1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Jedes zehnte Kind wächst im Krieg auf

Sabine Kinkartz, Berlin30. Juni 2015

Getötet, verstümmelt, entführt, versklavt, zur Flucht gezwungen: Schwere Gewalt gegen Kinder hat ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Das UN-Kinderhilfswerk Unicef fordert deutlich mehr Schutz ein.

UNICEF Jahresbericht zur Lage von Kindern in Konfliktgebieten
Bild: picture alliance/abaca

Das Recht auf Bildung, Betreuung und Schutz - für Kinder in Kriegsgebieten ist das oft nicht mehr als ein leeres Versprechen. Allein in den fünf derzeit besonders umkämpften Ländern Syrien, Irak, dem Südsudan, der Zentralafrikanischen Republik und in Jemen sind derzeit rund 21 Millionen Kinder von Krieg und Gewalt betroffen. Gruppen wie die Terrormilizen Islamischer Staat (IS) und Boko Haram missachten die Prinzipien des humanitären Völkerrechts bewusst, um dadurch maximale Aufmerksamkeit zu erregen.

"Kinder werden in ihren Betten und in der Schule bombardiert, sie werden entführt, getötet, sexuell missbraucht und als Kindersoldaten rekrutiert", schildert Ted Chaiban von Unicef International. Weltweit lebe jedes zehnte Kind in einem Land oder einer Region, die von bewaffneten Konflikten geprägt ist. Damit würden unvorstellbare 230 Millionen Kinder "zwischen den Fronten" aufwachsen. Diesen Titel trägt auch der Unicef-Report 2015, der in Berlin vorgestellt wurde. Mit der Dokumentation will das Kinderhilfswerk auf 270 Seiten darauf aufmerksam machen, wie Unsicherheit, Hass und Gewalt das Leben von Millionen Kindern zerstören.

300.000 Kinder sollen weltweit zum Töten missbraucht werdenBild: DW/A. Stahl

Weniger Spenden

Noch nie seit dem Zweiten Weltkrieg habe es so viele Flüchtlingskinder gegeben wie heute, heißt es. Und noch nie habe Unicef für die Nothilfe in Konfliktregionen um so viel Geld bitten müssen. In diesem Jahr werden es rund drei Milliarden US-Dollar sein. Geld, das zu zwei Dritteln von Staaten kommt und zu einem Drittel von privaten Spendern und immer schwerer einzusammeln ist. "Es ist ungleich einfacher, Spenden für Opfer von Naturkatastrophen zu bekommen als für die Kriegsflüchtlinge aus Syrien", berichtet Jürgen Heraeus, der Vorsitzende von Unicef Deutschland. "Die Menschen sagen, Naturkatastrophen können auch uns geschehen, da hat man Verständnis, während das andere kriegerische Konflikte sind, mit denen wir nicht viel zu tun haben."

"Das Welternährungsprogramm, aber auch Unicef haben die Essensrationen gekürzt und können mangels Finanzierung bei weitem nicht alle Kinder, Jugendlichen und Notleidenden versorgen", klagt Bundesentwicklungsminister Gerd Müller. In den vergangenen zwei Jahren seien in Flüchtlingslagern 70.000 Kinder auf Zeltplanen geboren worden, weiß Müller. Er habe das Elend in den Lagern selbst gesehen, sagt er und schildert seine Begegnung mit einer Mutter, die das siebte Kind im Arm hielt und neben ihrem kriegsversehrten 16-jährigen Sohn saß, der beide Beine verloren hatte.

Die Spendenbereitschaft für die Flüchtlinge und Vertriebenen nehme auch in Deutschland ab, kritisiert Müller. "Die Bilder ziehen an uns vorbei und wir stumpfen leider ein Stück ab." Die Weltgemeinschaft müsse aber reagieren und ihre Zusagen einhalten.

Unterricht und Psychotherapie

Das Entwicklungsministerium hat Unicef im vergangenen Jahr mit rund 150 Millionen Euro bei Projekten in Kriegs- und Krisengebieten unterstützt. Ein großer Teil davon wurde für die Betreuung von Kriegsflüchtlingen aus Syrien und Irak verwendet. "Allein im Libanon können 100.000 Kinder durch unsere Kooperation zur Schule gehen", berichtet Minister Müller. Die finanzielle Hilfe soll in diesem Jahr weiter aufgestockt werden, den genauen Betrag wollte er auf Nachfrage allerdings nicht nennen. Deutschland gehört zu den wichtigsten Geldgebern der Unicef-Schulprojekte für syrische Flüchtlingskinder.

Das Elend in den LagernBild: picture alliance/abaca

Der Unterricht sei wichtig, damit diese Kinder und Jugendlichen einen Blick auf die Welt bekämen, der von Hoffnung geprägt sei und nicht von Hass, betont Ted Chaiban. Das Kinderhilfswerk setzt sich daher auch dafür ein, dass Kinder psychosoziale Unterstützung bekommen. Dafür reichen einfache Kinderzentren, die Behandlung kann selbst in Zelten stattfinden. "Deutschland will hier in diesem Jahr einen Schwerpunkt setzen", sagt Minister Gerd Müller zu und kündigt weitere finanzielle Hilfen für die psychosoziale Unterstützung zu.

Jürgen Heraeus betont, dass die Chance zur Rückkehr zu Stabilität und einer friedlichen Entwicklung entscheidend davon abhänge, Heranwachsenden Orientierung und Arbeit zu geben. "Wenn es uns nicht gelingt, diese Generation einzufangen, dieser Generation Bildung und die Hoffnung auf eine Zukunft zu geben, dann werden sie abdriften."

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen