1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
KonflikteJemen

Jemens Huthis machen Rotes Meer zur Nahost-Frontlinie

21. November 2023

Die Entführung des Frachters "Galaxy Leader" im Roten Meer ist die jüngste Eskalation im Nahostkrieg. Die jemenitische Huthi-Miliz will damit die Terrorgruppe Hamas gegen Israel unterstützen.

Das Frachtschiff "Galaxy Leader" mit blauem Rumpf und weißem Aufbau von vorne, es fährt auf See auf den Betrachter zu
Entführt: Das Frachtschiff "Galaxy Leader" (Archivbild)Bild: Owen Foley/REUTERS

Die Huthi-Rebellen im Jemen haben ihre Angriffe gegen Israel ausgeweitet. Ein Sprecher der Miliz sagte, sie hätten am Sonntag das Frachtschiff "Galaxy Leader" mit rund 25 Besatzungsmitgliedern im südlichen Roten Meer gekapert.

Mittlerweile hat das Sicherheitsunternehmen Ambrey bestätigt, dass der Eigentümer des Autofrachters als Ray Car Carriers geführt wird, und dessen Muttergesellschaft gehört Abraham "Rami" Ungar, einem israelischen Geschäftsmann. Offenbar befinden sich jedoch keine Israelis an Bord, die 25-köpfige Besatzung besteht demnach aus Ukrainern, Bulgaren, Philippinern und Mexikanern. Das Schiff fährt unter japanischer Flagge.

Internationale Verwicklungen

Japans Außenministerin Yoko Kamikawa erklärte, Tokio stehe in Kontakt mit Israel und versuche zu vermitteln. "Wir wenden uns nicht nur direkt an die Huthis, sondern drängen auch Saudi-Arabien, Oman, Iran und andere betroffene Länder, die Huthis nachdrücklich zur baldigen Freilassung des Schiffes und der Besatzungsmitglieder aufzufordern."

Israels Premierminister Benjamin Netanjahu erklärte, der Frachter sei "mit iranischer Unterstützung von der jemenitischen Huthi-Miliz gekapert worden". Der Iran unterstützt die militante schiitische Gruppierung im Jemen.

Der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Nasser Kanani, dementierte nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP die israelischen Anschuldigungen als "unzutreffend". Er betonte: "Wir haben wiederholt erklärt, dass die Widerstandsgruppen in der Region ihre Länder vertreten und Entscheidungen und Handlungen auf der Grundlage der Interessen ihrer Länder treffen."

Eskalation nicht überraschend

Fachleute hatten seit Wochen erwartet, dass die jemenitische Huthi-Miliz Schiffe angreifen werde, die mit Israel oder seinen Verbündeten assoziiert sind. Seit Beginn des jüngsten Kriegs im Gazastreifen, der durch die Anschläge der palästinensischen Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden war, wurden mehrere Luftangriffe der Huthis auf Israel abgefangen, bevor sie Eilat erreichen konnten, die südlichste Stadt Israels.

Es habe Befürchtungen gegeben, dass die Huthis zivile Schiffe angreifen und versenken könnten, bestätigt Fabian Hinz, Spezialist für Verteidigungs- und Militäranalysen am Internationalen Institut für Strategische Studien in London. "Aber sie haben sich entschieden, auf einer niedrigeren Ebene zu eskalieren", so der Experte gegenüber der DW. "Das ähnelt Aktionen des Iran im Persischen Golf, bei denen auch immer wieder Schiffe angegriffen wurden, die irgendwie mit Israel verbunden waren." Diese Schiffe und deren Besatzungen seien dann "als politisches Druckmittel in verschiedenen politischen Konflikten eingesetzt" worden.

Iran bleibt im Hintergrund

Die Rolle des Irans bei der Entführung der "Galaxy Leader" sei nicht sehr umfassend gewesen, vermutet Fabian. Die Iraner hätten in der Region das Frachtschiff "Behshad", das sie als Einsatzplattform und vermutlich auch für Spionagezwecke nutzten - und es sei "durchaus möglich, dass sie ein wenig mit nachrichtendienstlichen Informationen geholfen haben".

Machtdemonstration: Militärparade der Huthi in Jemens Hauptstadt Sanaa (September 2023)Bild: Mohammed Huwais/AFP/Getty Images

Insgesamt hält Hinz die Entführung für ein Werk der jemenitischen Rebellen. Mittlerweile gebe es Meldungen, wonach die Huthis einen ihrer wenigen Helikopter zur Erstürmung des Schiffes eingesetzt haben. Die Huthis unterhielten zudem "eine kleine Marinetruppe, die auf asymmetrische Fähigkeiten spezialisiert ist. Das bedeutet keine großen Kriegsschiffe, sondern Schnellboote oder das Platzieren von Minen auf Schiffen oder das Senden von Raketen."

Der Jemen kann sich jedoch keine neue Front am Roten Meer leisten. Das Land befindet sich seit neun Jahren im Krieg. 2014 stürzten die Huthi-Rebellen die jemenitische Regierung und übernahmen die Kontrolle über die Hauptstadt Sanaa. 2015 begann die internationale Militärintervention, als Saudi-Arabien mit Luftangriffen gegen die Huthis vorging, später schlossen sich andere Staaten an.

Das Land hat inzwischen eine zersplitterte politische Landschaft und eine desolate Infrastruktur. Der Konflikt, der weithin als Stellvertreterkrieg zwischen Saudi-Arabien und dem Iran angesehen wird, hat nach Angaben der Vereinten Nationen zu einer der schlimmsten humanitären Krisen der Welt geführt.

Neun Jahre Krieg: Die Menschen im Jemen erdulden eine der schlimmsten humanitären Krisen, so die UNBild: Xinhua/picture alliance

"Die Huthis wollen die jemenitische Öffentlichkeit auf die palästinensische Befreiungssache einschwören", so Matthew Hedges, Jemen- und Nahostexperte in London, im DW-Gespräch. Die Miliz versuche, "Unsicherheit und Instabilität zu schüren" und damit ein "Signal an die gesamte Region" zu senden: Wir grenzen uns ab von jenen arabischen Regierungen, die ihre Beziehungen zu Israel normalisiert haben oder dies anstreben - etwa die Vereinigten Arabischen Emirate, Bahrain oder Saudi-Arabien.

Chaos in der Region soll Hamas nützen

Die Vereinigten Arabischen Emirate und Bahrain normalisierten ihre Beziehungen zu Israel im Jahr 2020 im Rahmen des von den Vereinigten Staaten vermittelten Abraham-Abkommens. Auch Israel und Saudi-Arabien schienen auf einem ähnlichen Kurs zu sein, doch die Gespräche sind ins Stocken geraten - eine Folge des jüngsten Israel-Hamas-Kriegs.

"Die Huthis üben Druck auf andere Gruppierungen in der Region aus, damit sie sich dem panislamischen Narrativ anschließen", so Hedges. Das besage, dass Israels Angriffe allen Muslimen gelten, daher müssten alle Muslime Israel angreifen.

Diese Ansicht vertritt auch Farea Al-Muslimi, Experte für den Nahen Osten und Nordafrika bei Chatham House, einer in London ansässigen Denkfabrik. "Das Rote Meer ist die jüngste, aber eindeutig die wichtigste Frontlinie der Widerstandsachse im Nahen Osten", sagte er der DW. Wahrscheinlich werde es in den nächsten Wochen weitere Angriffe der Miliz geben - auch auf nicht-israelische Schiffe. Al-Muslimi warnt: "Niemand sollte die Rücksichtslosigkeit der Huthis unterschätzen."

Jennifer Holleis Redakteurin und Analystin mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika.
Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen