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Japan will "Großmacht" sein

Martin Fritz26. Juli 2014

China und Japan ringen um die Vorherrschaft in Ostasien. Durch eine Stärkung der Partnerschaft mit den USA will Tokio seinen Status in der Region sichern. Unterdessen setzt China auf eine Neutralisierung von Südkorea.

Shinzo Abe an eine, Rednerpult mit der japanischen Flagge im Hintergrund (Foto: STR/AFP/Getty Images)
Bild: STR/AFP/Getty Images

Vor 120 Jahren setzte sich Japan von Asien ab und wechselte auf die Seite der westlichen Großmächte. Japan übernahm dabei auch die Ideologie des Imperialismus: Am 1. August 1894 erklärte die Regierung in Tokio China den Krieg und verdrängte dessen Truppen aus Korea. Weitere zehn Jahre später besiegte Japan im Krieg gegen Russland als erster und bis heute einziger asiatischer Staat der jüngeren Geschichte eine westliche Macht.

Trotz der Niederlage im Zweiten Weltkrieg gelang es Japan, mit Hilfe seines Sicherheitsvertrages mit den USA im westlichen Lager zu bleiben. Unter dem atomaren und militärischen Schutzschirm der USA entwickelte sich die Inselnation trotz ihres Mangels an natürlichen Ressourcen zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt. Nun zwingt der Aufstieg Chinas zu einer dominanten Militär- und Wirtschaftsmacht den Nachbarn Japan erneut zur Wahl zwischen Asien und dem Westen.

Japans neues Selbstverständnis

Für Premierminister Shinzo Abe ist die Antwort klar. Japan muss China die Stirn bieten, indem es sich noch enger mit den USA verbündet. Die Vereinigten Staaten sind die einzige Macht, die dem Riesenreich der Mitte Paroli bieten kann. Daher hat Abes Kabinett den pazifistischen Artikel 9 der Verfassung am 60. Jahrestag der Gründung der japanischen Streitkräfte neu interpretiert. Bisher durften die Soldaten nur bei einem direkten Angriff auf das eigene Territorium aktiv werden. Jetzt sollen sie auch gemeinsam mit anderen Nationen - sprich den USA - kämpfen dürfen, wenn japanische Interessen betroffen sind.

Verteidigungsminister Itsunori Onodera verdeutlichte Anfang Juli (11.07.2014) in Washington, was die Neuausrichtung der japanischen Politik bedeute. Japan werde sein Engagement in der Sicherheits- und Verteidigungspolitik in Ostasien deutlich ausweiten. "Für eine Großmacht wie Japan ist es nur natürlich, in der zunehmend angespannten Sicherheitslage der Region eine verantwortliche Rolle zu spielen", erklärte Onodera. Bisher hat Japan sich höchstens als Wirtschaftsmacht, aber fast nie als "Großmacht" bezeichnet. Japanische Beamte spielten den Ausdruck "Großmacht" anschließend jedoch herunter.

Pentagon: "Historische Entscheidung"

Viele Japaner wollen Umfragen zufolge jedoch keine Abkehr vom Pazifismus. Der wichtige Oppositionspolitiker Ichiro Ozawa warnte Abe vor einer Wiederbelebung der Vorkriegszeit. Der Unwillen ist so groß, dass die Regierung die Anpassung der Gesetze an die Neuauslegung der Verteidigungspolitik vom Herbst auf das nächste Jahr verschoben hat.

Die USA jedoch verdrängen die Frage, ob Abes Vorgehen legitim ist. Verteidigungsminister Chuck Hagel sprach von einer "mutigen, historischen Grundsatzentscheidung" in Tokio, die er "fest" unterstütze. Denn Washington hatte Japan schon lange zu diesem Schritt gedrängt.

Die Parteinahme der USA zugunsten von Japan wird in Südkorea mit Argwohn verfolgt. Korea gehörte über Jahrhunderte zum Einflussbereich von China. Dass Südkorea und Japan heute als US-Verbündete gemeinsam auf einer Seite stehen, ist eine Folge des Kalten Krieges und des Korea-Konflikts. Inzwischen sind Japan und Korea allerdings mindestens zu wirtschaftlichen Rivalen bei Autos, Elektronik und in der Schwerindustrie geworden.

Warnung vor Koreas Neutralität

Der ökonomische Aufstieg lässt die Nachbarn China und Südkorea zusammenrücken. Der bilaterale Handel ist auf 274 Milliarden Dollar gewachsen. Südkorea stellt das größte Kontingent von ausländischen Bürgern in China. Chinas Präsident Xi Jinping unterstrich das enge Verhältnis jetzt durch einen Staatsbesuch in Seoul. Erstmals ging der neue chinesische Staatschef nicht zuerst nach Nordkorea. Xi lockte Präsidentin Park Geun Hye mit dem Abschluss eines Freihandelsabkommens, den Handel in chinesischer Währung und einer gemeinsamen Nordkoreainitiative. Die Empörung beider Politiker über die nachlassende Bereitschaft von Japan, sich zu seiner Kriegsschuld zu bekennen, stärkte das Gefühl der Zusammengehörigkeit.

Japan und die USA deuten den Vorstoß von Xi als neuen Versuch Chinas, einen Keil in die gemeinsame Allianz mit Südkorea zu treiben. Ex-Verteidigungsministerin Yuriko Koike und Abgeordnete der regierenden Liberaldemokraten Japans warnte vor einer Finnlandisierung von Korea. Xi habe Südkorea überzeugen wollen, dass über die Zukunft Koreas einschließlich Wiedervereinigung mit Nordkorea in China entschieden werde. Doch Korea werde wenig gewinnen, wenn es seine Bündnisbindung zugunsten einer wirtschaftlich motivierten Neutralität schwäche, schrieb Koike in der Washington Post. Dadurch riskiere Seoul isoliert zu werden.

Nordkoreas neuer Schachzug

Sowohl China als auch Südkorea gefällt es nicht, dass Japan seine regionale Bedeutung mit Hilfe einer neuen Militär- und Sicherheitspolitik ausbauen will. Dagegen sieht Nordkorea darin eine Chance, seine Abhängigkeit von China zu verringern und die Beziehungen zu Japan zu verbessern. Damit ließe sich auch Südkorea vorführen. Daher führt Pjöngjang nach jahrelanger Weigerung neuerdings Verhandlungen über japanische Staatsbürger, die vor Jahrzehnten nach Nordkorea entführt wurden. Womöglich erhofft sich das Regime von Kim Jong Un davon die Aufnahme der begehrten Gespräche mit Washington. Die wachsende Macht Chinas führt offenbar zum Umbau der Sicherheitsarchitektur in Ostasien.

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