geld, die Präsident Moon weder umsetzen noch neu verhandeln will. Regierungschef Abe beklagte mehrmals die "Beschädigung des gegenseitigen Vertrauens" durch die nicht eingehaltenen Verträge. Diese Situation erschwert einen Deal über die weit auseinanderliegenden Positionen hinaus.

Die Bereitschaft zum Kompromiss dürfte mit den wachsenden Kosten der bilateralen Auseinandersetzung zusammenhängen. Beide Länder haben sich gegenseitig von der Liste ihrer bevorzugten Handelspartner gestrichen. Hunderte von Unternehmen auf beiden Seiten brauchen nun Exportlizenzen, was den Warenhandel und wirtschaftlichen Austausch bremst. Jedoch sind beide Volkswirtschaften derzeit angeschlagen. Japans Regierung senkte soeben ihre eigene Konjunkturbewertung, in Südkorea ist das Wachstum so schwach wie seit Jahren nicht mehr. Nach dem Rücktritt seines Justizministers und den feindlichen Tönen aus Nordkorea wirkt Präsident Moon auch politisch angeschlagen wie nie zuvor.

Südkoreas Präsident Moon: Politisch angeschlagen Bild: picture-alliance/dpa/Yonhap/B. Jae-Man

Neuer Streit um Olympische Spiele 2020?

Zudem hat Japan unerwartete Konsequenzen des Streits zu tragen. Die Zahl der südkoreanischen Touristen in Japan ist im August um rund 280.000 oder knapp 60 Prozent zum Vorjahr eingebrochen. Südkoreaner bilden hinter den Chinesen bisher die größte Gruppe der Japan-Touristen. Doch antijapanische Gefühle in Südkorea dämpften die Reiselust und verursachten einen sinkenden Absatz von Autos, Textilien und anderen Waren aus Japan. Außerdem startete Südkorea eine internationale Kampagne gegen olympische Veranstaltungen in der angeblich radioaktiv verstrahlten Region Fukushima. Damit würden die Olympischen Spiele 2020 in Tokio zu einer neuen Streitfront zwischen Japan und Südkorea.

 

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