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PolitikBrasilien

Joao Alberto Freitas: Brasiliens George Floyd

24. November 2020

Auch Brasilien hat ein Problem mit rassistischer Gewalt. Der schwarze Joao Alberto Freitas stirbt durch die Misshandlungen von zwei weißen Wachmännern. Und Präsident Bolsonaro? Reagiert wie einst Trump.

Brasilien Unruhen nach dem gewaltsamen Tod eines Schwarzen in einem Carrefour Supermarkt
"Schwarze Leben zählen" - T-Shirts der Bewegung in Porto Alegre, BrasilienBild: Diego Vara/Reuters

Ein Schwarzer kauft in einem Supermarkt ein, dann kommt es zu Problemen. Weiße Sicherheitsmänner führen ihn ab, werfen ihn zu Boden, einer kniet sich auf den Hals des Opfers. Der Schwarze kann nicht mehr atmen, stirbt später an Erstickung. Alles wird mit einem Handy gefilmt. Es kommt zu wütenden Protesten im Land, "Black Lives Matter" skandieren die Demonstranten. Und der Präsident spielt die Tat herunter, will von Rassismus nichts wissen.

So starb George Floyd in den USA am 25.Mai in Minneapolis, USA. So stirbt auch Joao Alberto Silveira Freitas genau ein halbes Jahr später, knapp 10.000 Kilometer weiter südlich, in Porto Alegre, Brasilien. 

Wie ist es möglich, dass sich Geschichte wiederholt? In einem anderen Land, aber mit so erschreckend vielen Parallelen? Ist dies vielleicht alles nur ein seltsamer Zufall? "Nein", sagt die Aktivistin Ieda Leal der DW, "sie nehmen uns den Atem, zielen auf unsere Körper, eliminieren uns und werden nicht dafür bestraft. Das Leben von uns Schwarzen in Brasilien ist in ständiger Gefahr."

Rassismus steckt tief in der brasilianischen Gesellschaft

Niemand weiß das besser als Leal, sie engagiert sich seit 30 Jahren gegen den Rassismus in ihrem Land und ist Vorsitzende der Vereinten Schwarzenbewegung MNU. Ein täglicher Kampf in einem Land, das - genauso wie die USA - sich längst an den Tod von schwarzen Menschen gewöhnt hat, an den strukturellen Rassismus und die systematische Ausgrenzung einer ganzen Bevölkerungsgruppe.

"Wenn Du Dich als Schwarzer mit Deinem Lebenslauf bewirbst, hast Du nicht den Standard. Denn der ist weiß": Ieda LealBild: privat

"Es fängt damit an, dass Du ein Geschäft betrittst und nicht bedient wirst. Und wenn ja, sagen sie Dir, dass das Produkt sehr teuer ist, dass Du es Dir als Schwarzer also nicht leisten kannst. Oder andere Kunden fragen Dich, wo sie ein Produkt finden können und Du musst ihnen erklären, dass Du auch Kunde bist und nicht etwa zum Personal gehörst", sagt Leal.

Trister Alltag für Millionen Afrobrasilianer, Brasilien ist der Staat mit der größten schwarzen Bevölkerung weltweit hinter Nigeria. Der Rassismus hat hier eine lange Vorgeschichte: Die frühere portugiesische Kolonie war Jahrzehnte lang der größte Sklavenmarkt der Welt, jeder dritte nach Amerika verschleppte Afrikaner landete in Brasilien, erst 1888 wurde die Sklaverei abgeschafft - als letztes Land in Nord- und Südamerika. 

Anstieg von Polizeigewalt und Neonazigruppen

Gute 130 Jahre später hat man das Gefühl, Brasilien wäre in die dunkelsten Kapitel der eigenen Geschichte zurückgekehrt. Das hat viel mit einer hoch militarisierten Polizei zu tun, welche die schwarze Bevölkerung oft als Feind begreift. Zum Vergleich: Knapp 1.000 Menschen tötete die Polizei im vergangenen Jahr in den USA. Allein in der brasilianischen Metropole Rio de Janeiro waren es im gleichen Zeitraum über 1800 Menschen.

Das hat auch mit Neonazigruppen zu tun, von denen es mittlerweile über 330 im ganzen Land gibt, Tendenz steigend. Und natürlich mit einem Präsidenten, der immer wieder beteuert, kein Rassist zu sein, aber Schwarze gleichzeitig bei jeder Gelegenheit beschimpft und herabwürdigt: "Natürlich ist Bolsonaro ein Rassist und sein gesamtes Team teilt das gleiche Gefühl des Hasses gegenüber den Schwarzen im Land", sagt Ieda Leal.

Regierung Bolsonaro distanziert sich von Rassismus

Die 55-Jährige spielt damit vor allem auf Hamilton Mourao an. Bolsonaros Vize hatte erklärt, der Tod von Joao Alberto Silveira Freitas in Porto Alegre habe nichts mit Rassismus zu tun und das aus einem einfachen Grund: "Für mich gibt es in Brasilien keinen Rassismus."

Das sieht sein Chef ähnlich, die Strategie Bolsonaros erinnert dieser Tage frappierend an die von US-Präsident Donald Trump nach dem Tod von George Floyd: verharmlosen, relativieren, bloß nicht die eigenen weißen Anhänger verschrecken. Brasiliens Probleme lägen "jenseits von Rassenfragen", das große Übel im Land sei vielmehr die "moralische, soziale und politische Korruption", so der brasilianische Staatschef.

Brasiliens Vizepräsident Hamilton Mourao und Präsident Jair BolsonaroBild: picture-alliance/AP Photos/E. Peres

Ieda Leal kann solche Sätze einfach nicht mehr hören. "Wir sehen in Brasilien einen täglichen Anstieg von rassistischen Gewalttaten. Das hängt natürlich auch damit zusammen, dass wir mehr melden, weil wir jetzt mutiger sind", sagt die Vorsitzende der Vereinten Schwarzenbewegung MNU, "aber wir haben leider keine Regierung, welche die Menschen schützt, sondern die im Gegenteil Rassismus noch fördert."

Zustimmung für Bolsonaro wächst

Aber genauso wie in den USA, wo viele Schwarze wegen Steuersenkungen trotzdem ihr Kreuzchen bei Donald Trump machten, gibt es in Brasilien immer mehr Schwarze, die Bolsonaro trotz seiner rassistischen Entgleisungen unterstützen. Weil die Regierung seit Beginn der Corona-Pandemie 600 Reais, rund 90 Euro, zur Unterstützung an die Ärmsten, unter ihnen viele Afrobrasilianer, auszahlt.

Geht es nach Ieda Leal, soll es das aber mit den vielen Parallelen zu den USA noch nicht gewesen sein. Donald Trump wurde am Ende doch als Präsident abgewählt, Leal will alles dafür tun, dass Bolsonaro in Brasilien 2022 das gleiche Schicksal ereilt. "Diese Regierung kümmert sich nicht um die Menschen, die das Land aufgebaut haben. Unser Kampf heißt, Bolsonaro jeden Tag aufs Neue zu entlarven."

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