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Glaube

Der Mecklenburger Kapellenweg

27. März 2020

Sechs Kapellen, die lange verschwunden waren, laden heute zum Verweilen ein. Sie sind ein Zeignis dafür, wie Menschen in unsicheren Zeiten bei Gott Trost suchen.

Kirche  Domherrenhagen Deutschland
Bild: Reinhard Hentze

Ein Gebet für die Kranken

Herr Jesus Christus, Du hast uns zugesagt, alle Tage bei uns zu bleiben. In einer Zeit, wo viele Menschen unsicher und voller Angst sind, kommen wir zu Dir und bitten dich:

  • für die Menschen, die erkrankt sind und alle, die Not leiden;
  • für alle, die Angst haben und verunsichert sind;
  • für alle, die im Gesundheitswesen tätig sind und sich um die Kranken mit großem Einsatz sorgen

So beginnt ein Gebet, das derzeit an acht Andachtsplätzen in der Mecklenburger Schweiz ausgelegt ist: eine Bitte um Stärkung und Besonnenheit in der angespannten Situation, die mit dem Corona-Virus verbunden ist. Die meisten Einkehrorte waren bis vor kurzem nicht bekannt. Bis Eckart Hübener sie entdeckte.

Den pensionierten Pfarrer reizt es herauszufinden, was sich an Spuren vergangener Zeiten auf und unter der Oberfläche der gegenwärtigen Landschaft verbirgt. Und so entdeckte er fünf ehemalige Kapellenstandorte. Die Gemeindechronik, alte Karten, Abhandlungen über die größere und die Regionalgeschichte, auch allerhand bruchstückhaft unscharfe Überlieferung, sogar mecklenburgische Sagen, halfen ihm dabei.

„Mitten in Ihrem Acker ist ein heiliger Ort

Geschichte verändert die Landschaft. Gehörten die Kapellen früher zu Bauerndörfern, so liegen die Plätze, an denen sie einmal gestanden haben, heute zum Teil außerhalb bestehender Ortschaften.

Und so kam es schon mal vor, dass Eckart Hübener bei seiner Wiederentdeckung zu einem Bauern sagte: „Mitten in Ihrem Acker ist ein heiliger Ort.“

 

Geschichte, zumal wieder ans Licht gebrachte, belebt aber auch die Landschaft, sorgt dafür, dass sie mit anderen Augen gesehen wird: Das Leben vergangener Zeiten taucht aus der Vergessenheit auf.

Und mit ihr erfährt der bisherige Blick darauf manche Korrektur. In diesem Fall die Vorstellung, dass die Kapellen der vorreformatorischen Zeit von den Protestanten zerstört und nicht mehr genutzt wurden. Sie wurden weiter genutzt - ein Zeichen dafür, dass die Reformation in Mecklenburg eher sanft verlief. Erst Mitte des 18. Jahrhunderts gingen die Kapellen im Zuge einer Umwandlung der bisherigen bäuerlichen in eine großflächigere Gutsbewirtschaftung unter.

 

All das fand Eckart Hübner heraus. Zunächst wollte er seine Erkenntnisse nur dokumentieren, dann aber entschied er sich, die alten Einkehrorte in neuer Gestaltet wieder kenntlich und nutzbar zu machen. So entstand der „Mecklenburger Kapellenweg“. Unter Einbeziehung einer als Dorfkirche genutzten noch bestehenden Kapelle und einer Kirchenruine wurden acht Plätze im Freien gestaltet - ausgestattet mit je einer Bank, einem Baum, einer kleinen Feldsteinmauer als Umrandung und einem Kreuz.

Darauf ist jeweils eine ovale Bronzeplatte angebracht, die die Gessiner Künstlerin Kathrin Wetzel in Zusammenarbeit mit Pfarrer Hübener gestaltet hat. Zu sehen ist eine als Seelenfigur verstandene Frauengestalt, eines der „Ich bin“- Worte Jesu aus dem Johannesevangelium und eine dazu passende Frage. Etwa: Ich bin die Tür - Wem öffnest du neue Räume? oder: Ich bin das Brot des Lebens - Wie nährst du deine Seele?“

„Wie hütest du dein Leben?“

Eckart Hübener bemerkt, halb scherzhaft, dazu: „Da können die Leute sagen: Hab ich mich auch schon mal gefragt oder wie kommt man denn darauf?“ Es geht ihm darum, dass, wer immer an den alten Kapellenstandorten sich aufhält, nicht nur den Blick in die schöne Mecklenburger Schweiz genießt, sondern auch für seine Lebensführung und geistlich Anregung erfährt und Erfahrungen machen kann. Jedermanns-Kirchen sollen die Kapellen sein und zum Verweilen, Innehalten, Singen und Beten einladen. Denn für Eckart Hübener ist der 35 Kilometer lange Stationenweg nicht nur eine touristische Attraktion und ein Beitrag zur Wiederentdeckung von Regionalgeschichte, sondern auch und vor allem einspirituelles Pilgerprojekt.

Augenblicklich, da an jeder Station eine Kerze brennt, mögen es auch Orte sein, die etwas Ruhe und Trost in der angespannten Lage bieten. Das kann vielleicht am besten der Platz beim Dorf Langwitz. Auf dem dort aufgestellten Kreuz steht der Spruch: Ich bin der gute Hirte und zu der Frage: Wie hütest du das Leben? schaut die Seelenfigur auf einen kleinen Vogel auf ihrer Schulter, wie auf ein Sinnbild der Zerbrechlichkeit alles Lebendigen.

Und im Gebet, das an allen Stationen ausliegt, heißt es: Hilf uns, dass wir uns, trotz aller Isolation, nicht innerlich voreinander entfernen, dass wir achtsam sind für die Sorgen des Nächsten und aktiv mithelfen, wo wir Not erkennen.