Der "Japonismus" war im Paris des 19. Jahrhunderts große Mode. Französische Impressionisten ließen sich von japanischen Künstlern anregen - und umgekehrt. Eine Ausstellung in Bonn zeigt den inspirierenden Austausch.
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Kunstaustausch zwischen Japan und Frankreich
In Europa sind sie erstmals ausgestellt: Gemälde berühmter französischer Impressionisten, von japanischen Sammlern schon im 19. Jahrhundert gekauft. Die Begeisterung in Japan für europäische Kunst war damals große Mode.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland/Foto: David Ertl
Japanische Motive im europäischen Stil
Die Wechselbeziehung zwischen Japan und Frankreich fand im 19. Jahrhundert ihren Niederschlag, auch in der Bildenden Kunst. Der aufkommende Japonismus inspirierte die französischen Maler nachhaltig. Die japanischen Künstler nahmen von ihren Frankreich-Aufenthalten europäische Motive und Malweisen mit nach Hause, wie hier der Maler Ikunosuke Shirataki für sein Bild "Unterricht" (1898).
Bild: Tokyo University of Arts, The University Art Museum, Tokio
Inspirationsort Paris
Viele japanische Künstler reisten im 19. Jahrhundert zu Studienaufenthalten nach Europa, vorzugsweise in die französische Kunstmetropole Paris. Hier traf sich die internationale Avantgarde der Maler und Bildhauer. Als "très chic" galt es auch für Ausländer sich nach der damaligen Mode zu kleiden, schwarze Zylinder waren Ausdruck absoluter Vornehmheit - so promenierte man auf den Boulevards.
Bild: DW/H. Mund
Japonismus in Europa
Der Maler Claude Monet, der dieses Ölgemälde 1886 als Naturbetrachtung gemalt hat, war ein Bewunderer der japanischen Kultur. Er hatte für sich privat eine Sammlung japanischer Holzschnitte angelegt, die er zur künstlerischen Inspiration benutzte. In Frankreich war der "Japonismus" Ende des 19. Jahrhunderts zur populären Modeerscheinung geworden. Pariser Kunsthändler verdienten damit viel Geld.
Bild: 2015 The Museum of Modern Art, Ibaraki
Vorliebe für freie Natur
Der Maler Édouard Manet (1832-1883) war zu seiner Zeit mehr als Flaneur und für seine großstädtischen Impressionen aus Paris bekannt. Für sein Gemälde "Junge mit Blumen" (1876) kehrte Manet der Stadt den Rücken und ging raus in die freie Natur. Die neue Einfachheit, die Konzentration auf den Menschen in der Natur als Motiv war auch fernöstlichen Inspirationsquellen zu verdanken.
Bild: The National Museum of Western Art, Tokyo
Japans Liebe zum Impressionismus
Umgekehrt übernahmen die japanischen Künstler die europäische Malweise der Impressionisten und übertrugen sie in ihren fernöstlichen Kulturkreis. Als Motive wählten sie allerdings Frauen, Kinder und Alltagsszenen aus ihrer Heimat Japan. Nur der Stil erinnert stark an die europäische Malerei des 19. Jahrhunderts, wie hier das Ölgemälde "Ausruhen unter einem Baum" (1898) von Seiki Kuroda.
Bild: Wood One Museum, Hiroshima
Rodin und der Japonismus
Französische Künstler, wie der Bildhauer Auguste Rodin (1840-1917), ließen sich vom Japonismus stark inspirieren. Die Welle als Motiv japanischer Holzschnitte taucht in Rodins Werk häufig auf - aber mit europäischen Augen in Bildhauerei übersetzt. Japanische Sammler, wie den Industriellen Kojiro Matsukata, zog das sehr an. In seiner hochkarätigen Sammlung befinden sich 59 Plastiken von Rodin.
Bild: DW/H. Mund
Begegnungen mit Hanako
Auguste Rodin ließ sich auch gern von schönen Frauen inspirieren. Sein Lieblings-Modell Hanako, eine junge japanische Schauspielerin, lebte in der Zeit auch in Paris. Als Büste in Bronze und Gips hat er sie allein 58 Mal verewigt und unzählige Zeichnungen von ihr angefertigt.
Bild: DW/H. Mund
Freunde der Kunst
Japanische Industrielle gehörten um 1900 zu den eifrigsten Sammlern französischer Impressionisten, die selbst stark von japanischer Kunst beeinflusst waren. Der Geschäftsmann Matsukata, Präsident der Kawasaki-Werft, war eng mit dem Maler Claude Monet (2. von links) befreundet und kaufte Bilder direkt aus seinem Atelier. Hier seine Nichte Takeko im Kimono zu Besuch bei der Familie Monet.
Bild: Uehara Museum of Modern Art
Meditative Naturbetrachtung
Von diesem Ölgemälde des japanischen Malers Shigeru Aoki "Meereslandschaft, Mera" (1904) gibt es ein sehr ähnliches Bildpendant von Claude Monet: "Belle-Île, Regeneffekt" (1886). Die kontemplative Malerei in der freien Natur, die Beschäftigung mit Naturphänomenen wie Regen, Schnee und Meer sind in beiden Kulturen zu Hause. In den japanischen Holzschnitten war das lange vorher Tradition.
Bild: Bridgestone Museum of Art, Ishibashi Foundation, Tokyo
Akademische Aktmalerei
Die japanischen Künstler lernten in ihren Studienaufenthalten in Frankreich auch die Tradition der akademischen Aktmalerei kennen. An einer Kunstakademie, vor allem im Paris der Jahrhundertwende, mussten angehende Künstler im Atelier zuerst Proportionen und Maßsystem des menschlichen Körpers studieren. Ins Freie gingen die wenigsten. Diese Arbeit des japanischen Malers Sotaro Yasui entstand 1931.
Bild: The National Museum of Modern Art, Kyoto
Begeisterung für westliche Kunst
Die großen Kollektionen der früheren japanischen Kunstsammler bereichern heute die Museumslandschaft Japans. Die Sammlung Matsukata, die den Zweiten Weltkrieg ausgelagert in Paris überstanden hatte, kehrte nach der Beschlagnahmung erst im Jahr 1958 zurück. Mit der Auflage, ein Museum dafür zu bauen. 1959 wurde das "Nationalmuseum für Westliche Kunst" in Tokio eröffnet, das viele Besucher anzieht.
Bild: DW/H. Mund
Dialog der Künstler
Zwei Gemälde, ähnliche Motive: Édouard Manets "Spaziergang" (rechts, um 1880) zeigt eine elegante junge Dame beim Flanieren durch den Park. Der japanische Maler Shintaro Yamashita, der zu Studienzwecken lange in Paris gelebt hatte, wählte für sein Gemälde "Lesende Frau" (1908) eine "exotisch" anmutende Europäerin als Motiv. Die Werke sind bis 21.02.2016 in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen.
Bild: Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland/Foto: David Ertl
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Paris war um die Jahrhundertwende der Nabel der Kunstwelt. Der "Aufbruch in die Moderne" hatte hier auf allen Ebenen des Gesellschaftslebens, in der Industrie, in der Musik und vor allem in der Kunst seinen Anfang genommen. Junge Künstler aus verschiedenen Ländern brachen nach Paris auf, um dort diese elektrisierende moderne Kunst an den Kunstschulen und Akademien zu studieren. Auch aus Japan kamen Ende des 19. Jahrhunderts junge, meist sehr gebildete Künstler in die aufblühende Kunstmetropole Paris.
Japan begann erst 1868 - nach 200 Jahren völliger Abschottung von der westlichen Welt - sich wieder behutsam zu öffnen. Unter der aufgeklärten Herrschschaft des jungen Kaisers Mutsuhito erhielt das Land eine moderne Verfassung, die Zeit der Industrialisierung begann. Hochrangige Politiker und Angehörige der japanischen Oberschicht reisten nach Europa, um die Kultur und politischen Systeme des Westens zu "studieren". Durch die Aufnahme von Handelsbeziehungen kam es auch zum Export und Import von Kunst. Einen Teil der japanischen Kunstsammlungen dieser Zeit ist nun in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen. Bonn ist die einzige Station der sehenswerten Bilderschau, die ganz im Stil der japanischen Kunstauffassung in üppigen Goldrahmen präsentiert wird.
Die Kunstszene Frankreichs beeinflusste japanische Maler
In Frankreich begannen die Impressionisten sich mit ihrer neuartigen, naturalistischen Malerei gegen die Konventionen der Akademischen Ateliermalerei aufzulehnen. Die Maler suchten modernere, freiere Ausdruckformen und wanderten mit ihren Staffeleien und Farbpaletten lieber in die freie Natur, um dort Lichtstimmungen und Naturmotive einzufangen. Die Malerei, der Pinselstrich, die Motive, alles sollte von konventionellem Regelwerk befreit werden - die "Geburtstunde der Moderne". Auch japanische Maler, die Ende des 19. Jahrhunderts zu Studienzwecken nach Paris kamen, ließen sich von dieser neuen Kunstströmung mitreißen und übernahmen die neuartige Malweise.
In der Bonner Ausstellung zeigen viele Gemälde, wie sehr sich die japanischen Maler damals in ihren Farben und ihrer Malgestus dem Impressionismus anpassten. Zurückgekehrt nach Japan tauschten sie die europäischen Motive, oft junge schöne Frauen in westlicher Kleidung, gegen traditionell Gekleidete aus. Die französischen Maler wiederum waren fasziniert von der strengen japanischen Kunst.
Monet, Renoir und van Gogh faszinierten die Motive japanischer Kunst
Traditionelle Holzschnitte standen bei westlichen Sammlern und Künstlern hoch im Kurs. Künstler wie Claude Monet, Pierre-Auguste Renoir und später auch Vincent van Gogh ließen sich von den fernöstlichen Motiven und auch dem Gestus der reduzierten Linienführung inspirieren. Die Maler und Bildhauer in der Kunstmetropole Paris nahmen die japanische Formensprache interessiert auf: das Meer, die Welle als zentrales Motiv, Bäume, Parks und Blütenzweige tauchten in der französischen Malerei verstärkt auf. Der reine Ausdruck eines Gefühls, einer Impression der Natur, hielt Einzug in die Welt der europäischen Kunst.
Auch die japanischen Künstler ließen sich von der Malweise ihrer französischen Kollegen inspirieren. Gemälde im Stil des europäischen Pointellismus, zartfarbig hingetupfte Motive, waren neu in der japanischen Kunst. Vorher bevorzugten die Künstler starke, holzschnittartige Kontraste. Auch Kunstsammler - meist aus den Kreisen der Industriellendynastien Japans - reisten nun nach Paris, um in den Ateliers und Kunsthandlungen moderne europäische Malerei zu kaufen. Die Ausstellung beleuchtet kunsthistorisch spannend diesen wechselseitigen Einfluss der europäischen und japanischen Kunst. Fotografien aus dieser Zeit ergänzen die Gemälde und Holzschnitte, die dieses Kapitel der Kunstgeschichte widerspiegeln.
Tauschhandel: französische Gemälde gegen japanische Holzschnitte
Einer der ersten Kunstsammler aus Japan, der die impressionistische Malerei nach Japan brachte, war Tadashi Hayashi. 1878 kam er nach Paris und lernte als Dolmetscher bei einem japanischen Kunsthändler die Bohème der französischen Maler kennen. Er galt als Kenner japanischer Kunst und machte sich schnell in Frankreich als fachkundiger Händler einen Namen. Berühmte Maler wie Camille Pissarro, Berthe Morisot und Edgar Degas tauschten bei ihm Gemälde gegen japanische Holzschnitte. Nach 23 Jahren kehrte Hayashi nach Japan zurück - im Gepäck ein umfangreiches Konvolut europäischer Meisterwerke, die als Teil der Bonner Ausstellung so zum ersten Mal wieder in Europa zu sehen sind. Sein Traum war es damals ein Museum nur für diese westliche Kunst einzurichten. Heute gibt es das "National Museum of Western Art" in Tokio, es gehört zu den beliebtesten in Japan überhaupt.
Dank der Sammelleidenschaft japanischer Mäzene können die Besucher 100 Meisterwerke berühmter französischer Impressionisten in einem kunsthistorisch ganz neuen Zusammenhang entdecken. Allein der Präsident der Kawasaki-Werft, Kojiro Matsukata, kaufte damals in Paris mehr als 2000 europäische Kunstwerke - von Landschaftsbildern eines Gustave Courbet bis zu den Post-Impressionisten wie Georges Seurat und Vincent van Gogh.
Die Werke der Ausstellung "Japans Liebe zum Impressionismus. Von Monet bis Renoir" sind bis zum 26. Februar 2016 in der Bundeskunsthalle in Bonn zu sehen.