1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Johnsons Parlamentspause lässt Gegner heiß laufen

29. August 2019

In London und in Edinburgh wurden rechtliche Schritte gegen die Maßnahme von Großbritanniens Premier Boris Johnson eingeleitet. Zudem kehren ihm weitere Parteifreunde den Rücken. Die Labour-Partei ist sowieso auf 180.

Der britische Premier Boris Johnson (Foto: Reuters/D. Martinez)
Bild: Reuters/D. Martinez

Die Debatten über ein Misstrauensvotum gegen Boris Johnson und vorgezogene Neuwahlen reißen nicht ab. Sie habe eine "dringende juristische Überprüfung" der Zwangspause beantragt, sagte die Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller der BBC. Die von Johnson erwirkte verlängerte Parlamentspause sei "illegal". Die Geschäftsfrau hatte schon 2017 einen juristischen Erfolg im Ringen um den Brexit errungen: Mit einer Klage erzwang sie, dass Johnsons Vorgängerin Theresa May das britische Parlament in den Prozess zur Vorbereitung des EU-Austritts einbeziehen musste.

Will juristische Überprüfung der Parlamentspause: Anti-Brexit-Aktivistin Gina Miller Bild: picture-alliance/NurPhoto/A. Pezzali

Zudem beantragten 75 Unterhausabgeordnete aus Schottland eine Überprüfung der Zwangspause für das Parlament in London durch das höchste schottische Zivilgericht. Schließlich gab Boris Johnsons beliebte Parteifreundin Ruth Davidson - seit 2011 an der Spitze der Konservativen in Schottland - vor dem Hintergrund des Tauziehens ihren Rücktritt bekannt. In einer Twitter-Kurzbotschaft nannte sie vor allem persönliche Gründe für den Schritt, erwähnte aber auch den Brexit-Konflikt. Der Rücktritt der 40-Jährigen ist für die schottischen Konservativen ein herber Verlust. Unter der Führung Davidsons konnten sie bei der Parlamentswahl 2017 massiv zulegen und 31 Mandate erobern.

"Boris bereitet sich auf eine Wahl vor"

Während bei dem britischen Referendum über einen EU-Austritt im Juni 2016 landesweit 52 Prozent der Bürger für den Brexit stimmten, votierten in Schottland 62 Prozent für die EU-Mitgliedschaft. Auch Davidson setzte sich für den Verbleib in der EU ein. Nach der Abstimmung sprach sie sich wiederholt dafür aus, die EU nicht ohne Abkommen zu verlassen.

Tritt ab: Ruth Davidson, bislang Chefin der Tories in Schottland Bild: picture alliance / empics

Widerstand gegen Johnson regte sich auch bei weiteren Konservativen. Der Vertreter der Regierung im Oberhaus, George Young, trat aus Protest gegen den Kurs des Premierministers von seinem Amt zurück. Und der konservative Abgeordnete Ken Clarke mutmaßte, Johnson lege es bewusst auf ein Misstrauensvotum an. "Boris bereitet sich offenkundig auf eine Wahl vor."

Die Zahl der Unterzeichner der erst am Mittwoch gestarteten Online-Petition gegen die Zwangspause stieg unterdessen auf mehr als 1,3 Millionen. In Großbritannien kann jede Petition, für die mehr als 100.000 Unterschriften zusammenkommen, zum Anlass einer Parlamentsdebatte werden.

Johnson hatte dem Parlament in London zwei Monate vor dem geplanten Brexit eine Zwangspause verordnet. Königin Elizabeth II. stimmte am Mittwoch einem Antrag Johnsons zu, die traditionelle Parlamentspause bis zum 14. Oktober zu verlängern. Die Entscheidung gibt den Abgeordneten deutlich weniger Zeit als von ihnen gewünscht, um einen ungeregelten Brexit zu verhindern. Viele Parlamentarier und Bürger reagierten erzürnt, sprachen von "Skandal" und warfen Johnson vor, das Parlament und die Demokratie aushebeln zu wollen. In London, Manchester, Edinburgh und anderen Städten gab es Demonstrationen.

"Lasst das Volk die endgültige Entscheidung treffen"

Auch der Labour-Politiker Hilary Benn nannte die Unterbrechung der Parlamentsarbeit "völlig inakzeptabel." In einem Interview der Deutschen Welle betonte Benn, das Referendum von 2016 habe der Politik kein Mandat für einen No-Deal-Brexit gegeben. Zugleich forderte der frühere Minister eine zweite Volksabstimmung. "Der einzige Ausweg ist, zum britischen Volk zurückzukehren, lasst das Volk die endgültige Entscheidung treffen", sagte Benn der DW. 

Will ein zweites Referendum: Labour-Politiker Hilary Benn Bild: picture-alliance/empics/PA Wire/D. Lawson

Bislang strebt die oppositionelle Labour-Partei eine Notfall-Debatte kommende Woche im Parlament an. Der Handels-Experte der Partei, Barry Gardiner, sagte dem Sender Sky, dies könnte den Weg zu einem Gesetz gegen einen Brexit ohne Vertrag öffnen. Der Labour-Haushälter John McDonnell erklärte in einer Rede, seine Partei behalte sich ein Misstrauensvotum vor und würde eine Neuwahl des Parlaments begrüßen. Die Abgeordneten treten nächsten Dienstag nach der Sommerpause wieder zusammen. Auf Wunsch der Regierung soll dann frühestens am 9. und spätestens am 12. September eine weitere Sitzungspause beginnen, die bis zum 14. Oktober verlängert wurde.

"Weder die Courage noch den Grips"

Die Unterstützer von Johnson zeigen sich von der Kritik bisher unbeeindruckt. Der konservative Abgeordnete Jacob Rees-Mogg, etwa rief die Gegner eines Brexits ohne Vertrag auf, doch die Regierung zu stürzen oder aber ein Gesetz auf den Weg zu bringen, durch das ein ungeregelter Ausstieg aus der Europäischen Union ausgeschlossen werden soll. Rees-Mogg: "Wenn sie weder die Courage noch den Grips haben, eines von beiden zu tun, dann werden wir am 31. Oktober in Übereinstimmung mit dem Referendum austreten."

sti/AR (afp, dpa, rtr)

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen