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Johnson: "Ich hätte nichts anders gemacht"

Daniel Pelz, Hilke Fischer (Übersetzung)8. Juli 2014

Hilde Johnson hat die UN-Mission im Südsudan seit der Unabhängigkeit des Landes bis jetzt geleitet. Im DW-Interview spricht sie über die besondere Rolle der UN im Bürgerkrieg und das Ende ihrer Amtszeit.

Hilde Johnson Foto: CHARLES ATIKI/AFP/Getty Images
Bild: Charles Atiki/AFP/Getty Images

DW: Nach drei Jahren im Südsudan haben Sie am Montag (07.07.2014) Ihr Amt als UN-Sonderbeauftragte niedergelegt. Während Ihrer Amtszeit hat der Südsudan seine ersten Schritte als unabhängiger Staat gewagt und ist in einem bewaffneten Konflikt versunken. Mit welchen Gefühlen verlassen Sie das Land?

Hilde Johnson: Natürlich mit gemischten Gefühlen. Einerseits wäre es schön gewesen, ein stabiles Land zu verlassen, in dem es vorangeht und das sich zu einer Erfolgsgeschichte entwickelt. Aber davon sind wir gerade weit entfernt. Der Konflikt dauert inzwischen sechs Monate an und obwohl beide Seiten am zehnten Juni ein Waffenstillstandsabkommen unterzeichnet haben, sehen wir immer noch nicht die Stabilität, die wir uns wünschen.

Auf der anderen Seite waren es eben drei Jahre und das ist für einen UN-Sonderbeauftragten schon außerordentlich lang. Es waren zum Teil schwere Zeiten, die sehr herausfordernd waren, und es ist schon erleichternd, zu wissen, dass man sich bald davon erholen kann.

Wenn Sie jemand vor dem Ausbruch der Gewalt im Dezember 2013 gefragt hätte, ob so etwas Ihrer Meinung nach passieren könnte - was hätten Sie gesagt?

Als ich mit der Unabhängigkeit des Südsudans im Jahr 2011 das Amt annahm, wusste ich, dass es nicht einfach werden würde. Ich war auf sehr herausfordernde Zeiten eingestellt. Aber ich denke, keiner von uns hätte das, was ab dem 15. Dezember geschah [ein angeblicher Putschversuch von Militär um Ex-Vizepräsident Machar schlägt in einen Bürgerkrieg zwischen den Kräften um Präsident Salva Kiir und Machar um, Anm.d.Red.], voraussehen können. Wir haben dem UN-Sicherheitsrat berichtet, dass sich das Land am Scheideweg befindet. Es hätte in die richtige Richtung gehen können, aber die Dynamiken innerhalb der regierenden SPLM waren dafür entscheidend. Wir wussten: wenn diese in die falsche Richtung laufen sollten, würde es sehr schwierig werden. Im Dezember gingen wir davon aus, dass es zu Gewalt kommen könnte. Aber keiner von uns hätte das Ausmaß, den Umfang und die Geschwindigkeit, mit der die Ereignisse vom 15. Dezember an ihren Gang nahmen, voraussagen können. Ich kenne im gesamten Südsudan niemanden, der so etwas erwartet hätte.

Die südsudanesische Regierung hat die UN wiederholt scharf kritisiert. Demonstrationen in Südsudans Hauptstadt Juba haben sich sogar gegen Sie persönlich gerichtet. Der Vorwurf an die UN ist, in diesem Konflikt nicht neutral zu sein und den Rebellen Unterschlupf zu gewähren. Wenn Sie an diese schwierigen Zeiten zurückdenken - gibt es etwas, was Sie anders gemacht hätten?

Nein, ich hätte nichts anders gemacht. Wir haben beschlossen, unsere Tore für tausende schutzsuchende Zivilisten zu öffnen. Wir haben ihnen Schutz gegeben. Wir glauben, dass wir dazu beigetragen haben, den Teufelskreis der Gewalt einzudämmen, der völlig außer Kontrolle hätte geraten können. Gleichzeitig haben wir zigtausenden Menschen das Leben gerettet. Ich würde niemals sagen, dass das eine falsche Entscheidung war. Es hat natürlich eine Reaktion provoziert, aber es war die richtige Entscheidung. Die Anschuldigungen, zu denen es dann von Seiten der Regierung kam, waren so weit hergeholt, lächerlich und gegenstandslos, dass es keinen Grund gab, sie ernst zu nehmen.

Viele ehemalige UN-Sonderbeauftragte in anderen Konflikten, beispielsweise im Mittleren Osten, haben Kritik durch die gastgebende Regierung erfahren. Die UN-Mission ist eine beliebte Zielscheibe, wenn etwas passiert. Ich wurde von beiden Seiten kritisiert - auch von Rebellenführer Riek Machar und seinen Leuten - also habe ich wahrscheinlich etwas richtig gemacht. Wir sind unparteiisch geblieben und haben uns nicht auf die Seite einer Konfliktpartei geschlagen. Unsere Loyalität galt immer nur der leidtragenden Bevölkerung, die unseren Schutz gesucht hat.

Rund 100.000 Menschen haben sich in die Obhut der UN geflüchtetBild: Tony karumba/AFP/Getty Images

Haben Sie genug Unterstützung von der Internationalen Gemeinschaft bekommen?

Wir hatten wirklich mit enormen Herausforderungen zu kämpfen, als wir diese unglaublich hohe Zahl an Binnenflüchtlingen bei uns auf dem Gelände hatten. So etwas ist zum ersten Mal in der Geschichte der UN-Friedensmissionen passiert. Wir haben mehr als 100.000 Menschen Schutz gegeben, momentan befinden sich noch immer rund 95.000 Flüchtlinge auf UN-Gelände. Das ist eine riesige Herausforderung und der Schutz der Camps hat nahezu all unsere Ressourcen vereinnahmt.

Wir sind komplett überlastet. Wir brauchen wesentlich mehr Soldaten, um die Lage in den Griff zu kriegen und um auch die Menschen beschützen zu können, die nach wie vor in ihren Dörfern sind. Das Mandat des Sicherheitsrats hat uns mehr Soldaten und Polizisten versprochen. Nach fünf Monaten haben wir gerade einmal ein Fünftel der versprochenen Truppen erhalten. Mit der neuen Resolution des Sicherheitsrates vom 27. Mai bekommen wir jetzt mehr Ressourcen aus der Region, von den IGAD-Staaten. Ich hoffe sehr, dass spätestens bis September alle versprochenen 12.500 Blauhelme im Land sein werden. Das würde bereits helfen, aber auch dann haben wir immer noch große Probleme, was Mobilität, Logistik und externe Unterstützung angeht.

Die UN-Mission ist eine Sache, die Menschen im Südsudan eine andere. Sie brauchen dringend mehr humanitäre Hilfe. Wir stehen möglicherweise vor einer Hungersnot, die die Region in einem derartigen Ausmaß noch nicht erlebt hat. Die Geber müssen sich der Herausforderung stellen und ihre Versprechen einlösen. Wir benötigen noch viel mehr Unterstützung. Das ist unbedingt notwendig, um Leben zu retten.

Wie wahrscheinlich ist ein baldiger Frieden im Südsudan?

Die Tatsache, dass die Staatsoberhäupter der IGAD-Länder so standhaft sind und sich mittlerweile so gut koordinieren, ist absolut entscheidend und notwendig. Ihr Kommuniqué vom 10. Juni setzt eine 60-tägige Frist für die Aufnahme eines Dialogs und die Bildung einer Übergangsregierung. Das ist eine sehr gute Entwicklung. Enge Zeitpläne sind nötig, um zu einer Übereinkunft zu kommen. Beide Konfliktparteienhaben sich zu diesem Zeitplan verpflichtet. Dennoch gibt es eine Reihe von Verzögerungstaktiken beider Seiten. Internationaler Druck ist entscheidend, damit der Zeitplan eingehalten wird. Er muss auch danach aufrechterhalten werden. Dann ist es möglich, den Friedensprozess zu einem erfolgreichen Ende zu führen - in welchem zeitlichen Rahmen das passieren kann, ist aber sehr schwer zu sagen. Das hängt von einer konsequenten und kohärenten Strategie ab, aber auch von politischem Druck aus der Region und der gesamten Internationalen Gemeinschaft.

Hilde Johnson war bis zum 07. Juli 2014 UN-Sonderbeauftragte für den Südsudan. Von 2001 bis 2005 war die 50-jährige Entwicklungsministerin in ihrer Heimat Norwegen.

Das Interview führte Daniel Pelz.

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