1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Japans neue Kaiserepoche wird "Reiwa" heißen

Martin Fritz aus Tokio
30. April 2019

Durch eine weltoffene Amtsführung hat Japans Kaiser Akihito seine Rolle als Staatssymbol mit neuem Leben und Sinn gefüllt und die Institution Tenno wieder populär gemacht. Sein Sohn soll dieses Erbe fortführen.

Japans Kaiser - Akihito
Bild: Reuters/Imperial Household Agency of Japan

Den Namen der nächsten Kaiserepoche hatte Japans Regierung bereits vor einem Monat verkündet. "Reiwa" bedeutet so viel wie "schöne Harmonie". Die Ära "Heisei" ("Frieden schaffen") geht mit der Abdankung von Kaiser Akihito am heutigen 30. April nach rund 30 Jahren zu Ende. Es war eine wenig glorreiche Zeit für Japan. Das Wirtschaftswunder endete, China löste Japan als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt ab. Die Bevölkerung alterte, der Staat verschuldete sich wie kein anderer. In Japan spricht man von "verlorenen Jahrzehnten".

Während der Heisei-Zeit gab es 17 verschiedene Premierminister, nur vier davon regierten länger als zwei Jahre. Für Konstanz und Zuverlässigkeit sorgten Kaiser Akihito und seine Frau Michiko (Artikelfoto). Sie trugen einen wichtigen Teil zu dieser Epoche bei, indem sie durch Begegnungen mit den Opfern von Naturkatastrophen dem Volk Wärme spendeten und durch das Wachhalten der Erinnerung an den Zweiten Weltkrieg zum moralischen Gewissen der Nation wurden. Mit Trösten und Mahnen stiftete Akihito der Institution Kaiser, von der Nachkriegsverfassung als "Symbol von Staat und nationaler Einheit" definiert, neuen Sinn.

Hochzeit von Kronprinz Akihito und Michiko Shoda 1959Bild: picture-alliance/CPA Media Co. Ltd

Weg zum modernen Amtsverständnis

Als Akihito am 7. Januar 1989 den Chrysanthementhron bestieg, steckte das Kaiserhaus noch in der Krise. Sein Vater Hirohito hatte durch die Kriegsniederlage seine Göttlichkeit verloren und sich danach vergeblich um Volksnähe bemüht. Die Ehrfurcht der Japaner vor dem scheuen Monarchen blieb einfach zu groß. Aber Hirohito nannte schon kurz nach dem Krieg eine konstitutionelle Monarchie wie in Großbritannien als Vorbild. Er wählte Elisabeth Gray-Vining als Privatlehrerin aus, damit sein Sohn zu einem neuen Kaisertyp erzogen wurde. Die Kinderbuchautorin aus den USA pflanzte dem Teenager ausländische Ideen und europäische Vorstellungen von Monarchie ein. Gegen den Widerstand des Hofamtes heiratete Akihito später eine bürgerliche Frau, zog seine Kinder unter dem eigenen Dach selbst groß und ließ seine beiden Söhne in Oxford studieren.

Akihito beim Besuch in einem Schutzraum nach einem Erdbeben 2016Bild: Imago

Volksnaher Kaiser

Auch die Institution Tenno wollte Akihito modernisieren. "Ich möchte wie alle früheren Kaiser stets an das Glück des Volkes denken und zugleich nach einem Kaisertum suchen, das zur heutigen Zeit passt", kündigte er wenige Monate nach Amtsantritt an. Zusammen mit seiner Frau erhöhte er die Zahl der öffentlichen Auftritte und machte Volksnähe zur Priorität. Nach einem Vulkanausbruch 1991 besuchten Akihito und Michiko in legerer Kleidung die Betroffenen, knieten sich zu ihnen nieder und trösteten sie. Das schockte die Konservativen, aber begeisterte Volk und Medien.

Damit hatte das Kaiserpaar seinen eigenen Stil gefunden. Fortan drückte es Katastrophenopfern die Hände, besuchte Altersheime und Einrichtungen für Behinderte, fand überall warmherzige Worte. "Diese neue Art kam beim Volk gerade in der Heisei-Zeit gut an, in der die soziale Ungleichheit wuchs und viele Menschen sich depressiv und perspektivlos fühlten", meint Kaiserexperte Hideya Kawanishi von der Universität Nagoya. So sei Akihito zum Symbol der nationalen Integration geworden, wie von der Verfassung vorgegeben. Je mehr die Bevölkerung darauf positiv reagierte, umso mehr verstärkte der Kaiser seine Aktivitäten.

China-Besuch des Kaiserpaares 1992Bild: Getty Images/AFP/Y. Tsuno

Subtile Gesten der Aussöhnung mit Asien

Sein anderer Schwerpunkt galt dem historischen Erbe seines Vaters, in dessen Namen die Kaisertruppen halb Asien erobert hatten. Bis heute hadert Japans konservative Elite damit, sich zur Verantwortung für das verursachte Kriegsleid zu bekennen und dafür zu entschuldigen. Hier konnte Akihito starke Akzente setzen, obwohl ihm das Kaisergesetz politische Aussagen verbietet. So wählte Akihito Indonesien und China für seine ersten Auslandsreisen. In China bedauerte er die japanische Aggression und lobte die Leistungen der chinesischen Kultur. Dadurch erinnerte er die Japaner daran, wie viel ihre eigene Kultur China zu verdanken hat.

Als der nationalistische Premierminister Shinzo Abe am 70. Jahrestag des Kriegsendes 2015 auf das Wort "Bedauern" verzichtete, betonte der Kaiser in seiner eigenen Rede Japans "tiefe Selbstkritik". "Überspitzt gesagt: Akihito hat sich stärker für eine nachhaltige Aussöhnung mit Japans asiatischen Nachbarn eingesetzt als die meisten Premierminister der Heisei-Zeit", meint der Historiker Torsten Weber vom Deutschen Institut für Japan-Studien in Tokio.

Bei einer Zeremonie zum 70. Jahrestag des Kriegsendes Bild: picture-alliance/dpa/K. Ota

Stets aller Kriegsopfer gedacht 

Später besuchte das Kaiserpaar die Philippinen und viele Schauplätze von Schlachten zwischen Japan und den USA im Pazifik. Für den Krieg entschuldigen konnte sich Akihito wegen seiner rechtlichen Fesseln nicht. Aber er fand immer sorgfältig gewählte Worte des Bedauerns und betete für alle Kriegsopfer. Im Rahmen dieser Kaiserdiplomatie wollte Akihito auch Südkorea besuchen und verwies auf gemeinsame Abstammungslinien mit dem koreanischen Königshaus Paekche. Doch der Besuch war der Regierung wegen des Streits um koreanische Zwangsprostituierte für die japanische Armee zu heikel. "Im Sinne der konservativen Meinungsführer gilt Akihito nicht als linientreu, auch wenn diese den Kaiser gerne für ihre Ziele vereinnahmen", kommentiert Historiker Weber.

Nachfolger Naruhito mit seiner Ehefrau Kronprinzessin MasakoBild: picture-alliance/dpa/Asahi Shimbun

Kontinuität des Kaiseramtes nach Akihitos Prägung

Nach Ansicht von Kennern des Kaiserhauses hängt der Entschluss von Akihito zur vorzeitigen Abdankung damit zusammen, dass konservative Kräfte versuchten, unter Hinweis auf Alter und Gesundheit seine Aktivitäten einzuschränken. Unter diesen Umständen würde das aufgebaute neue Kaiserbild verblassen und der Bestand der Institution wieder in Gefahr geraten, soll Akihito befürchtet haben. "Akihito will vorzeitig abdanken, um seine Aktivitäten unangetastet an seinen Sohn zu übergeben", analysiert der Kaiserexperte Kawanishi. Das könnte klappen: Naruhito hat versprochen, den Weg seiner Eltern weiter zu verfolgen.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen