1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
PolitikNahost

Bidens Spagat zwischen Israel und Saudi-Arabien

Tania Krämer Bethlehem, Jerusalem
13. Juli 2022

Jerusalem, Bethlehem und Riad: Bei seinem viertägigen Besuch in der Region wird US-Präsident Joe Biden sehr viel Fingerspitzengefühl aufbringen und wechselnde Allianzen ausloten müssen.

Israel vor dem Biden Besuch
Willkommensgruß auf einem Plakat der israelischen Organisation "Peace now" an einem Hochhaus in Tel Aviv: "Präsident Biden, willkommen in den beiden Ländern, die wir am meisten lieben"Bild: Jack Guez/AFP

Bereits vor dem Besuch von Joe Biden in der Region wehen in Westjerusalem US-amerikanische und israelische Flaggen. Die Sicherheitsvorkehrungen sind überall in der Stadt äußerst streng. Mehr als 15.000 israelische Polizeibeamte und Freiwillige sind im Einsatz. 

"Jedes Mal, wenn ein amerikanischer Präsident nach Jerusalem kommt, ist das zwar eine große Ehre, aber für die Bevölkerung bedeutet dies große Einschränkungen, weil die Stadt komplett abgeriegelt wird und wir am besten zuhause bleiben", sagt Einwohner Avi Avisana. 

"Ich finde es sehr mutig von Biden, dass er kurz nach dem Wechsel unseres Premierministers hierher kommt", meint er. "Das zeigt, wie besonders die Beziehung zwischen unseren beiden Ländern ist." 

Neue Allianzen 

US-Präsident Biden wird an diesem Mittwoch von Jair Lapid, dem Premierminister der derzeitigen Übergangsregierung, empfangen. Es ist erst zwei Wochen her, dass Naftali Bennett, der Biden nach Israel eingeladen hatte, nach dem Zusammenbruch seiner Koalitionsregierung als Premierminister zurückgetreten ist. 

Israels Ex-Premier Naftali Bennett (rechts) und sein Nachfolger und ehemaliger Außenminister Yair LapidBild: Abir Sultan/Pool European Pressphoto Agency/AP/dpa/picture alliance

Biden wird seine Reise in Israel beginnen, danach einen kurzen Zwischenstopp im Westjordanland einlegen und schließlich direkt von Israel nach Saudi-Arabien fliegen. Biden, der häufig seine langjährige Freundschaft mit Israel erwähnt, war zuletzt 2016 offiziell im Land - damals als Vize von US-Präsident Obama.  

Seitdem hat sich die Region verändert: Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), Bahrain und Marokko haben noch unter der Regierung des früheren US-Präsidenten Donald Trump die so genannten Abraham-Abkommen zur Normalisierung ihrer diplomatischen Beziehungen unterzeichnet. 

Israel und die USA sind enge Verbündete. Und doch gibt es Sorgen, so Beobachter, dass die USA weniger in ihre strategischen Interessen im Nahen Osten investieren. 

"Wendepunkt Iran"

"Die USA können sich einen Rückzug aus der Region nicht erlauben", sagt Ksenia Svetlova, eine politische Analystin und ehemalige Knessetabgeordnete. "Aber beim Thema Iran erreichen wir einen Wendepunkt".  

Die amerikanischen Verbündeten in der Region, fügt sie hinzu, bräuchten "ein starkes und selbstbewusstes Amerika", das "nicht zulassen wird, dass hier ein Vakuum entsteht, das von anderen Mächten gefüllt wird." 

Hintergrund ist auch die Besorgnis über die nuklearen Ambitionen des Irans. Sie hat in den vergangenen Jahren eine Annäherung zwischen Israel und einigen Golfstaaten geschaffen. 

Israels Interims-Premier Jair Lapid hatte bei einer Kabinettssitzung am vergangenen Sonntag erklärt: "Bei diesem Besuch wird es um beides gehen, Chancen und Herausforderungen. Die Diskussion über die Herausforderungen wird sich in erster Linie auf das Thema Iran konzentrieren". 

"Warum ich nach Saudi-Arabien reise" 

Besondere Aufmerksamkeit bekommt in Israel Bidens geplante Reise nach Saudi-Arabien. Teile der Bevölkerung hoffen auf eine Annäherung zwischen den beiden Ländern. Bisher verfolgte Riad die Richtlinie, dass eine Normalisierung der diplomatischen Beziehungen zu Israel erst nach der Gründung eines souveränen palästinensischen Staates möglich seien.

Am Samstag veröffentlichte die Washington Post einen Kommentar von Biden mit dem Titel "Warum ich nach Saudi-Arabien reise". Er wies darauf hin, dass er der erste US-Präsident sein werde, der direkt von Israel nach Saudi-Arabien fliege. 

Dies sei "ein kleines Symbol für die aufkeimenden Beziehungen und Schritte zur Normalisierung zwischen Israel und der arabischen Welt, an deren Vertiefung und Erweiterung meine Regierung arbeitet", heißt es in dem Beitrag.

Bidens Besuch in Saudi-Arabien ist auch ein Zeichen für einen umstrittenen Politikwechsel. Noch während seines Wahlkampfes hatte Biden dafür plädiert, Riad wegen Menschenrechtsverletzungen als "Paria" zu behandeln. Er nahm dabei Bezug auf die Ermordung des saudischen Journalisten Jamal Kashoggi im Jahr 2018. 

Iraks Außenminister Fuad Hussein (rechts) und der Generalsekretär des Golfkooperationsrates GCC, Nayef Al-Hajraf (links) bei einem Treffen in Bagdad im Februar 2021Bild: Murtadha Al-Sudani/AA/picture alliance

US-Präsident Biden wird am Gipfeltreffen des Golfkooperationsrates am 15. und 16. Juli in Dschidda teilnehmen. Es soll unter anderem darum gehen, gemeinsame Ziele in den Bereichen Energie und Ernährungssicherheit zu entwickeln, auch vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine. 

"Goldene Ära"

Die Aussicht auf eine öffentliche Normalisierung der Beziehungen zwischen Saudi-Arabien und Israel erscheint jedoch verfrüht. "Die gute Nachricht ist, dass Saudi-Arabien, das ein sehr wichtiger Schlüsselstaat im Nahen Osten ist, im Gegensatz zu früher keine feindliche Politik mehr gegenüber Israel betreibt", sagt Generalmajor Amos Gilead, geschäftsführender Direktor des Instituts für Politik und Strategie in der Stadt Herzliya. 

Nach Angaben Gileads gibt es bereits viele informelle Kontakte zwischen Israel und Saudi-Arabien. "Alles in allem leben wir in der besten Zeit. Ich nenne es die goldene Ära zwischen uns und den arabischen Ländern." 

Darüber hinaus hat sich die Sicherheitszusammenarbeit zwischen Israel und den USA weiter intensiviert. 2021 versetzte das Pentagon Israel vom "US European Central Command" zum "Central Command" (CENTCOM). Durch diese Verschiebung kooperiert Israels Militär nun - direkt oder indirekt - mit anderen arabischen Ländern, obwohl einige von ihnen Israel gar nicht offiziell anerkannt haben.  

Im Vorfeld des Biden-Besuchs wurde in zahlreichen israelischen Medienberichten unter anderem die Einrichtung eines "Frühwarnsystems" und der Aufbau eines "regionalen Verteidigungsbündnisses" diskutiert, das Israel stärker in die Region integrieren würde. 

"Eines der Ziele [des Besuchs] ist die Stärkung und Festigung eines inoffiziellen Bündnisses gegen die Bedrohungen, zu denen auch der Iran gehört", erklärt Gilead. 

Im Februar besuchte Israels damaliger Premier Naftali Bennett Bahrain auf der Suche nach Verbündeten gegen den IranBild: Ilan Ben Zion/AP Photo/picture alliance

Treffen in Bethlehem 

Vor seiner Abreise nach Saudi-Arabien wird der US-Präsident voraussichtlich noch kurz ein palästinensisches Krankenhaus in Ost-Jerusalem besuchen. Am Freitagmorgen soll er zudem in Bethlehem mit dem palästinensischen Präsidenten Mahmoud Abbas zusammentreffen. 

Die Kirche in der palästinensischen Stadt, die als Geburtsort Jesu verehrt wird, ist eine beliebte Touristendestination. Einwohner sehen Bidens Besuch dort mit gemischten Gefühlen entgegen. Denn die Aussichten auf einen eigenen unabhängigen Staat sowie auf ein Ende der israelischen Besatzung schwinden immer mehr.  

"Die Lage verschlechtert sich, wir machen Rückschritte. Dabei braucht das palästinensische Volk unbedingt eine positive Perspektive", meint Simon Rishmawi, ein 20-jähriger palästinensischer Student. "Die Welt schenkt uns keine Aufmerksamkeit, niemand schaut auf uns." 

Kommilitonin Miral Assaf sieht das ähnlich. Sie hofft, dass Biden die "Wirklichkeit vor Ort sieht". "In den Medien wird vieles, was hier passiert, verzerrt dargestellt." 

Palästinenser und US-Regierungsvertreter sind bemüht, die unter der Trump-Regierung zerrütteten Beziehungen wiederherzustellen. Der ehemalige US-Präsident hatte die US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem verlegt und das palästinensische Konsulat in Jerusalem geschlossen - ein Bruch mit der jahrzehntelangen US-Außenpolitik. 

Der gewaltsame Tod der palästinensisch-amerikanischen Journalistin Shireen Abu Akleh ist offiziell immer noch nicht endgültig aufgeklärtBild: Ilia Yefimovich/dpa/picture alliance Ilia Yefimovich/dpa

Für palästinensische Regierungsvertreter bleibt die von Biden versprochene Wiedereröffnung des Konsulats eines der wichtigsten politischen Themen. Israel ist strikt dagegen.  

Bereits in der Vergangenheit hat Biden Israel dazu aufgerufen, den Siedlungsausbau zu stoppen und auf eine Zwei-Staaten-Lösung hinzuarbeiten. Obwohl einige Gesten gegenüber der Palästinensischen Autonomiebehörde angekündigt werden könnten, sieht es nicht nach Schritten in Richtung einer palästinensisch-israelischen Annäherung aus.  

In seinem Beitrag in der Washington Post erklärte Biden: "In Zusammenarbeit mit dem Kongress hat meine Regierung die Unterstützung für die Palästinenser um etwa 500 Millionen Dollar aufgestockt. Gleichzeitig wurde das bisher größte finanzielle Hilfspaket für Israel verabschiedet - über vier Milliarden US-Dollar." 

Angehörige von Journalistin Shireen Akleh enttäuscht

Bidens Besuch bei den Palästinensern wird wahrscheinlich auch von Unzufriedenheit über die Reaktion der USA nach der Erschießung der US-amerikanisch-palästinensischen Journalistin Shireen Abu Akleh überschattet.

Sie wurde am 11. Mai 2022 bei der Berichterstattung über eine Operation der israelischen Armee in Dschenin im Westjordanland durch einen Schuss getötet. 

Im Vorfeld des Besuchs veröffentlichten Aklehs Familienangehörige einen offenen Brief an Joe Biden, und forderten den Präsidenten auf, dafür zu sorgen, das die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Außerdem baten sie um ein persönliches Treffen. 

Der Text wurde aus dem Englischen von Astrid Prange adaptiert.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen