Der verstorbene US-Kongressabgeordnete John Lewis kämpfte sein Leben lang für ein Land ohne Rassismus. Er ist eine der Schlüsselfiguren der US-Bürgerrechtsbewegung. Sein gewaltloser Kampf war seine stärkste Waffe.
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John Lewis wird mit allen Ehren am Montag und Dienstag im Kapitol in Washington D.C. aufgebahrt. Zuvor konnten die Menschen unter anderem in seiner Heimatstadt Troy im US-Bundesstaat Alabama noch einmal von ihm Abschied nehmen.
Er war ein schwarzer Bürgerrechtler, ein Demokrat, ein Abgeordneter, der 33 Jahre lang im US-Abgeordnetenhaus seinen Wahlkreis im US-Bundesstaat vertreten hat. Bereits seit längerem war bekannt, dass Lewis an Krebs erkrankt war. Am 17. Juli starb er im Alter von 80 Jahren an den Folgen der Krankheit.
Damals Emmett Till, heute George Floyd?
Die aktuelle Antirassismus-Bewegung in den USA führt einen Kampf, den Lewis bereits in den 1960er Jahren mit Berühmtheiten wie Martin Luther King selbst geführt hat. "John hat immer wieder sein Leben aufs Spiel gesetzt in der Hoffnung, unser Land zu verändern", erinnert sich Charles "Chuck" Neblett, der damals ebenfalls aktiv im Kampf gegen Rassismus war - und es heute noch ist. Die beiden lernten sich in der Bürgerrechtsbewegung kennen.
"Was mich und viele andere damals motivierte, den Kampf gegen Rassendiskriminierung von John Lewis und Martin Luther King beizutreten, war die Ermordung des 14-jährigen schwarzen Amerikaners Emmett Till. Er wurde von weißen Männern gelyncht, einfach zu Tode geschlagen", erinnert sich Neblett. Die Täter kamen 1955 nach nur fünf Verhandlungstagen frei. Die Jury bestand aus zehn weißen Männern. Zwischen 1880 und 1968 wurden 3446 schwarze Amerikaner gelyncht. Ermittlungen blieben aus, genauso wie Strafen gegen die Täter.
Was damals der Tod Emmett Tills auslöste, war eine Intensivierung des Kampfes gegen die Rassentrennung in den USA. Es war eine Initialzündung für die Bürgerrechtsbewegung. Chuck Neblett sieht heute in George Floyd eine ähnliche Figur: "Es hat sich nicht so wahnsinnig viel geändert in meinem Land. Schwarze Menschen werden nach wie vor ohne Grund getötet. Floyds Tod hat heute die Menschen genauso empört und entsetzt wie damals der Tod von Till - deshalb gehen sie heute erneut auf die Straße.", sagt er und fügt hinzu: "Aber es ist wichtig, John Lewis Worte dabei im Kopf zu behalten: Er hat uns beigebracht, den Protest als gewaltlose Aktion anzugehen. Das ist sein wichtigstes Vermächtnis".
"Seid konstruktiv, nicht destruktiv"
Neblett trat 1961 dem Studentenbund Student Nonviolent Coordinating Committee (SNCC) in seiner Universität bei, der Southern Illionis University. Damals herrschte in den Südstaaten noch eine strikte Rassentrennung auf öffentlichen Plätzen, in öffentlichen Verkehrsmitteln, oder auch in Restaurants.
"Es war eine schreckliche, einfach unmenschliche Zeit" erzählt Neblett. "Wenn man damals in ein Restaurant ging, konnte man alles erwarten. Es konnte sein, dass Leute hereinkommen und dich einfach verprügeln, dich ins Gefängnis bringen - wir mussten es aber gewaltfrei auf uns nehmen. Eine der ersten Personen, die sich trotz gewalttätiger Übergriffe am eigenen Leib überzeugt von der Gewaltfreiheit zeigte, war John Lewis."
An Lewis Einstellung hat sich über die Jahrzehnte nichts geändert. Ende Mai schrieb Lewis inmitten der Proteste anlässlich des Mordes von George Floyd einen seiner letzten Tweets: "Ich kenne euren Schmerz, eure Wut, eure Verzweiflung." Aufruhr, Plünderungen und Brände seinen nicht der Weg. "Demonstriert. Steht auf. Geht wählen. Aber seid konstruktiv, nicht destruktiv."
"Bloody Sunday"
1965, als der berühmte Marsch von rund 600 Afroamerikanern, geführt von John Lewis, auf der Edmund-Pettus-Brücke in Selma, Alabama, stattfand, war Neblett auch dabei. "Als wir an diesem Tag in der Mitte der Brücke standen und ich all diese Sicherheitskräfte sah", erinnert sich Neblett, "da wusste ich, dass es großen Ärger geben würde, aber dass wir trotzdem weiter marschieren mussten. Einige gingen auf die Knie und beteten, ich hielt die Augen weit offen. Dann ging alles sehr schnell."
Aufnahmen von damals zeigen, wie die Polizei und die Truppen anfingen, friedliche Demonstranten mit ihren Stöcken zu schlagen. "Es war plötzlich ein blutiges Durcheinander. Man konnte nur hören, wie überall Leute schrien. Es war ein Massaker", erzählt Neblett, der mit kleineren Verletzungen davonkam.
John Lewis hingegen erlitt bei diesem Marsch schlimmste Verletzungen. Er lag noch Tage später auf der Intensivstation. Die Bilder von Polizisten, die auf ihn und andere Unbewaffnete einschlugen, entfachten eine politische Dynamik in den USA, die letztendlich politische Wahlen für Afroamerikaner nicht nur auf dem Papier möglich machte. Der Tag ging als "Bloody Sunday", als "Blutiger Sonntag" in die Geschichte ein.
Das Lied der Freiheit
Heute verfolgt Chuck Neblett voller Sorge die Proteste der vergangenen Wochen in Portland und die Reaktion der von US-Präsident Donald Trump entsandten Sicherheitskräfte darauf. "Trump schickt zunehmend Bundespolizisten in Staaten, in denen protestiert wird. Ich glaube, das wird noch richtig schlimm werden. Sogar schlimmer als 1965. Denn damals haben wir gegen Rassisten gekämpft, die keine direkte Unterstützung im Weißen Haus hatten. Heute ist es anders."
Neblett bezeichnet sich eigentlich als optimistischen Menschen, als Macher. Genau das hat er auch an John Lewis so bewundert. "Er predigte nicht nur, er agierte auch. Er ist deshalb mein Held im Kampf." In diesen Tagen gibt es ein Lied, an das er immer wieder zurückdenken muss, den "Freedom Song":
"Als ich jung war, kämpfte ich für Freiheit.
Als ich jung war, kämpfte ich gegen den Klan. (Ku-Klux-Klan, Anm. d. Red.)
Wer hätte gedacht, dass ich immer noch kämpfe,
Vierzig oder Fünfzig Jahre danach."
#Blacklivesmatter: Wo sind die Träume hin?
Black Power zwischen Hoffnung und Aufruhr. Mit der Aufbahrung von John Lewis im Kapitol in Washington wird einer Ikone der schwarzen Bürgerrechtsbewegung die letzte Ehre erwiesen. Der Kampf der Bewegung geht weiter.
Bild: Getty Images/Keystone
"Seid zuversichtlich und macht Ärger"
Die Projektion eines Fotos von John Lewis auf die Konföderiertenstatue in Richmond. Der am 17. Juli im Alter von 80 Jahren verstorbene Abgeordnete des Repräsentantenhauses gilt als Ikone des gewaltfreien Widerstandes. Er war 1963 beim "Marsch auf Washington" dabei und spielte bei der Beendigung der US-Rassentrennung eine Schlüsselrolle. Sein Motto: "Seid zuversichtlich und macht positiven Ärger."
Bild: picture-alliance/AP Photo/S. Helber
"Ohne Stimmrecht gibt es keine Hoffnung"
Amelia Boynton Robinson ist eine der wichtigsten Persönlichkeiten der US- Bürgerrechtsbewegung. Sie kämpfte für das Wahlrecht von Afroamerikanern. Bei den von ihr organisierten Protestmärschen von Selma nach Montgomery in Alabama, an denen sich auch John Lewis beteiligte, wurde sie am 7. März 1965 von der Polizei brutal zusammengeschlagen. Die Bilder vom "blutigen Sonntag" gingen um die Welt.
Bild: Getty Images/S. Lovekin
"Der richtige Mann und der richtige Ort"
Thurgood Marshall (hier ein Bild von 1957) war der erste afroamerikanische Richter am Obersten Gerichtshof der USA. Der 1908 in Baltimore geborene Jurist kämpfte erfolgreich gegen die getrennte Schulbildung von Schwarzen und Weißen. Nach seiner Ernennung zum Obersten Richter 1967 erklärte der damalige US-Präsident Lyndon B. Johnson, Marshall sei "der richtige Mann und der richtige Ort".
Sie schrieb Geschichte: Am 1. Dezember 1955 weigerte sich Rosa Parks, ihren Platz in einem öffentlichen Bus in Montgomery für einen Weißen zu räumen. Ihre Festnahme führte zu einem 385 Tage langen Bus-Boykott, der von Martin Luther King koordiniert wurde. Mit Erfolg: Am 13. November 1956 erklärte der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung in den Bussen von Montgomery für verfassungswidrig.
Bild: picture alliance/Everett Collection
"Ich habe das gelobte Land gesehen"
Martin Luther King am Tag seiner Ermordung am 4. April 1968 auf dem Balkon des Lorraine Motels in Memphis. Einen Tag zuvor hatte King die Rede "Ich war auf dem Berggipfel und habe das gelobte Land gesehen" gehalten, die im Nachhinein als Prophezeiung seines Todes gedeutet wurde. Neben ihm (v.l.n.r.) die Bürgerrechtler Hosea Williams, Prediger Jesse Jackson und Baptist Ralph Albertnathy.
Bild: picture-alliance/AP Photo
Botschafter von Carter und King
Andrew Jackson Young war dabei, als Martin Luther King in Memphis erschossen wurde. Er war in der US-Bürgerrechtsbewegung als Pastor und Direktor der "Southern Christian Leadership Conference" aktiv. 1976 ernannte Präsident Jimmy Carter ihn zum US-Botschafter bei den Vereinten Nationen. 1981 wurde der Anhänger Mahatma Gandhis zum Bürgermeister von Atlanta gewählt.
Bild: Getty Images/D. Oulds
"Wahlzettel oder Kugel"
Malcolm X war ein mächtiger Gegenspieler von Martin Luther King und lehnte gewaltfreien Widerstand ab. Regisseur Spike Lee verfilmte den atemberaubenden Werdegang des Bürgerrechtlers, brillant gespielt von Denzel Washington (rechts). Vom Wortführer der "Nation of Islam" wandelte sich Malcom X zu dessen schärfsten Kritiker. Am 21. Februar 1965 wurde er in New York City bei einem Vortrag ermordet.
"Glaube an die Verfassung"
Sie war die erste Afroamerikanerin, die eine Grundsatzrede auf der "National Convention" der US- Demokraten hielt: Barbara Jordan. Die Hochschullehrerin, Politikerin und Rechtsanwältin trat 1976 neben dem Astronauten John Glenn auf und galt als aussichtsreiche Vize-Präsidenten-Kandidatin. 1974 erklärte sie im Repräsentantenhaus: "Mein Glaube an die Verfassung ist allumfassend".
Bild: Getty Images/Keystone/Hulton Archive
Stimme für Bürgerrechte
13 Grammys und 40 Millionen verkaufte Platten: Die 1917 in einem New Yorker Vorort geborene Jazzsängerin Ella Fitzgerald war nicht nur ein musikalisches Phänomen. Sie bestand bei ihren Tourneen darauf, dass alle Musiker gleich behandelt werden. Am 15. März 1955 trat sie als erste schwarze Musikerin im "Mocambo Night Club" in Los Angeles auf - Marilyn Monroe hatte ihr zu dem Engagement verholfen.
Bild: Getty Images/Keystone
Wir, starke schwarze Frauen
Seit den 1960er-Jahren engagiert sich Autorin Alice Walker für die Bürgerrechtsbewegung. Mit gerade mal 17 Jahren nahm sie 1963 an dem "Marsch auf Washington" teil, wo Martin Luther King seine berühmte Rede "I have a dream" hielt. Zentrale Rolle in ihren Romanen spielt die Stärke schwarzer Frauen. Für ihr Buch "Die Farbe Lila" erhielt Walker 1983 als erste Afroamerikanerin den Pulitzer-Preis.
Bild: Getty Images/H. Brace
Wortgewaltig und rebellisch
Hier, auf der Trauerfeier für George Floyd, war er der Hauptredner: Al Sharpton. Der Baptist kandidierte mehrmals für die demokratische Partei bei Präsidentschafts- und Senatswahlen. Im November 2006 führte er einen Protestmarsch für den 23-jährigen Afroamerikaner Sean Bell an, der von der Polizei getötet worden war. Sein wortgewaltiger Einsatz gegen Rassismus ist in den USA allerdings umstritten.
Bild: picture-alliance/dpa/C. Gonzalez
Kings of Hope
Der scheidende Präsident Barack und Noch-First-Lady Michel Obama im Januar 2017 beim Besuch einer Washingtoner Obdachlosenunterkunft. Mit letzten Pinselstrichen vollenden sie ein Wandgemälde, das Martin Luther King zeigt. Die Obamas waren das erste schwarze Präsidentenpaar im Weißen Haus. Doch der Tod des Afroamerikaners George Floyd zeigt: Die USA haben auch 2020 immer noch ein Rassismus-Problem.