Jemen: Waffenruhe könnte Gewalt im Roten Meer beenden
Veröffentlicht 6. Mai 2025Zuletzt aktualisiert 7. Mai 2025
Am späten Dienstag (06.05.2025) trat der Außenminister des Oman, Badr al-Busaidi, mit einer überraschenden Erklärung an die Öffentlichkeit. Die jüngsten Gespräche zur Deeskalation hätten zu einer Waffenruhe-Vereinbarung zwischen beiden Seiten geführt, teilte Albusaidi auf X mit. Gemeint mit den beiden Seiten waren die USA und die vom Iran unterstützte Huthi-Miliz. Die USA und andere Länder stufen diese als Terrororganisation ein.
"Keine der beiden Seiten wird die andere Seite angreifen. So gewährleisten beide Seiten die Freiheit der Schifffahrt im Dienst des internationalen Handelsverkehrs im Roten Meer", so al-Busaidi weiter.
Die Ankündigung erfolgte nur wenige Stunden nach der Zerstörung des internationalen Flughafens von Sanaa durch israelische Kampfflugzeuge und einen Tag nach dem Angriff Israels auf Dutzende von Zielen entlang der jemenitischen Küste, insbesondere auf Einrichtungen im Hafen von Hudeida, wie das israelische Militär auf X mitteilte. Beides waren Vergeltungsschläge für einen vorhergehenden Raketenangriff der Huthi auf den Flughafen von Tel Aviv.
Hingegen erklärte US-Präsident Donald Trump nun, die Huthi hätten "kapituliert" und "mitgeteilt, dass sie nicht mehr kämpfen wollen". Die Vereinigten Staaten würden "ihrem Wort glauben". Eine mögliche Verbindung zu den Angriffen Israels erwähnten dabei aber weder er noch der Außenminister des Oman.
Von "Kapitulation" war seitens der Huthi allerdings keine Rede. Die mit den USA vereinbarte Waffenruhe gilt ihnen zufolge auch nicht für Angriffe auf Israel. "Das Abkommen umfasst in keiner Weise Einsätze gegen Israel", sagte der Chefunterhändler der mit dem Iran verbündeten Miliz, Mohammed Abdulsalam, der Nachrichtenagentur Reuters. Er betonte zudem, dass es keine direkten Gespräche mit den USA gegeben habe. Das Abkommen habe Oman vermittelt.
Enorme geografische Distanz
So könnte die bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Israel und den Huthi also weitergehen - bereits am Mittwoch wurde laut Reuters ein weiterer Raketenangriff der Huthi auf Israel gemeldet, der allerdings wohl fehlschlug. Der Konflikt stellt das mehrfach angegriffene Israel allerdings aufgrund der enormen Distanz zum Jemen vor erhebliche militärische Herausforderungen. Israel und der Jemen sind rund 2000 Kilometer voneinander entfernt.
Die israelischen Angriffe schon der vergangenen Monate seien zwar in gewisser Hinsicht durchaus erfolgreich gewesen, meint Constantin Grund, Leiter des Büros der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in der jemenitischen Hafenstadt Aden, die außerhalb des Herrschaftsgebiets der Huthi liegt.
Grund verweist unter anderem auf vorhergehende Angriffe auf den Hafen von Hudeida, bei denen tausende Tonnen Erdöl vernichtet wurden. "Das sind enorme Schäden, die die Huthi kompensieren müssen. Das gilt auch für die anderen getroffenen Ziele, darunter viele militärische."
Dennoch bleibt die geografische Entfernung eine Herausforderung. Während israelische Kampfflugzeuge im Konflikt mit der libanesischen Hisbollah-Miliz nur ein paar Minuten zu ihren jeweiligen Zielen brauchen, sind sie Richtung Jemen über Stunden unterwegs. Das mache die Planung der Einsätze ausgesprochen anspruchsvoll, schreibt der Sicherheitsexperte Ari Heistein vom israelischen Counter Extremism Project in einer gemeinsamen Analyse mit Autor Amos Yadlin in der Zeitung Times of Israel.
Angriffsfähigkeit kaum beeinträchtigt
Die Angriffe der Israelis zielten bislang vor allem darauf, den Waffen- und Treibstoffschmuggel aus dem Iran zu den Huthi zu unterbinden. "Sie hatten jedoch kaum Auswirkungen auf die Fähigkeit der Gruppe, Angriffe zu starten", schreibt der Militäranalyst Fabian Hinz vom Londoner International Institute for Strategic Studies (IISS) in einer Studie vom Dezember 2024. So sei die Gesamtzahl der versuchten Angriffe auf Schiffe in der Zeit nach einem konzertierten israelischen Angriff im Juli 2024 zunächst zwar leicht gesunken, dann aber wieder gestiegen.
Ähnliches gelte für die Militärschläge der USA, so Hinz. So flogen die USA und Großbritannien in ihrer gemeinsamen Operation "Poseidon Archer" im Januar 2024 rund 226 Angriffe auf den westlichen Teil des Landes. Zwar seien zahlreiche Ziele getroffen worden, sodass die Zahl der von den Huthi unternommenen Angriffe zunächst geringfügig gesunken sei. Danach sei sie aber auch hier wieder angestiegen. "Die Mission war in dieser Hinsicht nur bedingt erfolgreich", konstatiert Militärexperte Hinz.
Verborgen im Bergland
Hinzu komme ein weiterer Punkt, so Hinz: Die Huthi verfügten inzwischen über Raketen mit äußerst leistungsstarken Antrieben. Sie können darum tief aus dem Landesinneren abgefeuert werden. "Das ermöglicht es den Huthi, das bergige Gelände des Landes zu nutzen, um ihre Operationen vor der feindlichen Überwachung zu verbergen."
Bei ihren Operationen haben die Israelis - wie bisher auch die USA - mit einem weiteren Problem zu tun: Die Operationen der Huthis sind schwer zu überwachen, denn die Kommunikations-Infrastruktur des Jemen ist äußerst rudimentär.
Genau diesen Umstand mache die Huthi-Miliz sich zunutze, heißt es in einer Analyse des Sanaa Center for Strategic Studies. Die Miliz verzichte weitgehend auf digitale Kommunikation. Das mache die Überwachung ihrer internen Kommunikation für militärische Gegner schwierig.
Die Huthi seien sich der militärischen Schwierigkeiten Israels bewusst, zitiert das Sanaa Center den israelischen Politologen Nachum Shiloh von der Universität Tel Aviv. Ihnen sei klar, "dass die verarmte Bevölkerung und die unterentwickelte Wirtschaft des Jemen für Israel kaum wertvolle militärische Ziele darstellen".
Abschreckendes Beispiel Afghanistan
So, wie er bisher geführt wurde - nämlich über Luftschläge - wäre der Konflikt zwischen israel und den Huthi schwer zu beenden. Daher stellt sich die Frage, ob Israel zu diesem Zweck auch eine Bodenoffensive in den Jemen unternehmen könnte. Dies scheint jedoch angesichts der eher ernüchternden Erfahrungen Saudi-Arabiens und seiner Partner beim militärischen Kampf gegen die Huthis in den Jahren 2015 bis 2023 kaum eine naheliegende Option sein.
Die von den Saudis geführte Koalition habe es seinerzeit "nicht vermocht, die defensiven Stellungen der Huthis im jemenitischen Bergland in signifikanter Weise zu durchbrechen", konstatiert Jemen-Experte Constantin Grund von der FES.
Eine Bodenoffensive wäre ein "Himmelfahrtskommando", das ähnlich enden könnte wie die Engagements der internationalen Gemeinschaft in Afghanistan, meint Grund. "So ein Szenario will man natürlich in Washington, Berlin, Brüssel und anderen westlichen Hauptstädten vermeiden", meint der Experte. "Auch darum halte ich eine israelische Bodenoffensive für ausgeschlossen."
Dieser Artikel ist ursprünglich am 06.05.2025 veröffentlicht worden und wurde am 07.05.2025 aufgrund des neu hinzugekommenen Abkommens zwischen den USA und der Huthi-Miliz und der Reaktionen darauf umfassend aktualisiert. Mitarbeit: Jennifer Holleis.