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Joe Cocker

15. Juni 2011

Auch Joe Cockers zuletzt erschienenes Album "Hard Knocks" stürmte in Deutschland sofort an die Spitze der Charts. Nach über 40 Jahren im Showbusiness will er noch lange nicht aufhören.

British singer Joe Cocker performs at a concert as part of the 10th International Investment Forum "Sochi-2011", 16 September 2011. Photo: Mihail Mokrushin/RIA Novosti Schlagworte Personen, Kultur, Musik, Dark, Illumination, konzert, Mikrofon
Sänger Joe CockerBild: picture-alliance/dpa

Für den blauäugigen Soulsänger ist klar, dass er an diesem Punkt noch nicht angekommen ist. Auch 42 Jahre nach seinem legendären Durchbruch in Woodstock fesselt er immer noch sein Publikum. Die wilden Zeiten seiner Drogen- und Alkoholabhängigkeit liegen längst hinter ihm, stattdessen widmet er sich eher "normalen" Dingen wie dem Eiscafé-Besuch, Gemüseanbau und Arztbesuchen.

Aber mit 66 Jahren liebt er immer noch die Energie, die er auf der Bühne spürt. Joe Cocker hat mit der Deutschen Welle über sein 21. Studioalbum "Hard Knocks" und über seine ganz besondere Beziehung zu den deutschen Fans gesprochen.
 

Deutsche Welle: "Hard Knocks" ist nicht nur der Name eines Songs; es ist auch der Titel Ihres neuen Albums. Könnte es auch die Überschrift für Ihr bewegtes Leben und Ihre Karriere sein?


Joe Cocker: Dieser Song hat tatsächlich den Stein für das Album ins Rollen gebracht. Ein Mann namens Marc Broussard aus New Orleans hat ihn geschrieben. Bevor er Sänger wurde, hat er vom Krebsfang gelebt. Wir haben die Originalworte abgeändert, und er hat einige Zeilen der zweiten Strophe umgeschrieben. Da gibt es Zeilen wie: "I got my education on the street." In Sheffield, England, wo ich aufgewachsen bin, habe ich circa fünf Jahre damit verbracht, in Kneipen zu spielen. Es war weniger ein Leben in der Unterwelt als vielmehr diese Art des Lebens auf der Straße, das man entwickelt, wenn man die ganze Zeit nur rumhängt. Ja, so gesehen ist der Song ein bisschen autobiographisch.

Hat dieses Rumhängen in Ihrer Jugend Sie geprägt? 
 

Woodstock brachte Joe Cocker den DurchbruchBild: AP

Ich bin nicht auf die Universität gegangen. Ich hatte einen älteren Bruder, der wirklich helle war und Chef der Wassergesellschaft geworden ist. Wir sind in einem Arbeiterhaushalt aufgewachsen. Meine Eltern hatten mich irgendwie aufgegeben. Sie dachten, dass ich noch ein bisschen Musik mache, aber danach einen ordentlichen Job bekommen werde. 1964 hab ich dann eine Aufnahme gemacht, eine Coverversion von "I'll Cry Instead" von den Beatles. Die Coverversion ist noch nicht mal in die Charts gekommen.


Irgendwie waren diese alten Zeiten ein wenig wie die heutigen Fernseh-Talentshows, wie "Deutschland sucht den Superstar" oder "American Idol". Die Leute sagten: "Das wäre ihre Chance gewesen - Pech gehabt." Ehrlich gesagt, ich habe Angst um viele dieser Wettbewerb-Kids, weil sie nach all der Aufmerksamkeit, die sie erleben, ganz plötzlich vor dem Nichts stehen. Aber damals hatte ich Geschmack an dieser Art von Leben und habe durchgehalten, bis sich später in den 60er Jahren die Szene veränderte.
 

Wie haben Sie sich gefühlt, als Sie vor ein paar Jahren den königlichen Verdienstorden "Officer of the Order of the British Empire" erhalten haben? 


Ich ging zum Buckingham Palace und machte meine Verbeugung. Prinz Charles stand etwas erhöht auf so einem Kasten, wissen Sie, das war schon irgendwie befremdlich. Mein Bruder hatte zwar schon den Orden "Commander of the Order of the British Empire" erhalten, aber eigentlich war ich total überrascht, weil ich doch schon so lange in Amerika lebte. Ich dachte nicht, dass sie einen "Ausländer" mit so einem Ding auszeichnen würden. Aber sie sagten, der Orden sei für meine Verdienste um die Musik. Anschließend hab ich mir vorgestellt, wie die Jungs im Pub in Sheffield die Meldung über die Ordensverleihung im Fernsehen sehen. Wahrscheinlich haben sie vor lauter Lachen ihr Bier ausgeprustet...


Was ist mit Ihrem Augenlicht geschehen, während sie ihr letztes Album aufgenommen haben?

"Hard Knocks" stürmte die deutschen Charts

Ich war mitten in einer Session, in der ich einen Song mit zwei verschiedenen Tonarten gesungen habe. Ich hatte mir den Tonartenwechsel in den Lyrics markiert, aber als ich auf das Textblatt schaute, konnte ich nichts mehr sehen. Es war, als würden die Worte vom Papier verschwinden. Jeder im Studio sagte: "Mach dir keine Sorgen, alles wird gut."
So machte ich erst einmal weiter. Am Morgen danach sagte mir dann der Arzt, dass ich einen Schlaganfall des Auges gehabt hätte. Die Experten sind sich einig, dass das wahrscheinlich ausheilen wird, aber ich bin mir sicher, es ist eine bleibende Verletzung durch den Rock'n Roll. Die Ärzte beharren darauf, dass Singen nicht die Ursache für den Schlaganfall gewesen sein kann. Aber in meinem Herzen weiß ich, dass es doch so war.


Sie haben annähernd 20 Konzerte in Deutschland vorgesehen. Ist dieses Land besonders wichtig für Sie?


Definitiv. In meinen wilden Jahren waren die deutschen Fans einfach außergewöhnlich treu. Damals habe ich Shows gemacht, in denen ich so einen furchtbaren Kater hatte, dass es mir tatsächlich schwer fiel, meine Songs aufzuführen. Ich hatte zwar auch ein paar wirklich großartige Konzerte, aber eben auch schlechte. Aber auch in den schlechten Konzerten waren die deutschen Fans immer da. Schon deshalb schulde ich ihnen etwas.

Oom-Pah-Music...Bild: picture alliance/dpa

Als dann "Unchain My Heart" kam, konnte ich eigentlich kaum glauben, dass ich die schlimmen Zeiten tatsächlich komplett hinter mir gelassen hatte und dass plötzlich alles wieder rosig schien. Die Fans waren fantastisch. Und seitdem habe ich diese enge Verbindung zu ihnen. Wir spielen zwar auch in anderen Ländern wie Russland, den Baltischen Staaten, überhaupt in all den osteuropäischen Gebieten. Aber da gibt's noch etwas bei den Deutschen, und meine Band sieht das ganz genauso: Es ist meine Vorliebe für bayerische, volkstümliche Blasmusik, wir nennen es: "oom-pah music". Ich liebe diese Shows, die ich immer im deutschen Fernsehen sehe, wenn diese Jungs in bayerischer Tracht mit Hut und Lederhosen auftreten. Sie spielen so eingängige Rhythmen. Ich bin mir nicht sicher, ob meine Vorliebe für die Deutschen damit zu tun hat, dass sie diesen Rhythmus in sich haben oder nicht. Egal, ich bin einfach nur dankbar dafür.
 
Das Gespräch führte Deborah Friedman

Adaption: Marita Berg/ Redaktion: Suzanne Cords