Zum 80. Geburtstag von John Lennon
9. Oktober 2020Ein Mann klopft an eine Tür und nach ein paar Augenblicken öffnet John Lennon. Im britischen Filmerfolg "Yesterday" aus dem Jahr 2019 sucht der Protagonist einen noch lebenden Lennon auf, der statt einer Karriere als Musiker zur See gefahren ist und nun in seinem kleinen Häuschen direkt am Strand einer englischen Küste seinen Lebensabend mit Malen verbringt.
Alt zu werden, ist John Lennon nicht vergönnt gewesen. Kurz nach seinem 40. Geburtstag wurde der Sänger am 8. Dezember 1980 in New York von einem Attentäter erschossen. Doch wie hätte Lennon, der am 9. Oktober seinen 80. Geburtstag feiern würde, wohl weiter gelebt? Hätte er sich im Alter vielleicht wirklich in ein Haus am Strand zurückgezogen?
"Das ist schwierig zu beantworten, aber er hatte noch Pläne", sagt Rainer Moers, Gründer des Beatles-Museum Halle und Autor von "Die Beatles - Geschichte und Chronologie". Zunächst wäre Lennon damals vermutlich auf Tour gegangen, sein zehntes Album "Double Fantasy" war nur drei Wochen vor seinem Tod erschienen und hatte einige Gerüchte ausgelöst. "Es hieß, die Tournee könnte Lennon nach langer Zeit wieder nach England führen", sagt Rainer Moers. Gesichert seien diese Mutmaßungen nicht gewesen.
Attentat als Kaufanreiz
Das Attentat diente als makabrer Kaufanreiz für "Double Fantasy", das bis heute das am häufigsten verkaufte Soloalbum Lennons ist. "So ist das Geschäft", sagt Rainer Moers, "es wird dem Album aber nicht gerecht, das wirklich viel besser ist als manche seiner Vorgänger." 1982 wurde es mit einem Grammy zum Album des Jahres gekürt.
Lennon hatte vor den Aufnahmen zu seinem letzten regulären Album eine mehrjährige Pause eingelegt, um als Hausmann mit seinem zweiten Sohn Sean mehr Zeit verbringen zu können, mehr Zeit als zuvor mit seinem Sohn Julian aus der Ehe mit seiner ersten Frau Cynthia. Nach einiger Zeit bemerkte Yoko Ono jedoch die zunehmende Unzufriedenheit ihres Mannes und schickte ihn zur Selbstfindung auf verschiedene Reisen, die seinen Entschluss reifen ließen, wieder Musik zu machen.
Schon vor der Trennung der Beatles hatte Lennon experimentelle Alben mit Yoko Ono aufgenommen, die er 1969 geheiratet hatte. Nach dem Aus der Beatles im Jahr 1970 folgten bis 1975 Soloalben im Jahrestakt. "Die ersten Soloplatten waren sehr gefragt, wie auch bei den anderen Beatles", sagt Rainer Moers, "das ließ mit der Zeit jedoch nach."
Die einzelnen Beatles waren zwar individuelle Musiker, aber eben nicht mehr die Beatles. Immer wieder kamen in den 1970er Jahren Gerüchte um eine Band-Reunion auf, die auch die ehemaligen Mitglieder nicht für alle Zeiten ausschließen wollten. In einem Interview sprach Lennon einmal über die übermenschliche Erwartungshaltung der Fans: "Sie würden erwarten, Gott spielen zu sehen." Er wünschte allen Beatles individuelles Glück und fügte an: "Ob im Kollektiv oder nicht, das werden wir sehen."
Musik im Hier und Jetzt
Zur Reunion kam es bekanntermaßen nicht. Doch wie sähe das persönliche, musikalische, künstlerische Schaffen eines John Lennon heute aus? Würde er, der in seiner Friedenskampagne "Give Peace a Chance" schrieb, sich heute politisch äußern? "Lennon war der authentischste Beatle", sagt Rainer Moers. "Er war ein Bauchmensch, bei ihm war alles glaubhaft, wenn er ins Studio ging." Lennon habe seine Lieder häufig "im Moment aufgenommen, in dem er sie gespürt hat, im Hier und Jetzt". Paul McCartney habe seine Songs dagegen häufig am Reißbrett entworfen und überlegt, was musikalisch interessant sein könnte.
Privat, so glaubt Rainer Moers, hatte Lennon sein Glück gefunden - obwohl seine zweite Ehefrau Yoko Ono bis heute vielen als dominant und unnahbar gilt und viele Beatles-Fans ihren Einfluss auf Lennon als Ursache für die Trennung der Band verantwortlich machten: "Yoko hat von Anfang an einen großen Einfluss auf Lennon gehabt."
Umstrittene Liebe: Yoko Ono und John Lennon
Seine ersten vier Alben nach den Beatles nahm Lennon zusammen mit Yoko Ono auf, die auch Songs schrieb und sang. "Er wird damit zufrieden gewesen sein", glaubt Rainer Moers. Auch die Ansicht der Fans habe sich später deutlich relativiert, Yoko Ono sei den Fans immer sehr zugewandt aufgetreten.
Bleibt die Hassliebe zwischen Lennon und Paul McCartney, den beiden Songschreibern der Beatles. "Beide haben voneinander profitiert", sagt Rainer Moers. "Lennon hat McCartney davor bewahrt, ins Seichte abzudriften. Und McCartney hat dafür gesorgt, dass es nicht zu skurril wurde."