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PolitikJapan

Japans Premierministerin: Wirtschaft und Sicherheit im Fokus

Julian Ryall in Tokio
21. Oktober 2025

Japans erste Premierministerin Sanae Takaichi und ihre Koalition müssen schnell Erfolge vorweisen, um das Vertrauen enttäuschter Wähler zurückzugewinnen.

Sanae Takaichi
Japans erste Premierministerin Sanae TakaichiBild: Kazuhiro Nogi/AFP/Getty Images

Die konservative Politikerin Sanae Takaichi ist am 21. Oktober nach einer Abstimmung im Unterhaus, des japanischen Parlaments, zur ersten Premierministerin des Landes gewählt worden. Unmittelbar nach ihrer Wahl begann sie mit der Zusammenstellung ihres Kabinetts. Sie braucht ein Team, das soziale, wirtschaftlichen und sicherheitspolitischen Reformen umsetzt. Mit einem solchen hofft sie auch, dass ihre Regierung länger Bestand hat als die vieler ihrer Vorgänger aus der Liberaldemokratischen Partei (LDP). 

Takaichi erhielt 237 der 465 Stimmen im Unterhaus. Dieser Wahlerfolg wurde mit den Voten der konservativen LDP sowie ihres neuen Koalitionspartners, der rechtsgerichteten Japan Innovation Party (JIP), ermöglicht.

Die in Osaka beheimatete JIP ist bislang vor allem eine regionale Kraft, verfolgt aber das Ziel, ihre Wählerschaft auf das gesamte Land auszudehnen. Trotz teils deutlicher politischer Differenzen mit der LDP hofft die Parteiführung, durch die Regierungsbeteiligung an Einfluss und Legitimität zu gewinnen und ihre nationale Präsenz auszubauen.

Es wird erwartet, dass Takaichi zentrale Elemente von Shinzo Abes Politik wieder aufgreiftBild: Kim Kyung-Hoon/REUTERS

Die Herausforderungen, vor denen die neue Regierung steht, sind gewaltig. Sollte es Takaichi nicht gelingen, rasch Erfolge zu erzielen, könnte sich ein enttäuschtes Wahlvolk beim nächsten Urnengang gegen beide Koalitionsparteien wenden.

Die neue Premierministerin steht somit unter erheblichem Druck: Sie muss schnell handeln, wenn sie länger im Amt bleiben will als ihr unmittelbarer Vorgänger Shigeru Ishiba, der am Dienstagmorgen nach nur 386 Tagen im Amt offiziell zurücktrat.

Erste Priorität: Spaltung in der LDP beenden

"Die erste Priorität der neuen Premierministerin wird sein, die tiefe Spaltung innerhalb der Partei zu beenden und das öffentliche Vertrauen in die LDP wiederherzustellen", sagte Jeff Kingston, Direktor für Asienstudien an der Temple University Japan (TUJ).

"Gleichzeitig muss sie herausfinden, wie sie diese ungewöhnliche Koalition zum Funktionieren bringt", fügte er im Gespräch mit DW hinzu. "Im Moment scheint die Allianz auf vagen Versprechen und einer Agenda ohne klaren Zeitplan zu beruhen."

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Von der erklärten Anhängerin des verstorbenen Ex-Premierministers Shinzo Abe wird erwartet, dass sie zentrale Elemente seiner Politik wieder aufgreift. "Sie steht für eine klare Fortsetzung von Abes wirtschafts- und sicherheitspolitischem Kurs", erklärte Naomi Fink, Chefstrategin bei Amova Asset Management in Tokio.

Die Finanzmärkte reagierten prompt auf die Wahl der neuen Regierungschefin: Die Tokioter Börse schloss am Dienstag mit einem Allzeithoch von über 49.000 Punkten ab. Anleger werteten Takaichis Amtsantritt als Signal für Kontinuität und wirtschaftspolitische Stabilität -  insbesondere angesichts ihrer bekannten Unterstützung für expansive Fiskalpolitik und geldpolitische Lockerungsmaßnahmen.

Hohe Kosten, stagnierende Löhne

Für die Mehrheit der Japanerinnen und Japaner, so Kingston, seien jedoch vor allem wirtschaftliche Entlastungen entscheidend. "Viele empfinden ein Gefühl der Stagnation. Die neue Regierung muss Wege finden, die hohen Lebenshaltungskosten zu senken - derzeit fühlen sich die meisten Menschen schlicht überfordert." Stagnierende Löhne und ein zunehmender Anteil der japanischen Arbeitsbevölkerung in nur befristeten Beschäftigungsverhältnissen geben Anlass zur Sorge. Das sind wichtige Themen, die Takaichi zügig angehen muss.

Tadashi Anno, Politikprofessor an der Sophia-Universität in Tokio, weist darauf hin, dass die Wählerschaft bei der Wahl zum Oberhaus im Juli ihre Unzufriedenheit mit der LDP deutlich gemacht hat. Die Partei hatte ein katastrophales Ergebnis eingefahren. Sie stellte damals bereits eine Minderheitsregierung. Eine Folge der Wahl: der Rücktritt Ishibas.

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"Die Menschen haben damals ihre Meinung zur wirtschaftlichen Lage, dem schwachen Yen und den steigenden Preisen geäußert", sagte Anno und fügte hinzu, dass die LDP und die JIP zwar einen Plan zur Senkung der Preise für Alltagsgüter diskutiert haben. Es bleibe aber unklar, wie schnell Gesetze verabschiedet werden können, die den Menschen helfen, über die Runden zu kommen.

Eine weitere Herausforderung, die sich am Horizont zeigt, ist der dreitägige Staatsbesuch von US-Präsident Donald Trump, der am Montag in Tokio eintreffen soll, bevor er dann nach Südkorea weiterreist.

Obwohl Japan den Präsidenten offenbar mit einem Investitionspaket in Höhe von 550 Milliarden US-Dollar (473 Milliarden Euro) zufriedengestellt hat, ist Tokio weiterhin besorgt, dass er zusätzliche Forderungen auf den Tisch legen könnte.

"Trump ist sehr unberechenbar", sagte Anno. "Im Bereich Sicherheit hat Japan 2022 eine bedeutende Änderung zu bisherigen Politik vorgenommen. Das Land verpflichtete sich, zwei Prozent des BIP für Verteidigung auszugeben. Aber es gibt dennoch das Gefühl, dass die USA glauben, Japan müsse mehr tun, und ich denke, es ist wahrscheinlich, dass die USA neuen Druck auf Japan ausüben werden."

Das könnte den Gesamtetat und damit die Regierung schwer belasten, so der Experte. In Tokio hat man gleichzeitig nicht vergessen, dass Trump bereits in der Vergangenheit damit gedroht hat, US-Truppen aus verbündeten Ländern, insbesondere aus Japan und Südkorea abzuziehen, sollten diese seinen Forderungen nicht nachkommen. Takaichi werde ihr Bestes tun, um ein Ultimatum in dieser Angelegenheit zu vermeiden.

Laut Gesetz muss Takaichi bis Herbst 2028 keine Neuwahlen ausrufen, und sie wird hoffen, in der Koalition mit der JIP bei Schlüsselthemen, so beim Haushalt, der bis Ende Februar verabschiedet werden muss, erfolgreich zu sein. Da sie jedoch eine Regierung ohne Mehrheit führt, kann eine geeinte Opposition ihr das politische Leben sehr schwer machen.

Koalition ist wackelig

"Die JIP hat keine Kabinettsmitglieder, daher ist klar, dass sie Flexibilität in ihrer Allianz mit der LDP anstrebt", sagte Anno. "Das macht die Zukunft der Koalition wackelig. Wenn die JIP einige ihrer politischen Ziele umsetzen will, wird sie bei der LDP bleiben, aber ich sehe das nicht als langfristig tragfähig an."

Kingston stimmt dem zu: "Die JIP wird der LDP bei Wahlen nicht helfen können, wie es der vorherige Koalitionspartner Komeito tat, und ich schätze, das wird die LDP bei der nächsten Wahl 20 Prozent ihrer Sitze kosten", prognostiziert der Experte.

"Ich schätze, diese Regierung wird etwa ein Jahr halten. Die japanische Politik wird wieder in Zyklen zerfallen, in denen Premierminister ein Jahr im Amt sind und dann zum Rücktritt gezwungen werden", sagte er. 

Aus dem Englischen adaptiert von Shabnam von Hein

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