Noch zwei letzte Filmprojekte, dann will sich der französische Regisseur Jean-Luc Godard zur Ruhe setzen. Das kündigte er jetzt auf einem Filmfestival an.
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Jean-Luc Godard: Der Kino-Revolutionär
Sein Markenzeichen: große Brillen, dicke Zigarren. Seine Filme: innovative Meisterwerke, die ihrer Zeit voraus waren. Nun ist Jean-Luc Goddard im Alter von 91 Jahren verstorben.
Zigarren waren aus dem Leben des weltberühmten Regisseurs nicht weg zu denken. Selbst bei Interviews, wie mit dem Kerala-Filmfestival in Indien, ist es nicht einfach, die Sätze des berühmten französischen Regisseurs zu verstehen. Aber dieser ging um die Welt: "Ich beende meine Karriere im Filmgeschäft mit zwei letzten Drehbüchern", so Jean-Luc Godard höchstpersönlich ein Jahr vor seinem Tod.
Bild: Christof Schuerpf/dpa/picture alliance
"Sympathy for the Devil" (1968)
Godard war immer Vordenker: innovativ, linksradikal, politisch. Er interessierte sich nicht für Konventionen, ignorierte Filmpreise und Ehrungen. Als Regisseur sprengte er die Grenzen der üblichen Kinoproduktionen, verzichtete sogar auf Drehbücher. Mit seiner damals völlig neuen Bildsprache wagte er sich 1968 in ein neues Genre: mit einem experimentellen Dokumentarfilm über die Rolling Stones.
Bild: picture-alliance/Everett Collection
"Außer Atem" (1960)
Sein wichtigster Film: "Außer Atem" mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in den Hauptrollen. Der Gangsterfilm machte Godard, der am 3. Dezember 1930 in Paris geboren wurde, mit einem Schlag berühmt. "Außer Atem" - schnell und unkonventionell - war bei der Premiere in Cannes eine Sensation. Und begründete Godards Ruhm als Leitfigur der Nouvelle Vague (Neue Welle) des französischen Kinos.
Bild: Kinowelt/Arthaus
Berliner Filmfestspiele (1961)
1961 reiste Godard als Star-Regisseur zu den Internationalen Filmfestspielen nach Berlin - mit seiner Frau Anna Karina. "Außer Atem" hatte in die Filmgeschichte "eingeschlagen, wie eine Faust", schrieb damals eine Filmzeitschrift. Die Ehe mit der aparten dänischen Schauspielerin, die in vielen seiner Filme mitgespielt hat, hielt allerdings nicht lang. 1964 wurden sie geschieden.
Bild: Keystone/Hulton Archive/Getty Images
"Die Verachtung" (1963)
Reflexion und Selbstkritik waren ständige Begleiter des französisch-schweizerischen Regisseurs, der seinen Lebensabend in der Schweiz verbrachte. Godard betrachtet die intellektuelle Auseinandersetzung mit der Gesellschaft als Teil seiner Arbeit. Mit Brigitte Bardot und Michel Piccoli drehte er "Die Verachtung", ein Film über das Filmemachen. In einer Nebenrolle: Regie-Altmeister Fritz Lang.
Bild: United Archives/picture alliance
"Die Außenseiterbande" (1964)
In vielen Kinofilmen von Jean-Luc Godard spielte Schauspielerin und Ehefrau Anna Karina die Hauptrolle. Sie war gleichzeitig Muse und Kontrapart für ihn. Und in den 1960er-Jahren seine bevorzugte Besetzung - auch weil sie einem modernen, emanzipierten Frauentyp entsprach. Im französischen Kino zur damaligen Zeit eher ungewohnt. Am Set verstanden sich die beiden allerdings besser als im Privaten.
Bild: United Archives/picture alliance
"Alphaville" (1965)
Mit einem visionären Science-Fiction-Film wagte sich Godard in seiner extrem innovativen Bildsprache weiter vor. "Alphaville" mit Eddie Constantine (r.) als Privatdetektiv Lemmy Caution drehte er in der futuristischen Welt der Beton- und Glasfassaden der Pariser Vororte. 1965 kam der Film ins Kino, in Deutschland mit dem Titel "Lemmy Caution gegen Alpha 60" - der Kampf Mensch gegen Computersystem.
Bild: akg-images/picture-alliance
"Made in USA" (1966)
Auch als sie längst geschieden waren und Jean-Luc Godard die Liaison mit einer anderen Frau öffentlich gemacht hatte, besetzte er Karina weiter in seinen Filmen. "Made in USA" spielt in Frankreich, aber die Stadt, die Paula (Anna Karina) besucht, trägt den Namen einer US-Metropole: Atlantic City. Gewidmet hatre Godard den Film dem von ihm verehrten US-Regisseur Samuel Fuller (1912 - 1997).
Bild: Everett Collection/picture alliance
"Godard trifft Truffaut" (2010)
Zwei Regie-Legenden: Jean-Luc Godard und Francois Truffaut (r.). Anfangs ziemlich beste Freunde, Kollegen und eigensinnige Weggenossen - bis zu den Studentenunruhen im Mai 1968. Über Truffauts Film "Die amerikanische Nacht" (1973) zerstritten sie sich vollständig. Der Bruch war radikal, wie die Film-Dokumentation "Godard trifft Truffaut" (neu auf DVD: Studiocanal/Arthouse) erzählt.
Bild: Studiocanal/Arthaus
"Rette sich wer kann" (1980)
Lange hatte sich Godard nach einem Verkehrsunfall 1971 nach Grenoble und dann in die Abgeschiedenheit eines Schweizer Dorfes zurückgezogen. 1980 kehrte er als Kino-Regisseur zurück. Mit freizügigen Einstellungen und einem Star wie Isabelle Huppert in der Hauptrolle landet er mit "Rette sich wer kann" einen Paukenschlag: "Mein zweiter erster Film", sagte er später darüber.
Bild: United Archives/picture alliance
"Nouvelle Vague" (1989)
Als intellektueller Revolutionär - zergrübelt und auf der Suche nach dem Geheimnis des Kinos - sicherte sich Jean Luc-Godard seinen Platz in der Filmgeschichte. In seinem Kinofilm "Nouvelle Vague" ließ er den Schauspieler Alain Delon die Rolle des Nach-Denkers spielen - in der authentischen Sprache der Wirklichkeit. Godard wollte die Welt lesbar und die Wörter sichtbar machen.
Bild: United Archives/picture alliance
Ehren-Oscar für sein Lebenswerk
Ohne die radikale Bildsprache und die innovative Schnitt-Technik von Godard wären auch Filmemacher wie Rainer Werner Fassbinder nicht denkbar. Viele haben ihn kopiert, als Lehrmeister des Sehens wahrgenommen. Aber Jean-Luc Godard war ein eigensinniger Grantler: Sogar den Ehren-Oscar nahm er 2010 nicht persönlich entgegen. Da erschien er nur auf dem Bildschirm - ohne Zigarre.
"Ich beende meine Karriere im Filmgeschäft, ja mein Filmemacher-Leben, mit zwei letzten Drehbüchern. Danach werde ich dem Kino Lebewohl sagen", ließ Jean-Luc Godard in einem aktuellen Interview wissen. Das ausführliche, fast anderthalbstündige Gespräch mit dem berühmten Filmemacher wurde anlässlich des Kerala-Filmfestivals in Indien per Videochat mit ihm geführt.
Sein neustes - und vielleicht letztes - Filmprojekt ist für den französisch-deutschen Fernsehsender Arte geplant. Worum es geht, wollte der 90-Jährige Regisseur nicht öffentlich verraten. Inzwischen arbeitet er mit Vorliebe am Küchentisch in seinem Schweizer Dorf am Genfer See, das ihm in den letzten Jahrzehnten Heimat geworden ist.
Film wie improvisierte Jazzmusik
54 Filme hat Godard in seiner fast 70 Jahre dauernden Karriere gemacht. "Außer Atem" mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg in den Hauptrollen brachte ihm den internationalen Durchbruch. "Ich habe Filme gemacht wie Jazzmusiker: Man gibt sich ein Thema vor, man spielt, improvisiert - und irgendwie organisiert sich alles", sagt Godard rückblickend über seine Anfänge.
1930 in Paris geboren und am Genfer See aufgewachsen, gehörte der junge Jean-Luc Godard in den 1960er-Jahren zu den Mitbegründern der Nouvelle Vague, der "Neuen Welle" im französischen Kino. Bis heute ist diese Stilrichtung mit Namen wie Eric Rohmer, Jacques Rivette, François Truffaut, Claude Chabrol und eben Jean-Luc Godard verbunden.
Sie alle arbeiteten anfangs als Filmkritiker für die wegweisende Pariser Zeitschrift "Cahiers du Cinéma", die damals ganz neue Maßstäbe für die Theorie und Praxis von Filmen setzte. Mit der konventionellen Erzählweise althergebrachter Kinofilme konnten die Kino-Revoluzzer nichts anfangen.
Lebensgefühl junger Leute
Truffaut, der Freund und intellektuelle Sparringspartner von Godard, machte den Aufschlag mit einem eigenen Film: "Sie küssten und sie schlugen ihn" feierte seine Premiere 1959 auf dem Internationalen Filmfestival in Cannes. Godards Kinofilm "Außer Atem", der sich an den schwarz-weißen Gangsterfilmen amerikanischer Hollywood-Regisseure orientierte, folgte im Jahr darauf.
Mit Handkameragedreht und in neuartig schneller Schnitttechnik montiert, machte auch dieser Film in Cannes Furore. In den Filmen spiegelte sich das Lebensgefühl einer neuen Generation von Regisseuren wider. Sie wollten die Realität junger Leute auf der Leinwand sehen: lebensnah, unkonventionell und authentisch.
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Filme mit revolutionärer Kraft
Viele abendfüllende Spielfilme, dazu zahlreiche Kurzfilme, experimentelle Dokumentarfilme, hochintellektuelle Essayfilme und Musikvideos hat Jean-Luc Godard im Laufe seines Filmschaffens produziert - einige auch als Drehbuchautor oder als Co-Regisseur seiner ehemaligen Mitstreiter der legendären "Nouvelle Vague".
Aber Jean-Luc Godard blieb der radikalste Vertreter dieser neuen Art. Populär wollte er nie sein. Er konzipierte radikal moderne und auch gewagt freizügige Filme: In "Die Verachtung" (1963) philosophierte beispielsweise der französische Filmstar Brigitte Bardot - in ihrer Rolle naiv und raffiniert zugleich - vor der Kamera, ob ihr Filmpartner ihren Po attraktiv findet. Damals war das ein Skandal.
Seine allerletzten Filmprojekte
"Bildbuch" hieß sein bislang letzter Film, mehr ein filmisches Experiment: ein stark assoziativer, farbverfremdeter Bilderfluss aus Unmengen historischer Filmsequenzen. "Le livre d'image" lief allerdings nie im Kino und wurde nur auf wenigen Festivals und bei Arte gezeigt.
In Cannes bekam der Altmeister der Nouvelle Vague dafür 2018 als Spezialpreis eine Goldene Palme. In der ersten kurzen Einstellung sind seine Hände zu sehen: An einem alten Schneidetisch - einem mit großen Spulen - fügen sie Filmschnipsel zusammen. Den Kommentartext spricht Godard selbst.
Die zwei Drehbücher, die der 90-jährige Regisseur derzeit als seine wohl letzten Filmprojekte in Arbeit hat, haben noch keinen Titel. Er arbeite intensiv daran, ließ er - mit der unvermeidlichen Zigarre im Mund - seine Gesprächspartner in Indien wissen.
Gefragt nach einem Kommentar zur aktuellen Corona-Pandemie hatte er eine sehr spezielle Lebensweisheit bereit: "Wir werden vielleicht nicht daran sterben, aber auch nicht besonders gut damit leben."