Jasper Philipsen - Sturz beendet seine Tour-de-France-Träume
8. Juli 2025
Man kann beinahe die Uhr danach stellen. So gut wie nie vergeht eine erste Woche der Tour de France, dem wichtigsten aller Rennen im Radsport, ohne schwere, folgenreiche Stürze. Auf der dritten Etappe am Montag erwischte es den Belgier Jasper Philipsen, der im Grünen Trikot des bis dahin besten Sprinters der Frankreich-Rundfahrt fuhr.
Der Franzose Bryan Coquard geriet bei einem Zwischensprint mit rund 60 Stundenkilometern ins Schlingern, der neben ihm fahrende Philipsen konnte nicht ausweichen und stürzte hart auf den Asphalt.
Philipsen, der die erste Etappe gewonnen und einen Tag lang sogar das Gelbe Trikot des Spitzenreiters getragen hatte, brach sich das Schlüsselbein und mindestens eine Rippe. Die Tour 2025 war damit für den Belgier beendet. Bereits bei der Auftaktetappe hatten der Schweizer Stefan Bissegger und der Italiener Filippo Ganna nach Stürzen aufgeben müssen.
Wenige Chancen für Sprinter auf Tagessieg
"Die erste Woche ist vermutlich die gefährlichste, weil jeder glaubt, er kann Radsport-Historie schreiben", sagte Ex-Fahrer Rolf Aldag, inzwischen Sportdirektor des deutschen Teams Red Bull-Bora-Hansgrohe. "In der zweiten, dritten Woche weiß jeder, wo er hingehört. Dann wird auch mal zurückgezogen und gebremst." Nicht so in der ersten Woche, in der bei Sprintentscheidungen Höchstgeschwindigkeit angesagt ist.
Insgesamt gibt es bei dieser Tour de France sieben Flachetappen, bei denen Sprinter eine Chance auf einen Tagessieg haben. Das ist nur ein Drittel aller Teilstücke. Die meisten Flachetappen liegen in der ersten Woche. Vor allem bei den schwierigen Bergetappen in den Pyrenäen und den Alpen im späteren Rennverlauf geht es für die Sprinter nur darum, innerhalb des vorgeschriebenen Zeitfensters das Ziel zu erreichen und nicht auszuscheiden, um bei der meist im Sprint entschiedenen Schlussetappe auf den Champs Élysées noch dabei sein zu können.
Bauhaus: "Extrem hohe Risikobereitschaft"
Die dritte Etappe von Valenciennes nach Dünkirchen hatte eigentlich gemächlich begonnen - wovon sich der Autor am Streckenrand in der Kleinstadt Seclin selbst überzeugen konnte: Im Bummeltempo rollte das Feld dahin, selbst die sonst üblichen Ausreißversuche einzelner Fahrer blieben wegen des starken Windes aus. Doch bei der einzigen Sprintwertung des Tages, 60 Kilometer vor dem Ziel in Dünkirchen, ereignete sich der verhängnisvolle Sturz.
Zwei weitere sollten noch folgen, der letzte während des Zielsprints, als gleich mehrere Sprinter auf dem Asphalt landeten. Im Gegensatz zu Philipsen kamen sie mit Schürfwunden davon.
"Die Tour ist nach der Weltmeisterschaft das Größte, was man als Radprofi erreichen kann. Deshalb ist die Risikobereitschaft hier extrem hoch", sagte der deutsche Sprinter Phil Bauhaus, der in Dünkirchen Dritter wurde.
"Wir sind durch die Hölle gefahren", fand der Eritreer Biniam Girmay, der 2024 drei Etappen sowie das Grüne Trikot gewonnen hatte. "Ich bin einfach superglücklich, dass ich sicher angekommen bin. Immer als ich hinter mir einen Sturz hörte, stieg mein Puls auf 300."
Gelbe Karte bei Fehlverhalten
Um die Sturzgefahr zu kontrollieren, hat der Radsport-Weltverband UCI zu Jahresbeginn - analog zum Fußball - Gelbe Karten eingeführt. Sprinter können so verwarnt werden, wenn sie "von der gewählten Linie abweichen und damit einen anderen Fahrer behindern oder gefährden" oder wenn sie während des Sprints plötzlich abbremsen.
In diesen Fällen werden auch eine Geldstrafe von 500 Schweizer Franken (535 Euro) sowie ein Punkteabzug in der Wertung für den besten Sprinter fällig. Bei der zweiten Gelben Karte während eines Rennens folgt eine Sperre von sieben Tagen. Für eine mehrwöchige Rundfahrt wie die Tour de France bedeutet das die Disqualifikation.
Neu in diesem Jahr ist auch, dass bei Flachetappen, bei denen Sprints um den Tagessieg erwartet werden, die Zielzone von drei auf bis zu fünf Kilometer vor dem Zielstrich erweitert werden kann. Sollte ein Radprofi innerhalb dieser Zone stürzen, wird er mit der gleichen Zeit gewertet wie die Gruppe, in der er zum Zeitpunkt des Sturzes mitfuhr. Das heißt: Er verliert durch den Sturz keine Zeit in der Gesamtwertung, muss allerdings irgendwie noch ins Ziel rollen.
In der Gesamtwertung liegen die Tour-Favoriten - allen voran Titelverteidiger Tadej Pogacar aus Slowenien und der zweimalige Tour-Sieger Jonas Vingegaard aus Dänemark - noch innerhalb von einer Minute Rückstand hinter Mathieu van der Poel. Der Niederländer trägt das Gelbe Trikot des Führenden.