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Jimi Hendrix: Vor 50 Jahren starb der Gitarrengott

Philipp Jedicke
17. September 2020

Für viele gilt Jimi Hendrix als der beste Gitarrist aller Zeiten. Mit seinem innovativen Spiel und oft extremen Auftritten revolutionierte er die Rockmusik.

Hendrix-Porträt an einer Wand in Sao Paulo
Bis heute ein Weltstar: Jimi Hendrix-Graffiti in São PauloBild: picture-alliance /zumapress.com

Es muss sich wie eine Naturgewalt angefühlt haben, wenn man Jimi Hendrix  Ende der 1960er das erste Mal live gesehen hat. Selbst Paul McCartney  sagte einmal in einem Interview, dass ihm auch heute noch ein Schauer über den Rücken laufe, wenn er daran denkt, wie er Hendrix das erste Mal in einem Londoner Club spielen sah. Hendrix war damals gerade aus den USA nach London umgesiedelt, wo der Musikproduzent Chas Chandler dabei war, eine Band um den außergewöhnlich talentierten Mittzwanziger zu scharen.

Hendrix, 1942 in Seattle geboren, wird vor allem von seinem Vater Al großgezogen, weil seine Mutter sich nicht viel aus dem Familienleben macht. Schon als Kind ist er verrückt nach der Gitarre. Da er aus einfachen Verhältnissen kommt, geht er 1961 zur Armee, was in jener Zeit für junge schwarze Männer, die es nicht aufs College schafften, eine Möglichkeit war, ein erstes Auskommen zu haben. Nach nur einem Jahr bei den Fallschirmjägern bricht er sich bei einem Sprung den Knöchel und wird entlassen. Hendrix beginnt, als Begleitmusiker in zahlreichen R&B-Bands zu spielen. Er tourt mit den Isley Brothers, Little Richard und vielen anderen Stars jener Zeit im sogenannten Chitlin' Circuit, einem Verbund afroamerikanischer Tanzclubs. Eine harte Schule, in der er jedoch von einigen der besten Performern seiner Zeit lernt.

Die Bühnentricks, für die Hendrix berühmt war, hatte er auf den Bühnen des Chitlin' Circuit gelerntBild: picture-alliance/dpa/Bildarchiv

Hippie-Lifestyle in Greenwich Village

Schon zu jener Zeit entwickelt Hendrix seinen flamboyanten Look. Auf der Bühne muss er zwar die damals noch üblichen Anzüge tragen, aber privat läuft er gerne mit einer Pfauenfeder im Hut und dicken Ketten herum. Der schlanke, große Hendrix, der von mütterlicher Seite auch Cherokee-Blut in sich hat, ist eine Erscheinung, die auch abseits der Bühne auffällt. Er gilt zwar als ausgesprochen schüchtern, ist dabei aber freundlich und nahbar und hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Zusammen mit seinem Ehrgeiz und seiner künstlerischen Vision ergibt das ein unwiderstehliches Charisma. In seiner kurzen New Yorker Phase führt Hendrix mehrere Beziehungen gleichzeitig. Er und sein Umfeld in Greenwich Village leben den Hippie-Lifestyle bereits, bevor er weltweit in Mode kam. Ein ganz anderes Gesicht zeigt Hendrix, wenn er trinkt. Im Alkoholrausch hat er oft Wutausbrüche und schreckt auch vor Prügeleien nicht zurück.

Als der britische Talentscout, Manager und Produzent Chas Chandler (Ex-The Animals) Hendrix im legendären "Café Wha?" sieht, weiß er: "Aus dem Typen mache ich einen Star." Er holt ihn nach England und bringt ihn mit Drummer Mitch Mitchell und dem Gitarristen Noel Redding zusammen, der Bass spielen soll. Aufgrund der Virtuosität von Hendrix' Spiel und der nie zuvor gehörten Klänge, die er seiner Gitarre entlockt, klingt das Trio wie ein ganzes Quintett. Die Jimi Hendrix Experience, wie die Band nun heißt, verbindet amerikanischen Blues mit dem britischen Blues-Stil und R&B mit Rock. Die Experience klingt hart rockend und groovy zugleich, ihr Sound ist sexy, psychedelisch und wild. Nachdem das neue Trio in England für Furore sorgt und von den Beatles bis zu den Stones jeder kommt, um sie live zu sehen, wird auch die erste US-Tour der Experience ein Triumphzug. Zu Hendrix' größten Performances gehört sein Auftritt beim Monterey Pop Festival 1967. Von da an liegt ihm auch seine Heimat, die USA, zu Füßen. Hendrix und sein Sound passen genau in jene Ära der großen Umbrüche, innerhalb kürzester Zeit wird er zum Superstar.

Ein Amerikaner und zwei Briten im Angriffsmodus: die Jimi Hendrix Experience.Mitch Mitchell (links), Jimi Hendrix (Mitte) und Noel Redding (rechts)Bild: picture-alliance/dpa/Starstock/Photoshot

Bühnentier und Frickler

Nicht nur Hendrix' Songwriting, auch sein Gitarrenspiel ist in jeder Hinsicht unangepasst: Der Linkshänder verwendet Rechtshändergitarren, die er einfach umdreht und andersherum besaitet. Er spielt Blues-Soli und Riffs mit einer Leidenschaft und Inbrunst, die man bei Gitarristen vorher nie gesehen hat. Sein ganzer Körper geht mit jeder Note mit, er schwingt die Hüfte, geht in die Knie, legt sich auf den Rücken, spielt immer wieder ganze Passagen mit geschlossenen Augen. Als Showeffekte zupft er die Gitarre gerne auch hinter dem Kopf oder mit den Zähnen. Wenn es mit ihm durchgeht, rammt er seine Fender Stratocaster in die Verstärker oder zündet sie mit Feuerzeugbenzin an.

Voller Körpereinsatz: Jimi Hendrix spielt wie kein anderer vor ihmBild: Imago Images/Zuma Press/G. Gosage

Doch abseits der Bühne ist Hendrix alles andere als ein wilder Typ. Er ist ein echter Musiknerd. Noch vor dem Anziehen schnallt er sich seine Gitarre um und macht sogar Frühstück mit dem Instrument am Körper. Er ist nonstop am Komponieren. In dem Dokumentarfilm "Jimi Hendrix: Hear My Train A-Comin'" von Bob Smeaton sagt ein Zeitzeuge, dass sich Hendrix nur für zwei Dinge interessierte: Musik und Frauen. In New York erfüllt sich Hendrix einen Lebenstraum und lässt sich von seinem Team um Produzent Eddie Kramer für eine Million Dollar ein eigenes Studio einrichten, das "Electric Lady Studio". Hendrix ist bekannt dafür, ein Frickler zu sein: Von einzelnen Passagen nimmt er bis zu 35 Takes auf, auch wenn der erste schon gut war. Der Erfolg des von ihm selbst produzierten dritten Albums "Electric Ladyland" gibt ihm Recht: Es schießt auf Nummer eins der US-Charts, und Hendrix wird der bestbezahlte Musiker seiner Zeit.

Ikone der Gegenkultur

Auf dem Woodstock-Festival schafft es Hendrix erneut, alle zu überraschen. Er tritt mit neuer Formation auf und spielt unter anderem eine Version der US-Hymne "The Star-Spangled Banner", die mitten ins Herz der Nation trifft. Nachdem er die ersten paar Töne "klassisch" spielt, imitiert er mit seiner Fender Stratocaster und seinen Effektpedalen plötzlich minutenlang fallende Bomben und Maschinengewehrfeuer. Vietnam lässt grüßen. Wie Hendrix da auf der Bühne steht, mit Stirnband und Fransenjacke, wirkt er wie eine moderne Version von Geronimo - er ist Native American, Afroamerikaner und Hippie zugleich. Jetzt ist er nicht mehr "nur" ein Rockstar, jetzt ist er eine Ikone der Gegenkultur.

Legendärer Auftritt: In Woodstock wird Jimi Hendrix endgültig zur Ikone derGegenkulturBild: picture-alliance/Peter Tarnoff/MediaPunch

Gemeinsam mit der neu gegründeten Band of Gypsys verfolgt Hendrix weiter konsequent seine künstlerische Vision und erweitert die Grenzen von Sounds und Musikstilen. Doch die Plattenverkäufe bleiben hinter den hohen Erwartungen zurück. Also wird die Experience wiederbelebt, am Bass jedoch mit Jimis altem Freund Billy Cox, den er aus Armeezeiten kennt und der schon bei der Band of Gypsys dabei war. Es läuft gut, die Band ist in Form. Auf der deutschen Ostseeinsel Fehmarn gibt Hendrix sein letztes Konzert, am 18. September 1970 stirbt er völlig unerwartet in London. Seine Freundin hatte ihm Schlaftabletten gegen seine Schlafstörung gegeben, die jedoch wesentlich stärker waren als jene, die Jimi aus den USA kannte. Als sie aufwacht, ist Hendrix bereits bewusstlos. Sie ruft sofort den Notarzt, aber jede Hilfe kommt zu spät.

Die Rockstar-Karriere von Jimi Hendrix dauerte nur knappe vier Jahre. Doch in dieser kurzen Zeit veränderte er mit seiner Innovationskraft und seiner Kreativität das Gitarrenspiel für immer. Sicher gab und gibt es irgendwo auf der Welt Gitarristen, die sauberer, schneller oder noch virtuoser als Hendrix spielen können, aber Hendrix gilt bis heute schlicht und ergreifend als der beste Rock-Gitarrist aller Zeiten - und kaum jemand hat das je angezweifelt. Es war der Mensch hinter der Gitarre, der ihn zur Ikone machte.

Der deutsch-französische Kultursender ARTE zeigt anlässlich des 50. Todestages von Jimi Hendrix am 18. September den Dokumentarfilm "Jimi Hendrix: Hear My Train A-Comin'". Er ist bereits seit dem 11. September in der ARTE-Mediathek zu sehen.

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