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PolitikJemen

Jemen: Huthi profitieren von Israels Vergeltungsschlägen

Cathrin Schaer | Safia Mahdi
25. Juli 2024

Die israelischen Vergeltungsangriffe im Jemen haben viel Schaden angerichtet. Innenpolitisch stärken sie jedoch die Huthi-Rebellen, die sich als Verteidiger palästinensischer Interessen profilieren möchten.

Eine Brandsäule steigt nach einem israelischen Vergeltungsschlag in der Stadt Hodeida auf
Blick auf die Hafenstadt Hodeida nach dem israelischen VergeltungsschlagBild: ANSARULLAH MEDIA CENTRE/AFP

Nachdem Israel am vergangenen Wochenende bei einem Vergeltungsangriff Einrichtungen der Huthi-Rebellen im Jemen attackiert hatte, meldeten sich umgehend jemenitische Organisationen und Bürger zu Wort.

"Was heute in Hodeida passiert ist, ist eine Katastrophe. Sie schadet nur der Zivilbevölkerung", schrieb der Journalist Basem Ganani in den sozialen Medien. Israelische Bomben hätten in der nördlichen Hafenstadt Kräne, Treibstoffdepots und ein Kraftwerk getroffen, berichtete er. 

Gananis Kollegin Nahla al-Qudsi sagte der DW, der Strom sei abgeschaltet worden, Kommunikationsnetze hätten nicht mehr funktioniert. "Das hat uns wirklich Angst gemacht. Als wären die Brände und Hitze nicht schon genug", so die Journalistin.

Mit dem Angriff übte das israelische Militär Vergeltung für einen Angriff der Huthi-Miliz vom vergangenen Freitag. Am frühen Morgen war es der den Nordwesten Jemens kontrollierenden Rebellengruppe erstmals gelungen, eine Kampfdrohne ins Zentrum von Tel Aviv zu steuern. Durch ihre Explosion wurde ein Mensch getötet, acht erlitten Verletzungen. Bei den folgenden Luftangriffen Israels am Samstag auf die Hafenstadt Hodeida wurden sechs Menschen getötet und bis zu 80 verletzt.

"Die israelischen Luftangriffe auf Hodeida haben erhebliche Schäden angerichtet und wichtige Infrastrukturen wie Treibstofflager und Kraftwerke getroffen", sagt Fatima Abo Alasrar, Jemen-Expertin des in Washington ansässigen Middle East Institute (MEI), im DW-Interview. "Das hat zu erheblichen Engpässen geführt. Die Menschen in Hodeida leben in Angst und Sorge, weil sie nicht wissen, was als nächstes passieren wird."

"Die Menschen rechnen mit Engpässen. Darum gibt es im ganzen Land stundenlange Wartezeiten an den Tankstellen", sagt Arwa Mokdad, eine unabhängige Jemenforscherin mit Sitz in Großbritannien. Hodeida sei der wichtigste Hafen im Jemen. Ist der Betrieb gestört, werde es noch schwieriger, Hilfsgüter ins Land zu bringen. Laut Huthi-Angaben läuft der Hafenbetrieb nun aber langsam wieder an.  

Die Huthi-Rebellen kämpfen seit über neun Jahren gegen die international anerkannte Regierung des Jemen. UN-Angaben zufolge ist über die Hälfte der jemenitischen Bevölkerung - schätzungsweise rund 21 Millionen Menschen - infolge des anhaltenden Bürgerkriegs auf humanitäre Hilfe angewiesen.

Gewinn an Popularität

Kritiker des Angriffs verweisen nicht nur auf dessen negativen Auswirkungen auf die Zivilbevölkerung, sondern auch auf den Umstand, dass er dem Kalkül der Huthi zuspiele. In diesem Zusammenhang verweisen sie auf die Attacken der Huthi auf die internationale Schifffahrt im Roten Meer. Damit will die mit dem Iran verbündete Rebellengruppe eigenen Angaben zufolge gegen die israelischen Militärangriffe im Gazastreifen protestieren.

"Nach dem Angriff haben die Huthi das Gefühl, dass ihre feindselige Haltung gegenüber Israel gerechtfertigt war", sagt Expertin Abo Alasrar. "Ihr Engagement dürfte vor allem ein strategischer Schachzug sein, um ihre Darstellung des Konflikts zu stärken und interne Unterstützung zu gewinnen. Darum, die Palästinenser ernsthaft zu unterstützen, dürfte es ihnen weniger gehen."

Umfragen zeigen regelmäßig, dass fast alle Jemeniten den Wunsch der Palästinenser nach Eigenstaatlichkeit und gleichen Rechten entschieden unterstützen. Doch nicht alle stimmen mit den Huthi überein.

Viele Menschen im Jemen seien unzufrieden mit der Art und Weise, wie die Huthi die Dinge regelten, so Abo Alasrar. Die Milizengruppe habe auch Rekrutierungen verstärkt und sogar versucht, Kinder in ihre Reihen zu holen. "Das ist zutiefst alarmierend und beängstigend für die lokale Bevölkerung."

Allerdings führt die Bombardierung der Huthi dazu, dass ihr Ansehen in der Bevölkerung dennoch steige, meinen die Experten. "Wenn sich die Menschen einer externen Bedrohung gegenübersehen, wenden sie sich ihren Landsleuten zu", sagt Arwa Mokdad. "Der Angriff hat die Popularität der Huthi in die Höhe getrieben. Er ermöglicht ihnen, sich politisch noch extremer zu zeigen."

Womöglich könnte Israel den Jemen nochmals bombardieren. "Das israelische Militär bereitet sich auf die Möglichkeit vor, dass es einen weiteren Angriff auf Ziele der Huthi starten muss", berichtete die israelische Zeitung Haaretz am Montag. 

Denkbar seien auch Attentate auf Huthi-Führer außerhalb des Jemens, sagt Farea al-Muslimi, Forschungsstipendiat bei der britischen Denkfabrik Chatham House.

Huthi-Milizen nahe der jemenitischen Hauptstadt SanaaBild: Mohammed Hamoud/Anadolu/picture alliance

Pattsituation im Jemen

Auch innenpolitisch könnte es zu destabilisierenden Auswirkungen kommen. Sollten sich die Huthi wieder auf näher an Israel liegende Ziele, etwa in Saudi-Arabien, Bahrain oder den Vereinigten Arabischen Emiraten, konzentrieren, könnte auch der ohnehin ins Stocken geratene Friedensprozess Schaden nehmen, sagt Al-Muslimi.

Je populärer sie würden, desto größere Forderungen würden die Huthi bei Verhandlungen stellen, sagt die Jemen-Expertin Mokdad aus London.

Der jüngste israelische Angriff auf den Jemen könnte aber auch eine Art Wendepunkt sein, ergänzt die in Washington ansässige Expertin Abo Alasrar. Denn er könnte den Bemühungen, den Huthi Finanzierung und Nachschub zu entziehen, mehr internationale Aufmerksamkeit verschaffen.

Der jemenitische Bürgerkrieg hat weite Teile des Landes zerstörtBild: Wael Qubady/AP/picture alliance

Dass weitere israelische Angriffe die Huthi zum Einlenken bewegen könnten, nimmt allerdings keiner der von der DW angesprochenen Experten an. 

Die Huthi haben erklärt, dass sie ihre Angriffe auf den Seeverkehr im Roten Meer und auf Israel erst einstellen würden, wenn der Konflikt im Gazastreifen aufhöre. Es gebe keinen Grund, ihnen nicht zu glauben, sagen Analysten. Timothy Lenderking, der US-Sondergesandte für den Jemen, brachte es im März im US-Politiksender C-Span so auf den Punkt: "Der erste Schritt, der uns helfen wird, eine Einigung im Jemen zu erreichen, ist ein Waffenstillstand im Gazastreifen".

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

Deutschland nach dem Militärschlag gegen die Huthis

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