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Jimi Hendrix wäre 80 geworden

27. November 2022

Er war eine Ikone der Flower-Power-Zeit und gilt bis heute als der beste Gitarrist der Welt. Jimi Hendrix hat in seiner nur vierjährigen Karriere Grenzen gesprengt und Musikgeschichte geschrieben.

Jimi Hendrix Sänger Musiker Gitarrist USA
Bild: IMAGO

In seiner Kindheit hatte es Jimi nicht leicht. Seine Mutter ist erst 17, als er am 27. November 1942 zur Welt kommt. Der Vater ist beim Militär. Der Junge wächst bei Verwandten auf, sein Leben ist von Armut bestimmt. Als Jugendlicher fliegt er von der Schule und gerät auf die schiefe Bahn. Er wird beim Autodiebstahl erwischt. Seine Strafe: Entweder Haft auf Bewährung oder Army. Er entscheidet sich fürs Militär.
Nach kurzer Zeit wird er aus dem Militärdienst wieder entlassen, angeblich, weil er sich bei einem Fallschirmsprung den Fuß gebrochen hat. In Wirklichkeit hat er seinem Militärarzt erzählt, dass er Männer möge und sich in einen Kameraden verliebt habe. Später nimmt ihm niemand mehr sein vermeintliches Schwulsein ab - in zu viele Frauengeschichten ist Jimi Hendrix verwickelt. Angeblich hatte er auch einen One-Night-Stand mit Brigitte Bardot. 

Legenden

Legenden ranken sich auch um Jimis erstes Instrument. Es soll eine Ukulele gewesen sein, mit nur einer Saite. Oder: Als kleiner Junge habe er immer Luftgitarre gespielt oder wilde Gitarrensoli auf einem Besen simuliert. Was sicher ist: Die Gitarre ist Jimis Instrument, das er schon früh beherrscht.

Jimis Geburtsname war John Allen HendrixBild: IMAGO

Nach der Entlassung aus der Armee zieht er durch die Gegend, spielt Gitarre, mal in Bands, mal alleine und lebt von der Hand in den Mund. Später lernt er den Musiker Little Richard kennen und tourt mit ihm und den Isley Brothers quer durch die Staaten - es bringt Geld, aber keine musikalische Erfüllung. Man unterhält das Publikum mit Top-40-Standards, lernt viel dazu, aber eigentlich ist es für Jimi eher frustrierend. 

Eine neue Form des Gitarrenspiels

1965 kommt sein erster Plattenvertrag und damit sind Auftritte in New Yorker Clubs garantiert. Jimi nennt sich damals noch Jimmy James und hat eine eigene Band. Dann entdeckt er die halluzinogene Droge LSD für sich und wie toll er mit Gitarre und Elektronik experimentieren kann, wenn er sie genommen hat. Er baut Verstärker hintereinander, um neue Rückkoppelungseffekte zu erzielen, er schafft es, eine Gitarrensaite allein durch eine leichte Berührung, eher einen Impuls, zum Klingen zu bringen. Er entwickelt neue Fingertechniken - als Linkshänder hat er ganz andere Möglichkeiten. Er schafft es, so zu klingen, als spielten zwei Gitarristen. Jimi nennt seine musikalischen Erfindungen "Electric Church". 

Jimi hatte von Anfang an einen eigenen KopfBild: IMAGO

Laut Hendrix-Biograf Klaus Theweleit war Jimi Hendrix' Musik eine neue Sorte Ausbruchspower, die bis dahin in der Ausbruchskultur der Jugendlichen nicht vorhanden gewesen sei. "Da steckt vieles drin, was die Generation bewegt hat, die neuen Wohnformen der 60er, die Rassenunruhen in den USA, die New Yorker Undergroundkultur, die Drogen, der neue aufkommende Feminismus - Jimi Hendrix ist musikalisch und was seine Lebensweise angeht, sozusagen on Top dieser ganzen Bewegung," so Theweleit im DW-Gespräch.

Karrierestart mit bewusstseinsverändernder Musik

The Jimi Hendrix ExperienceBild: IMAGO

Es ist 1966. Chas Chandler, Bassist der Animals, hört diesen wilden und innovativen Sound in einem Club, findet, dass die Amerikaner noch nicht reif für diesen Sound sind und verfrachtet Jimi kurzerhand nach London, damit er sein Talent besser entfalten kann. Dort hören ihn Leute wie Eric Clapton. Selbst der kann kaum verstehen, was dieser junge Amerikaner da aus seiner Gitarre herausholt. "Von dem kann man noch was lernen", soll Clapton gesagt haben.

Im September entsteht die Band "The Jimi Hendrix Experience". Zusammen mit Bassmann Noel Redding und Drummer Mitch Mitchell wird der bunt gekleidete Mann mit der weißen Gitarre zur Sensation in der britischen Musikszene. Das Timing ist genau richtig: Die Beatles treten seit August nicht mehr auf, die Bühnen sind frei für neue Talente. Wer Jimi Hendrix zum ersten Mal hört, wird quasi überrollt. 

"Ungeheure Ausdrucksgewalt"

So ist es auch Klaus Theweleit ergangen, der im gleichen Jahr geboren wurde wie Hendrix: "Ich fühlte mich regelrecht überfahren von dieser ungeheuren Ausdrucksgewalt. Und wie viele andere dachte ich, das ist ja brutal. Später merkte ich, was da als Brutalität erscheint, ist eigentlich eine körperverwandelnde Wärme. Und je lauter man es hört, umso mehr nimmt man wahr, wie diese Musik direkt in die eigene Physis eingreift." Er habe, so Theweleit, eine Veränderung gespürt, die es ihm nicht mehr möglich gemacht habe, mit bestimmten Leuten zu sprechen oder bestimmte Musik zu hören.

So schlägt Hendrix mit seiner bewusstseinsverändernden Musik ein wie ein Meteorit. In Großbritannien wird er gefeiert, seine Songs "Hey Joe" und "Purple Haze" rauf und runter gespielt. Das Debütalbum "Are You Experienced" wird ein Riesenerfolg. Es wird Zeit, die Fühler zurück nach Amerika auszustrecken.

Flower-Power-Ikone

Seine bunte Kleidung machte Jimi Hendrix auch zur Ikone der Flower-Power-BewegungBild: Philippe Gras/Le Pictorium/picture-alliance

Der erste Auftritt in den USA ist direkt beim großen Monterey Pop Festival 1967. Jimi gibt alles - und gewinnt auch hier. Die Leute sind fast paralysiert von dieser Energie, die ihnen da von der Bühne entgegengeschleudert wird. Und fasziniert von dem, was Hendrix verkörpert: Seine Kleidung ist exzentrisch, bunt, sein Umgang mit Frauen - auch mit weißen Frauen - ist freizügig, und dass er ständig auf Droge ist, weiß auch jeder. Theweleit: "Er führt dieses Leben in der ständigen Grenzübertretung als ganz selbstverständlich vor."

Und damit trifft er schließlich auch den Nerv der US-Jugend. Es ist der "Summer of Love" - die kurze Zeit der Hippiebewegung, die sich zunächst als Subkultur und schließlich als Lebensform ausbreitet. Hendrix wird zur Ikone der Bewegung.

Höhepunkt in Woodstock

Im August 1969 ist Hendrix der Topact in Woodstock. Wegen der chaotischen Planungen der Veranstalter kann er erst am frühen Montagmorgen auftreten, von den ursprünglich 500.000 sind die meisten schon nach Hause gefahren. Die, die dort sind, sind auch nicht mehr ganz taufrisch nach drei Tagen Dauerrausch.

Doch was Hendrix dann auf der Bühne aufführt, macht alle noch einmal wach. Er spielt die amerikanische Nationalhymne. Quasi allein. Im Hintergrund knüppelt der Schlagzeuger kaum hörbar auf seinen Fellen herum, die anderen schweigen, Jimi ist ganz bei sich. Er traktiert die Gitarre, holt alles raus, verzerrt die Melodie von "Star-Spangled Banner".

Es klingt wie Krieg. Hubschrauber kommen, Bomben fallen, Explosionen, Vietnam ist in Woodstock angekommen. Klaus Theweleit: "Das hat alles, was bis dahin auf der Gitarre gespielt worden war, transzendiert. Das war ein Durchbruch in eine völlig neue Ausdruckskunst. Hendrix hat die Hymne nicht zerstört, sondern erst richtig hörbar gemacht." Dieser Auftritt in Woodstock sei ein meisterlicher musikalischer Auftritt gewesen und eine politische Demonstration. 

Der Tod als Erlösung

Ein Jahr später ist Jimi Hendrix tot. Erstickt an seinem Erbrochenen, in einem Hotelzimmer in London, nachdem er eine Flasche Wein getrunken und neun Schlaftabletten geschluckt hat. Seit Tagen hat er nicht richtig geschlafen, außerdem gab es Ärger mit mehreren Freundinnen, er war ziemlich gestresst. Gesund war er auch nicht unbedingt. Der exzessive Drogenkonsum ist nicht spurlos an ihm vorbeigegangen.

Jimi Hendrix - ein Leben im ExzessBild: IMAGO

Selbstmord ist allerdings ausgeschlossen. Jimi Hendrix hatte große Pläne. Aber er war schon lange nicht mehr von dieser Welt. Theweleit: "Mit dem, was er machte, war er zu weit von seiner eigenen Generation entfernt. Er hat nicht umsonst von sich gesagt: 'I'm from Mars'. Er kam aus einer Alien-Kultur, in der seine schwarze Geschichte drin ist, seine indianische, die Hippiekultur und schließlich das musikalische Ausbrechen - das machte ihn tatsächlich 'far out'." Und das haben auch andere so empfunden: Diese Lebensweise, so Theweleits These, habe an einen Punkt geführt, der für andere nicht mehr nachvollziehbar und fast nicht mehr aushaltbar war. So sei Jimi Hendrix' Tod nicht nur das erschütternde frühe Ende eines kurzen Musikerlebens und Idols gewesen, sondern habe bei vielen insgeheim eine Art Erleichterung hervorgerufen - da sei ein uneinholbares Überwesen gegangen, dem man nicht mehr nacheifern müsse.


Klaus Theweleit ist Schriftsteller, Kunsttheoretiker und Literaturwissenschaftler. Sich selbst nennt er "Geschichtsdetektiv". In seinen Büchern beschäftigt er sich mit vielen gesellschaftlichen Aspekten - vom Fußball über Comics, Männerwelten bis hin zu Amokläufern und deren Beweggründe. Das Buch "Jimi Hendrix. Eine Biographie" ist 2008 erschienen; er hat es zusammen mit dem österreichischen Autoren Rainer Höltschl geschrieben.

Dieser Artikel wurde anlässlich Jimi Hendrix' 80. Geburtstag aktualisiert.

Silke Wünsch Redakteurin, Autorin und Reporterin bei Culture Online
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