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Politik

Joe Biden braucht noch Geduld

6. November 2020

Der Wahlkrimi in den Vereinigten Staaten ist noch nicht zu Ende. Der Herausforderer rückt seinem Ziel immer näher - doch er muss noch einige Hürden überwinden.

USA Präsidentschaftswahlen | Joe Biden
"Niemand wird uns die Demokratie wegnehmen": Joe Biden am Donnerstag in WilmingtonBild: Drew Angerer/Getty Images

Im Rennen um das Weiße Haus verzögert sich die Entscheidung weiter. Der US-Bundesstaat Georgia gab bekannt, dass die Stimmzettel der Präsidentschaftswahl dort vermutlich neu ausgezählt werden. Grund ist der extrem knappe Ausgang: Zwar lag der demokratische Herausforderer Joe Biden hier vor dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump in Führung, doch der Vorsprung betrug nur etwas mehr als 1000 Stimmen.

Damit vereinigt Biden in vier von fünf noch umkämpften Bundesstaaten die meisten Stimmen auf sich - aber das Blatt könnte sich im Verlauf der weiteren Auszählung wieder wenden. So schmilzt offenbar der Abstand zu Trump in Arizona, wo Biden aber weiter mit deutlich mehr als 40.000 Stimmen führt. Gelänge es dem Demokraten allerdings, den Bundesstaat Pennsylvania zu holen, wo er zurzeit etwa 9000 Stimmen Vorsprung hat, wäre ihm im Electoral College eine Mehrheit sicher. 270 von insgesamt 538 Stimmen der Wahlleute werden zum Sieg benötigt. Quelle für die Ergebnisse ist die amerikanische Nachrichtenagentur AP

 

"Diese Wahl ist nicht vorbei"

Das Wahlkampfteam von Präsident Donald Trump warnte derweil davor, dessen Herausforderer schon jetzt zum Gewinner auszurufen. "Diese Wahl ist nicht vorbei", erklärte der Anwalt des Teams, Matt Morgan. "Die falsche Prognose eines Sieges von Joe Biden basiert auf Ergebnissen aus vier Bundesstaaten, die noch lange nicht endgültig sind."

Will juristisch gegen eine Niederlage kämpfen: Amtsinhaber Donald Trump am Donnerstag im Weißen HausBild: Brendan Smialowski/AFP/Getty Images

Ein US-Bundesrichter hatte zuvor den Antrag von Trumps Mannschaft auf einen Stopp der Auszählung in Pennsylvania abgelehnt. Der Amtsinhaber wollte erzwingen, dass die Auszählung nur dann fortgesetzt werden kann, wenn Beobachter aus seinem Lager dabeisein können. Allerdings hatten die Republikaner nach einem Gerichtsbeschluss bereits Zugang zu dem Wahlzentrum in Philadelphia. Trumps Anhänger vertreten indes die Ansicht, dass die Arbeit ihrer Beobachter behindert werde.

Trumps Sohn fordert "totalen Krieg"

Der Präsident hatte sich bereits in der Wahlnacht zum Sieger erklärt und juristische Schritte angekündigt, was auch international als Angriff auf den demokratischen Wahlprozess gewertet wurde. Trumps ältester Sohn heizte die Stimmung zusätzlich an und forderte einen "totalen Krieg" gegen angeblichen Wahlbetrug. Es sei an der Zeit, "aufzuräumen und nicht mehr auszusehen wie eine Bananenrepublik", schrieb Donald Trump junior auf Twitter. Der Onlinedienst versah die Kurzbotschaft mit dem Warnhinweis, der Inhalt sei "umstritten und möglicherweise irreführend".

Für Amerika - und für Trump: Anhänger des Präsidenten in Las VegasBild: Jae C. Hong/AP Photo/picture alliance

Zwar stellten sich prominente Republikaner wie Lindsey Graham hinter Trump, es gab aber auch im eigenen Lager Kritik am Vorgehen des Präsidenten. Der Abgeordnete Will Hurd nannte Trumps Aufruf zu einem Stopp der Stimmauszählung "gefährlich und falsch".

Herausforderer sucht Wogen zu glätten

Biden rief seinerseits zur "Ruhe" auf. Er habe "keine Zweifel", dass er nach Auszählung aller Stimmen die Wahl gewinnen werde, sagte er. Nach Trumps Äußerungen schrieb Biden auf Twitter: "Niemand wird uns unsere Demokratie wegnehmen."

"Jede Stimme muss gezählt werden": Biden-Unterstützer in PhiladelphiaBild: kyodo/dpa/picture alliance

Der Präsident wird in den USA nicht direkt gewählt, sondern durch ein Gremium von Wahlleuten. Wer die Mehrheit von 270 Wahlleuten hinter sich bringt, kann ins Weiße Haus einziehen. Die Amtseinführung soll am 20. Januar 2021 stattfinden. Bis dahin wird es mit großer Wahrscheinlichkeit aber noch eine Schlacht vor den Gerichten geben. Befürchtet werden inzwischen auch Krawalle auf den Straßen.

Trittin sieht aufziehende Verfassungskrise

Unterdessen warnte ehemalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin angesichts der Rhetorik aus dem Weißen Haus, die Vereinigten Staaten würden "am Rande einer Staats- und Verfassungskrise" stehen. "Hier werden ja sozusagen die Methoden aus dem New Yorker Immobilien- und man muss auch sagen Mafia-Dschungel auf den Staat übertragen", sagte Trittin der Deutschen Welle. Donald Trump schüre mit seinen Behauptungen eine Stimmung im Land, die sich dann vielerorts gewalttätig entlade.

Der Grünen-Politiker, der dem Auswärtigen Ausschuss des Bundestages angehört, betonte: "Wir haben den Versuch gesehen, in Philadelphia das Wahlzentrum zu stürmen. Wir haben Bewaffnete in Arizona vor den Auszählungslokalen gesehen und das wird dann nochmal richtig angefeuert durch den Sohn von Donald Trump, der ja dazu aufgerufen hat, den totalen Krieg gegen den Betrug zu machen." Trittin fügte hinzu, er sei sich ziemlich sicher, dass Daniel Trump junior wisse, wen er mit der Formulierung vom totalen Krieg zitiere, nämlich den Nazi-Propagandaminister Joseph Goebbels. "Das ist etwas, wo wir uns wirklich Sorgen machen müssen über eine bevorstehende Verfassungskrise, ja über staatsstreichartige Anwandlungen, die da aus dem Trump-Lager kommuniziert werden."

Vorsprung für Biden: Gespräch mit DW-Korrespondent Oliver Sallet

03:35

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jj/qu/kle (dpa, ap, afp, rtr, DW)

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