Ein Auto, ein Haus, ein Pferd? Materielles, sagt der einstige Mönch Jay Shetty im DW-Gespräch, wird uns nie glücklich machen. Sein Tipp: Denke wie ein Mönch.
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In Los Angeles, wo Jay Shetty für unser Videointerview vor seinem Laptop sitzt, ist es 11 Uhr morgens. Da ist er schon seit sechs Stunden wach - wie jeden Tag - und hat zwei davon meditiert. Nein, das empfiehlt er nicht jedem, aber doch als tägliche Routine: sich Zeit nehmen, zur Ruhe kommen, sich auf sich oder ein Thema fokussieren.
Gelernt hat er das bereits in jungen Jahren, als er mit 19 von London aus nach Indien aufbrach, um dort als Mönch in einem Ashram zu leben. Weil er plötzlich erkannt hatte, dass er nach etwas ganz anderem suchte als Erfolg oder Reichtum: nach innerer Erfüllung, nach Werten, die mehr sind als kurzfristig ein Bedürfnis zu befriedigen.
Vom Mönch zum Social-Media-Star
Drei Jahre lang lebte Shetty in der Nähe von Mumbai, reiste durch Indien, half beim Aufbau von sozialen Projekten. Dann kehrte er nach London zurück und begann schließlich 2016, kurze Videos zu produzieren, in denen er auf verschiedenen Kanälen ganz zeitgemäße Fragen nach Liebe, Job und Sinnsuche mit der Weisheit indischer Mönche beantwortete.
Kurz darauf startete er seinen Podcast "On Purpose" - und damit begann sein beispielloser Aufstieg. Heute hat Jay Shetty insgesamt 38 Millionen Follower - seine Online-Familie nennt er sie -, seine Videos erreichen Milliarden. Jay Shetty wurde in der boomenden Welt der Sinnsuchenden zum Megastar. Warum also hat er jetzt auch noch ein gut 400 Seiten starkes Buch geschrieben: "Das Think like a Monk-Prinzip"?
"Weil ich damit", sagt er, "viel mehr in die Tiefe gehen kann. Ich kann mehr sagen, als in kurzen Videos. Und ich kann auch andere Menschen damit erreichen."
Mönche sind die glücklichsten Menschen
Shetty schildert seine eigenen Erfahrungen und Empfindungen als junger Mönch, und er zieht auch wissenschaftliche Studien heran, die seine Beobachtungen bestätigen: die Gehirne von Mönchen zeigten, dass sie die glücklichsten und empathischsten Menschen sind. Davon könnten wir lernen, indem wir zum Beispiel versuchen, uns Orte oder Momente der Stille zu suchen und durch Meditation zu uns finden.
Aber das reicht allein natürlich nicht. Wir müssen uns, sagt Shetty, von Negativität befreien, uns mit Menschen umgeben, die uns aufrichten und herausfordern. Und wir müssen herausfinden, wer wir wirklich sind, was wir wirklich wollen, was wir wichtig finden. Erst wenn wir eine Synergie herstellen zwischen unserer Passion, unseren Stärken und unserem Mitgefühl, werden wir zu einem erfüllten Leben finden. Das allerwichtigste aber ist, sagt Shetty, dass wir uns jeden Tag fragen, wie wir einen anderen Menschen glücklich machen können.
Das Glück der Anderen
Heißt das, dass wir auch wie Mönche leben müssen, wenn wir wie sie denken wollen? Jay Shetty lacht. "Nein, ich lebe ja selbst nicht mehr wie einer. Ich bin verheiratet, lebe in einem Haus, bin Unternehmer. Ich sage auch nicht: Du darfst nicht reich sein, nichts besitzen. Aber wir müssen unsere materiellen Begehrlichkeiten ablegen. Nicht mehr denken: Das will ich haben, das soll nur für mich sein. Stattdessen sollten wir uns spirituell weiter entwickeln. Materieller Reichtum macht nicht glücklich, aber er kann uns ermöglichen, anderen zu helfen - damit es am Ende nicht nur uns selbst, sondern auch anderen Menschen besser geht."
Aber was, wenn jemand dazu nicht in der Lage ist? Im Krieg, nach einer Naturkatastrophe, in Corona-Zeiten? Dann sollten vor allem die, die privilegiert sind und keine Sorgen haben, Verantwortung dafür tragen, dass es den Betroffenen besser gehe. Aber Not bedeute nicht, handlungsunfähig zu sein, sagt Shetty. Es gebe auch Menschen, die - obwohl selbst in Not - ungewohnte Stärke zeigen und damit andere unterstützen können.
Nicht Glück, sondern Erfüllung
"Meine Arbeit ist erst getan, wenn die ganze Welt geheilt und glücklich ist", heißt es an einer Stelle im Buch. "Aber eigentlich", sagt Jay Shetty, darauf angesprochen, "geht es mir weniger um Glück als um Erfüllung und Bedeutung."
Wer meint, das habe er oder sie doch alles schon einmal gehört oder gelesen: Mag sein, die Weisheiten, die Jay Shetty verkündet, sind schließlich auch schon tausende von Jahren alt. "Das Think like a Monk-Prinzip" fasst diese Weisheiten unterhaltsam zusammen und ermutigt, unser bisheriges Wertesystem in Frage zu stellen und neue Fragen zu stellen.
Das komplette Interview mit Jay Shetty gibt es (im Original) auf unserem youtube Channel DW Books.
10 Fakten über indische Kultur, die Sie kennen sollten
Vom Fasten bis hin zu glücksverheißenden Hochzeitsterminen und heiligen Kühen - wir werfen einen Blick auf faszinierende Facetten der indischen Kultur.
Bild: Tumpa Mondal/picture-alliance/Photoshot
Land der Hindus
Der Name "Indien" kommt vom Fluss Indus, in dessen Tal die indische Zivilisation bereits vor mehr als 5.000 Jahren entstand. Die einheimischen Gläubigen bezeichneten den Fluss als Sindhu. Persische Invasoren änderten ihn in Hindu ab. Der Name "Hindustan", oft für Indien gebraucht, verbindet Sindhu und Hindu und meint "Land der Hindus". In der Hindi-Sprache ist die Rede von "Bharat".
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Vielfalt der Religionen
Indien ist die Geburtsstätte von vier großen Weltreligionen, darunter Hinduismus und Buddhismus. Etwa 84 Prozent der Inder bezeichnen sich als Hindus. Zugleich lebt hier eine der größten muslimischen Bevölkerungsgruppen der Welt. Auch Juden und Christen sind seit rund 2000 Jahren in Indien. Religiöse Minderheiten fühlen sich angesichts des wachsenden Hindu-Nationalismus zunehmend verunsichert.
Bild: Imago/Indiapicture
Die Frau als Göttin
Die Hindus stellen die Frau auf ein hohes Podest. Manche verehren sie gar als Göttin. Der alltägliche Umgang mit Mädchen und Frauen im heutigen Indien ist aber alles andere als respektvoll. Das Land gilt als eines der gefährlichsten für Frauen: Alle 20 Minuten wird - nach Angaben der Regierung - eine Frau vergewaltigt. Die Praxis der Mitgift und des Mädchenmordes ist nach wie vor weit verbreitet.
Bild: Save The Children India
Heilige Kuh
Kühe sind für die indischen Hindus heilig. Aber sie betrachten sie nicht als Götter. In der hinduistischen Mythologie ist das Tier mit gleich mehreren Gottheiten verwandt, wie etwa Krishna, dem Gott der Kuhhirten. Für die Armen ist es auch wirtschaftlich wichtig und sinnvoll, verschiedene Kuhprodukte wie Milch, Quark, Butter, Urin oder Dung im Alltag zu verwenden.
Es ist ein Mythos, dass Indien ein Land voller Vegetarier ist. Während Umfragen darauf hindeuten, dass mehr als ein Drittel der Inder kein Fleisch essen, glauben einige Experten, dass der "kulturelle und politische Druck" viele Inder dazu veranlasst, ihren Fleischkonsum - insbesondere von Rindfleisch - nicht offen zuzugeben. Die tatsächliche Zahl der Vegetarier ist wahrscheinlich weitaus geringer.
Das religiöse Fasten ist ein integraler Bestandteil des Hinduismus. Fasten bedeutet nicht unbedingt, dass der Körper auf Nahrung verzichten muss. Stattdessen reicht es manchmal aus, bestimmte Arten von Nahrung zu reduzieren oder durch andere zu ersetzen. Mahatma Gandhi war ein glühender Verfechter des Fastens aus religiöser Überzeugung.
Der häufigste Gruß in Indien ist "namaste". Im Sanskrit bedeutet "namaste" so viel wie: "Das Göttliche in mir verbeugt sich vor dem Göttlichen in Dir". Er dient sowohl als "Hallo" als auch als "Auf Wiedersehen" und kann jederzeit und für jeden benutzt werden. Ein anderer, weniger gebräuchlicher Gruß ist, die Füße eines älteren Menschen mit beiden Händen zu berühren, um ihm Respekt zu erweisen.
Bild: Nishant Aneja/Pexels
Die drei wichtigsten Dinge in Indien..
...Astrologie, Bollywood und Kricket. Experten glauben, dass Religion, Hindi-Filme und das Kricketspiel die heilige Dreifaltigkeit sind, die das Herz vieler Inder höher schlagen lässt. Diese drei Themen generieren den meisten Internettraffik, wobei globale Technologie- und Mediengiganten das gezielt ausnutzen, um die indische Bevölkerung zu infiltrieren. Indien hat ca. 1,353 Milliarden Einwohner.
Bild: Getty Images/AFP/W. West
Symbole einer verheirateten Frau
Bindi (ein Zierpunkt auf der Stirn), Armreifen und Sindoor (Zinnoberpulver) sind Symbole, die von verheirateten Hindu-Frauen getragen werden. Es ist auch bekannt, dass sie eine gewisse physiologische Bedeutung haben. Sindoor etwa besteht aus Kurkuma-Kalk und Quecksilber und soll aufgrund seiner Eigenschaften den Blutdruck kontrollieren und den Sexualtrieb aktivieren.
Bild: Tumpa Mondal/picture-alliance/Photoshot
Indische Hochzeiten
Anders als im Westen entscheidet man sich in Indien nicht dafür, an irgendeinem beliebigen Tag zu heiraten. Die Familien wenden sich an Priester und Astrologen, um ein günstiges Datum zu wählen. Auch die Horoskope des Paares werden auf Kompatibilität geprüft. Eine hinduistische Hochzeit dauert viele Stunden. Das Ereignis umfasst mehrere Zeremonien, die vor der eigentlichen Hochzeit stattfinden.