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PolitikNahost

Jemen: Solarenergie als Gefahr für das Grundwasser

Cathrin Schaer
6. Mai 2021

Seit Beginn des Krieges haben die Jemeniten den Einsatz von Solarenergie in ihrem Land vervielfacht. Das erscheint erfreulich, birgt aber auch eine Gefahr: Die ständig arbeitenden Pumpen lassen das Grundwasser sinken.

Jemen Trinkwasser Krise
Der Jemen, eines der wasserärmsten Länder der WeltBild: Essa Ahmed/AFP/Getty Images

Seit knapp sieben Jahren befindet sich der Jemen in einem Bürgerkrieg. Positive Nachrichten sind aus dem Land seitdem nur wenige gekommen. Nun aber gibt es zumindest eine Neuigkeit: Die Jemeniten setzen immer stärker auf Solarenergie.

Der Einsatz der umweltschonenden Technik ist eine Folge des Krieges. In dessen Verlauf wurden die Elektrizitätswerke und die angeschlossenen Verteilungsnetze zu großen Teilen zerstört. Das setzte dem ohnehin unter Energieknappheit leidenden und durch den Krieg zusätzlich verarmten Land erheblich zu.

Um dem Mangel zu begegnen, setzten die Bürger zunächst auf Dieselgeneratoren. Doch durch wirtschaftliche Blockaden wurde die Treibstoffversorgung erschwert, in der Folge stiegen die Dieselpreise. Viele Menschen sahen sich geradezu gezwungen, auf Solarstrom umzusteigen.

Der Jemen: für Sonnenenergie bestens geeignet Bild: Mohammed Mohammed/Photoshot/picture alliance

Sprunghafter Anstieg der Solarenergie

Einer Studie des in Berlin ansässigen "Energy Access and Development Program" (EADP) zufolge ist die Solarenergie für viele Jemeniten innerhalb weniger Jahre zur bedeutendsten Energiequelle geworden. Insbesondere seit 2016 sei die Nutzung stark gestiegen: "Etwa drei Viertel der Stadtbevölkerung und die Hälfte der Landbevölkerung werden inzwischen mit Solarenergie versorgt", so die EADP-Forscher. Zu den Nutznießern gehören auch Gemeinden, die zuvor noch nicht ans Stromnetz angeschlossen waren.

Seitdem hat diese "Solarstrom-Revolution" sogar dazu beigetragen, Leben zu retten - indem sie etwa als verlässliche Energiequelle in Krankenhäusern diente. Auch im Bildungswesen wird sie inzwischen eingesetzt - mit positiven Folgen. So bauten junge jemenitische Frauen solargetriebene Mikronetze für ihre eigenen Gemeinden auf. Einer UN-Studie zufolge hat die Neuerung ebenfalls dazu beigetragen, die Zahl der Schulabbrecher zu senken, da nun ein störungsfreies Lernen einfacher möglich wurde. Außerdem haben Landwirte zur Bewässerung ihrer Felder umweltschädliche Dieselgeneratoren durch solarbetriebene Pumpen ersetzt.

Satelliten messen Grundwasserspiegel

Doch gerade der Einsatz der Solarenergie in der Landwirtschaft führt nun offenbar zu massiven Problemen. Eine kürzlich veröffentlichte Studie des britischen "Conflict and Environment Observatory" (CEOBS) kommt zu dem Schluss, dass sich die Energieversorgung im Jemen zwar verbessert habe, es aber sehr bald kaum noch ausreichend Wasser geben könnte. Dies, so die Vermutung, gehe direkt auf die Solarenergie zurück.

Bewässerungsbedürftig: der Boden im JemenBild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Im Jahr 2019 untersuchten die beiden CEOBS-Forscher Leonie Nimmo und Eoghan Darbyshire auf Grundlage von Satellitentechnik die Auswirkungen der Landwirtschaft auf den Grundwasserspiegel im Jemen. Die Satelliten messen Wasserbewegungen und die damit verbundene Kraft der Erdanziehung. Auf dieser Grundlage lässt sich der jeweils aktuelle Wasserspiegel berechnen.

Rasch erkannten die Forscher, dass sich das Grundwasser im westlichen Jemen auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Satellitenaufzeichnungen im Jahr 2002 befand. Verantwortlich dafür ist aus ihrer Sicht die zunehmende Verfügbarkeit von Sonnenenergie.

"Das Gegenteil dessen, was man erwarten würde"

Lange setzten die Jemeniten bei der Grundwasserförderung auf dieselbetriebene Pumpen. Doch im Laufe des Krieges verteuerte sich der Treibstoff so sehr, dass sich die Pumpen kaum mehr betreiben ließen. Das führte zu Ernteeinbußen und trug in deren Folge zur derzeitigen Hungersnot bei.

So setzten viele Jemeniten auf solarbetriebene Wasserpumpen. Diese arbeiten weitgehend störungsfrei, ihre Laufzeit hängt einzig vom Sonnenlicht ab, an dem es im Jemen selten mangelt. Zudem verursachen sie nach der Anschaffung fast keine Betriebskosten mehr. Allerdings tragen sie nach bisherigem Erkenntnisstand durch ihren pausenlosen Einsatz zum Abfall des Grundwasserspiegels bei.

"Das ist das Gegenteil dessen, was man erwarten würde", sagt Eoghan Darbyshire. Der Grund für die Verringerung des Grundwassers, so die Vermutung, liege in der seit 2019 wieder verstärkt betriebenen Landwirtschaft. Dies und der vermehrte Einsatz der Solarenergie führten dazu, dass immer mehr Pumpen immer länger liefen, so Darbyshire. "Alles deutet auf diese Ursachen hin." Um den Befund endgültig zu erhärten, brauche es allerdings weitere Untersuchungen.

Grundwasser, eine unverzichtbare RessourceBild: AFP/Getty Images

Klimawandel und Grundwasser

Die These vom Rückgang des Grundwassers aufgrund vermehrten Einsatzes der Pumpen sei plausibel, sagt auch Hans Hartung, Autor einer 2018 veröffentlichten einschlägigen Studie der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO).

Solarstrom, so Hartung im DW-Gespräch, sei früher oftmals zu teuer gewesen. Erst in den letzten vier oder fünf Jahren sei er in größerem Umfang verfügbar geworden. Zugleich habe aber auch der Klimawandel zu weniger Regen geführt. In der Folge seien immer mehr Menschen gezwungen, Grundwasser aus der Erde zu pumpen.

Zuletzt hat Hartung die Nutzung der Wasserressourcen in Tunesien untersucht. Dort sind die Behörden angesichts der steigenden Zahl illegaler Brunnen sowie zunehmender solarbetriebener Bewässerung alarmiert. Sie fürchten, die Wassernutzung absehbar nicht mehr regulieren zu können. Der Anschluss der Pumpen an das reguläre Stromnetz ermögliche es etwa, die Stromversorgung einzuschränken, um so eine übermäßige Bewässerung zu vermeiden. Doch durch den Einsatz von Solarstrom verlören die Behörden diese Kontrollmöglichkeit.

Aus diesem Grund komme es auf eine verantwortungsbewusste Nutzung der neuen Energie an. "Es ist wichtig, Solarstrom dort zu installieren, wo er sinnvoll ist", so Hartung.

Durch Krieg und Klimawandel unter Druck: das traditionelle Bewässerungssystem Bild: Saleh Al-Obeidi/AFP/Getty Images

Verantwortlicher Umgang gefragt

Solarenergie an sich sei nicht das eigentliche Problem, sagt auch der Hydrogeologe Neno Kukuric, Direktor des niederländischen "International Groundwater Resources Assessment Center". Vielmehr komme es auf deren sachgerechte Nutzung an, so Kukuric im DW-Gespräch. Entscheidend sei, klare Vorschriften zu erlassen und die Nutzung des Grundwassers effektiv zu überwachen. "Ohne ein ordentliches Netzwerk zur Überwachung des Grundwassers ist eine Kontrolle nicht möglich."

Grundsätzlich sei der Einsatz von Solarenergie auch für die Wasserförderung im Jemen richtig, urteilen alle von der DW befragten Experten. Es komme allerdings sehr stark darauf an, dies auf verantwortliche Weise zu tun.

 

Adaptiert aus dem Englischen von Kersten Knipp.


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