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TechnikJapan

Japan will wieder mehr Unabhängigkeit in der Chipindustrie

22. März 2025

Tokio will Japans Halbleiterindustrie wiederbeleben. Japan ist inzwischen stark auf Importe angewiesen. Doch die Rückkehr an die Weltspitze scheint nicht das Ziel zu sein.

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Bild: Cigdem Simsek/Zoonar/picture alliance

In den letzten Jahren, in denen der Welthandel durch Konflikte, Zölle und pandemiebedingte Störungen zunehmend volatiler wurde, begann Japan mit dem Wiederaufbau seiner heimischen Halbleiterindustrie. Das Land dominierte einst den Markt für Hochleistungselektronik und verfügt auch heute noch über einige der weltweit modernsten Chipfertigungstechnologien.

In den 1980er-Jahren überließ Japan jedoch Ländern wie Südkorea die Massenproduktion von Basischips, da dieser Bereich damals als wenig profitabel galt. Zudem ging man davon aus, dass der internationale Handel stabil bleiben würde, weshalb Japan sich auf Importe verlassen konnte.

Diese Einschätzung hat sich inzwischen grundlegend verändert, erklärte Kazuto Suzuki von der Universität Tokio im Gespräch mit der DW. Der Professor für Wissenschafts- und Technologiepolitik verwies dabei auf die durch die Coronavirus-Pandemie verursachten Unterbrechungen globaler Lieferketten.

"Der plötzliche Chipmangel in Japan, Europa und den USA machte der japanischen Regierung klar, dass wir eigene, gezielte Lieferstrukturen benötigen, um den Niedergang der heimischen Industrie zu verhindern", sagte er.

Ein Roboter am Steuer

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In jüngerer Zeit sei dieses Bewusstsein, dass dringender Handlungsbedarf besteht,  durch Maßnahmen der US-Regierung unter Donald Trump, die den freien Handel einschränkten, zusätzlich gewachsen, fügte Suzuki hinzu.

Nicht an die Spitze?

"Der wichtigste Faktor für die Regierung ist die Gewährleistung wirtschaftlicher Sicherheit", meint Damian Thong, Leiter der japanischen Aktienanalyse und Halbleiterexperte bei der Macquarie Group in Tokio.

"Es herrscht der Eindruck, dass es entscheidend ist, dass Japan eine unabhängige Halbleiterproduktion aufrechterhält, um die eigenen Hersteller zuverlässig versorgen zu können", sagte er gegenüber der DW.

Der KI-Boom der letzten Jahre habe die Aufmerksamkeit der Regierung zusätzlich auf den Sektor gelenkt, so Thong weiter. Trotz dieses Drucks hält er es jedoch für unwahrscheinlich, dass Japan seine frühere Position als weltweit führender Chiphersteller wiedererlangen wolle.

"Die Regierung strebt keine globale Expansion an", erklärte Thong. "Sie möchte ihre eigene Produktionskapazität sichern und zugleich für ausländische Unternehmen attraktiv bleiben, die sich hier niederlassen und eigene Fertigungsstätten aufbauen."

Taiwans Halbleiterriese mit Sony und Denso zusammenbringen

Mit diesen Zielen verfolgt Japan eine zweigleisige Strategie zur Stärkung der heimischen Produktion. Zum einen lud die Regierung im Jahr 2021 den globalen Chipriesen Taiwan Semiconductor Manufacturing Co. (TSMC) ein, sich mit Sony und dem Autozulieferer Denso zusammenzuschließen, um ein Werk im südjapanischen Kumamoto zu errichten. Das Projektvolumen beträgt 1,2 Billionen Yen (7,34 Milliarden Euro), wobei mehr als 40 % durch staatliche Subventionen gedeckt werden.

Das Werk produziert 22- und 28-Nanometer-Chips, die vor allem in Autos und Unterhaltungselektronik zum Einsatz kommen. Aufgrund der steigenden Nachfrage kündigte TSMC für 2023 den Bau einer zweiten Produktionsstätte in der Region an.

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Der zweite Bestandteil der Strategie war die Gründung des neuen japanischen Halbleiterherstellers Rapidus. Seit 2022 fließen Hunderte Millionen Dollar in das Unternehmen, um Produktionsanlagen auf der nördlichen Insel Hokkaido aufzubauen.

Rapidus arbeitet mit dem US-amerikanischen Technologiekonzern IBM und dem belgischen Forschungszentrum Interuniversity Microelectronics Center (IMEC) zusammen, um Ergebnisse aus der Spitzenforschung in die industrielle Fertigung einzubringen. Die Regierung kündigte kürzlich an, Rapidus im Haushalt 2025 weitere 100 Milliarden Yen zur Verfügung zu stellen.

"Ziel ist es, gemeinsam mit anderen Unternehmen hochmoderne Chips zu entwickeln, um sicherzustellen, dass Japan ein globaler Akteur bleibt", sagte Suzuki.

"Der Wettbewerb im Halbleitersektor wächst rasant, insbesondere aufgrund der enormen Nachfrage in Bereichen wie künstlicher Intelligenz, Elektrofahrzeugen, automatisiertem Fahren, Drohnen und anderen Technologien", erklärte er.

"Letzte Chance zur Revitalisierung"

Während taiwanesische Hersteller inzwischen den globalen Markt für hochentwickelte Halbleiter dominieren, bleiben japanische Unternehmen führend in der Produktion von Maschinen zur Herstellung dieser Chips.

Diese Technologien könnte jedoch irgendwann auch China erwerben. Zudem verstärken Pekings zunehmend aggressive Haltung gegenüber Taiwan, das als abtrünnige Provinz betrachtet wird, und mögliche geopolitische Spannungen die Sorge vor zukünftigen Lieferengpässen.

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Suzuki betont, Japan habe keine andere Wahl, als sich dieser Herausforderung zu stellen, da der Wettbewerb "nur noch härter" werde. Er zeigt sich jedoch überzeugt, dass die Regierung auf dem richtigen Weg sei, um Autarkie in der Chipproduktion zu erreichen.

"Unser Vorteil ist, dass wir über die nötigen Materialien und die erforderliche Ausrüstung verfügen, um leistungsfähigere Halbleiter zu produzieren", so der Professor aus Tokio.

"Die Regierung betrachtet dies als letzte Chance, die heimische Industrie wiederzubeleben, solange wir noch über Ingenieure und Wissenschaftler mit dem entsprechenden Know-how verfügen", sagte Suzuki.

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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