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PolitikJemen

Jemen: Warum die Huthi UN-Mitarbeiter entführen

Cathrin Schaer
2. September 2025

Elf UN-Mitarbeiter entführt, Büros gestürmt, Datenträger geraubt: Die Huthi-Miliz nutzt Angestellte internationaler Organisationen als politische Geiseln.

Huthi-Kämpfer: Vier Männer, die zwei linken mit Turban, stehen hinter der Fahrerkabine eines Pickups, der rechte Mann hält eine Kalaschnikow-Gewehr in der rechten Hand, der Gewehrlauf zeigt in die Luft
Herren über den halben Jemen: die Huthi-MilizenBild: Yahya Arhab/EPA

Am Sonntag drang eine Gruppe von Huthi-Milizen in die Büros der Vereinten Nationen in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa ein und entführte mindestens elf Mitarbeiter der Organisation. Außerdem raubten sie Eigentum der UN, darunter mehrere Datenträger. Die Milizen durchsuchten zudem die Büros des Welternährungsprogramms, der Weltgesundheitsorganisation und von UNICEF, dem Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen. Mehreren Quellen zufolge befanden sich unter den Entführten sieben Mitarbeiter des Welternährungsprogramms und drei UNICEF-Mitarbeiter.

"Ich verurteile die neue Welle willkürlicher Inhaftierungen von UN-Mitarbeitern heute in Sanaa und al-Hudaida aufs Schärfste", sagte Hans Grundberg, der UN-Gesandte für den Jemen in einer Erklärung. Die UN tue alles in ihrer Macht Stehende, um ihre Mitarbeiter zu befreien. Die Huthi sollten diese "sofort und bedingungslos" freilassen.

Der Überfall auf die UN-Organisationen folgte, nachdem Israel am vergangenen Donnerstag eine Kabinettssitzung der De-facto-Regierung der Huthi in Sanaa bombardiert hatte. Zuvor hatten die Huthi bereits Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Begonnen hat der Schlagabtausch zwischen beiden Seiten im Oktober 2023. Die Huthi griffen Israel seitdem wiederholt mit Drohnen und Raketen an, Israel flog Luftangriffe auf Stellungen der Huthi im Jemen.

Bei dem israelischen Angriff am 28. August wurden der Premierminister der Huthi-Regierung, Ahmed Ghalib al-Rahaui, und mehrere weitere Minister getötet. Zwar galt al-Rahaui als Technokrat, dessen Tod keine größeren Auswirkungen auf die militärische Struktur der Huthi haben dürfte. Dennoch dürfte er als "schwerer Rückschlag" betrachtet werden, sagte Ahmed Nagi, ein leitender Jemen-Analyst der Brüsseler Denkfabrik Crisis Group International, diese Woche der britischen Zeitung "The Guardian".

Sorge vor israelischer Spionage

Die islamistischen Huthi sind seit Jahrzehnten in Spannungen innerhalb des Jemen verwickelt, zunächst im Rahmen eines Aufstands gegen die jemenitische Diktatur Anfang der 2000er Jahre, dann ab 2014 in einem Bürgerkrieg. Dieser brach aus, nachdem die Huthi die Hauptstadt erobert hatten.

Derzeit hat sich der Bürgerkrieg etwas beruhigt. Die Huthi kontrollieren den Norden des Landes, darunter die Hauptstadt Sanaa und den Großteil der Bevölkerung. Ihre in Aden an der Südküste stationierten Gegner hingegen haben den Süden des Landes in ihrer Hand. Der Bürgerkrieg hat zudem eine humanitäre Krise im Jemen ausgelöst. Den UN zufolge sind rund 21 Millionen Menschen regelmäßig auf Hilfe angewiesen.

In den vergangenen Tagen kündigten die militärischen Führer der Huthi Rache für den israelischen Angriff an und verschärften die Sicherheitsvorkehrungen. In einer im Fernsehen übertragenen Ansprache nach der Bestätigung der Todesfälle warnte Huthi-Anführer Abdul Malik al-Huthi die Einheimischen außerdem, dass jeder, der der Spionage für Israel verdächtigt sei, bestraft werde.

Getötet durch einen israelischen Angriff: Der Premierminister der Huthi, Ahmed al-RahauiBild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

UN-Mitarbeiter als "Standardziel"

"Die Huthi werden massive interne Sicherheitsmaßnahmen einleiten", prognostizierte Mohammed al-Basha, Leiter der US-amerikanischen Risikoberatung Basha Report, am Sonntag in seinem Newsletter. "Die Maßnahmen werden sich gegen Mitarbeiter von internationalen Nichtregierungsorganisationen und ausländische Botschaften in Sanaa sowie auf Banken, Geldtransferunternehmen und Wechselstuben erstrecken."

Jeder, der mit internationalen Organisationen in Verbindung steht, riskiere, ins Visier genommen zu werden, sagte al-Basha der "New York Times".

Der Entführung der UN-Mitarbeiter gingen mehrere Monate interner Maßnahmen innerhalb der Huthi-Miliz voraus, schrieb der jemenitische Journalist Adnan al-Jabarni auf der Social-Media-Plattform X. In letzter Zeit falle die Gruppe durch ihre "Besessenheit" gegenüber Personen auf, die sie als Verräter, Agenten, Heuchler und Söldner bezeichnet. Seit Jahresbeginn seien im Zuge von Razzien bereits zahlreiche Zivilisten festgenommen worden, so al-Jabarni.

Die gezielte Bekämpfung von UN-Mitarbeitern scheine für die Huthi-Rebellen bei Sicherheitsvorfällen fast schon zur Standardreaktion geworden zu sein, schrieb al-Basha.

Verbrechen gegen Zivilisten

Die Huthi halten seit mehreren Jahren Menschen fest, die mit Hilfsorganisationen oder zivilgesellschaftlichen Gruppen oder mit der ehemaligen US-Botschaft in Sanaa in Verbindung stehen. Bereits Mitte 2024 waren die Huthi gegen Hilfsorganisationen und deren Mitarbeiter vorgegangen. "Die Huthi haben das Gefühl, ihre Macht weiter festigen zu müssen", kommentiert Thomas Juneau, Nahostexperte an der Universität Ottawa in Kanada, diese Praxis gegenüber der DW. 

Die Huthi selbst behaupteten, zu den von ihnen vorgenommenen Festnahmen gehörten auch Mitglieder eines "amerikanisch-israelischen Spionagerings". Dieser operiere unter dem Deckmantel humanitärer Organisationen.

"Die Huthi haben in Sanaa zahlreiche Menschen inhaftiert, darunter auch eigene Gefolgsleute. Sie seien derart paranoid, dass sie annähmen, auch ihre eigenen Reihen seien infiltriert worden", sagt Hisham al-Omeisy, leitender Jemen-Berater des Europäischen Friedensinstituts. Die Huthis seien "voller Panik."

Im Januar dieses Jahres wurden weitere acht UN-Mitarbeiter entführt. Dies geschah kurz nachdem die Huthis 25 Besatzungsmitglieder des 14 Monate zuvor gekaperten Frachtschiffes "Galaxy Leader" freigelassen hatten. Sie waren im November 2023 im Roten Meer als Geiseln genommen worden.

"Die Huthi haben die UN-Mitarbeiter entführt, weil sie für die Verhandlung eines Abkommens besonders wertvoll sind", sagte Abdulghani al-Iryani, leitender Forscher am Sanaa Center for Strategic Studies, damals gegenüber der DW.

Trauerfeier für getötete Huthi-Offizielle in der Shaab-Moschee in SanaaBild: Osamah Abdulrahman/AP Photo/picture alliance

Tausende Fälle von "Verschwindenlassen"

Zwei jemenitische Menschenrechtsorganisationen, die US-amerikanische "Association Maonah for Human Rights and Immigration" und das Jemenitische Netzwerk für Rechte und Freiheiten, wiesen zuletzt in einer Erklärung darauf hin, dass 34 UN-Mitarbeiter noch immer von den Huthi festgehalten würden. 23 von ihnen seien bereits seit mehreren Jahren inhaftiert, so die Organisationen. Einer der Entführten sei im Gefängnis gestorben.

In einem aktuellen Bericht erklärt das Jemenitische Netzwerk für Rechte und Freiheiten, es habe zwischen Januar 2018 und April 2025 insgesamt 2.678 Fälle von Verschwindenlassen von Zivilisten in von den Huthi kontrollierten Gebieten dokumentiert. Darunter sind Politiker, Medienschaffende, zivilgesellschaftliche Aktivisten, Anwälte und Wissenschaftler.

"Neben der Inhaftierung Hunderter Aktivisten und politischer Gegner stellt dies einen eklatanten Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht dar", heißt es in einer gemeinsamen Erklärung des Netzwerks und der Association Maonah.

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp.

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