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Great Barrier Reef in Gefahr

Irene Quaile29. August 2014

Australiens berühmtes Riff leidet unter Verschmutzung und Klimawandel. Baggerarbeiten für einen neuen Kohlehafen bringen das Naturwunder noch weiter in Gefahr, sagt der ehemalige Leiter der Riffschutzbehörde Jon Day.

Great Barrier Reef
Bild: imago/CHROMORANGE

DW: Die australischen Behörden haben die Erlaubnis erteilt, Schlamm von den Ausbaggerungsarbeiten für einen neuen Kohlehafen in das Meeresschutzgebie zu kippen. Welche Auswirkungen wird das auf das Great Barrier Reef haben?

Jon Day: Der Hafen Abbot Point in Queensland ist nur ein Teil der geplanten Erweiterungen. Hier könnte der größte Hafen der südlichen Hemisphäre entstehen. Es wird über eine große Expansion gesprochen, die beides, sowohl das Ausbaggern als auch das Einkippen von Baggergut in diesem Reservat erlaubt. Es ist bekannt, dass dies Auswirkungen haben wird. Neuere Forschungen belegen, dass der Schlamm Korallen und Seegraswiesen erstickt. Und der Schlamm kann viel weiter ins Meer getragen werden als bisher angenommen.

Aber die Behörde, für die Sie gearbeitet haben, hat diese Erweiterung genehmigt?

Das hat sie, im Rahmen eines sehr komplexen Prozesses. Aber meiner Meinung nach wurden die Alternativen zum Einkippen ins Meer nicht ernsthaft geprüft. Die Kosten wurden nicht richtig ermittelt. Selbst wenn die Alternativen teurer wären – es geht hier schließlich um das Weltkulturerbe. Man hat auch nicht berücksichtigt, dass der Druck auf das Riff bereits durch andere Faktoren sehr stark ist. Manche Probleme resultieren aus der Vergangenheit. Andere sind aktuell, wie zum Beispiel der Klimawandel. Man muss das alles in Betracht ziehen, wenn wir die Auswirkungen der geplanten Aktivitäten auf die Meeresumwelt einschätzen.

Also leidet das Great Barrier Reef schon stark unter anderen Faktoren?

Absolut. Viele von ihnen treten schon seit Jahrzehnten oder länger auf. Nehmen Sie zum Beispiel den Bergbau vor über hundert Jahren. Die dort verrichteten Arbeiten verursachen noch heute Verschmutzungen von Flüssen, die dann in das Meeresschutzgebiet fließen. Seit einiger Zeit hat auch die Landwirtschaft entlang der Küste von Queensland einen starken Einfluss auf das Ökosystem des Meeres. Die Viehwirtschaft belastet zum Teil den Boden. Zur Schädlingsbekämpfung auf Zuckerrohrplantagen werden sowohl Herbizide und Pestizide als auch Dünger eingesetzt. Diese Schadstoffe gelangen in die Flüsse und somit ins Meer, wo sie die Meeresumwelt stark schädigen.

Jon Day - ehemaliger Leiter der RiffschutzbehördeBild: DW/I. Quaile

Im Jahre 2009 legten wir einen ausführlichen Bericht vor, der vier kritische Probleme für das Riff identifizierte: Klimawandel, die Wasserqualität, Baumaßnahmen an der Küste und nicht-nachhaltige Fischerei. Die Agentur, für die ich bis vor kurzem arbeitete, hat gerade einen aktualisierten Bericht veröffentlicht. Er zeigt, dass diese Probleme auch heute noch das Riff bedrohen. Dazu kommen dann Entwicklungen wie die Zunahme im Schiffsverkehr, ein Bevölkerungswachstum und die steigenden Möglichkeiten der Freizeitaktivitäten auf und im Wasser. Die Wirkung und der Druck, der von all diesen Faktoren ausgeht, muss bei den Entscheidungen berücksichtigt werden.

Wurde schon etwas getan, um diese Probleme anzugehen?

Es passiert schon einiges auf allen Gebieten. Aber unter dem Strich ist der Druck durch all diese Faktoren so stark geworden, dass sich das Riff in eine negative Richtung entwickelt. Die australische Regierung und die des Bundesstaates Queensland arbeiten an vielen Fronten stark zusammen. Der Druck nimmt aber immer weiter zu. Die Gesamtwirkung sämtlicher Faktoren hat dazu geführt, dass die Gesundheit des Riffs stark leidet.

Das sind doch schlechte Nachrichten für ein Weltkulturerbe und ein Riff, das nicht nur für die Menschen in Australien sondern auf der ganzen Welt schon Kultstatus genießt?

Absolut. Es gibt kein anderes Weltkulturerbe, das eine größere Artenvielfalt als das Great Barrier Reef hat. Fangen wir mit der Größe an. Wenn Sie das Riff an die Küste der USA setzten, würde es von der kanadischen Grenze bis hinunter nach Mexico reichen. Zudem erstreckt es sich auch bis tief ins Meer hinein. Innerhalb dieses Bereiches bietet es eine erstaunliche Artenvielfalt und wir haben die Pflicht, sie der Welt zu bewahren. Ich sage nicht, dass das gesamte Riff total bedroht ist. Forschungsberichte zeigen, dass der nördliche Teil des Riffs einigermaßen gesund ist. Die südlichen zwei Drittel allerdings, vor allem in den küstennahen Bereichen, leiden sehr unter dem Einfluss von Menschen und ihren Aktivitäten. Das ist der Bereich, den wir schützen und wieder herstellen müssen.

Die UNESCO hat darauf hingewiesen, dass der Weltkulturerbe-Status durch die Baggerarbeiten für den Kohlehafen bedroht sein könnte. Wie viel Einfluss hat dies?

Australien hat die UNESCO-Konvention unterzeichnet. Wenn das Riff auf die Liste der gefährdeten Stätten gesetzt würde, hätte das schon große Bedeutung. Die Tourismusindustrie wäre überhaupt nicht glücklich. Es ist natürlich auch möglich, von der Liste wieder heruntergenommen zu werden, wenn geeignete Maßnahmen unternommen werden. Die Aufnahme würde aber signalisieren, dass die internationale Gemeinschaft sehr besorgt ist. Die ganze Welt hat ein Interesse daran, das Riff für zukünftige Generationen zu schützen. Das könnte bedeuten, dass bestimmte Aktivitäten weiter eingeschränkt werden müssten.

Sie sagen, dass der Klimawandel eine Gefahr für das Riff ist. Zur gleichen Zeit aber sollen die neusten Erweiterungen des Hafens die Kohleindustrie Australiens unterstützen. Ist das nicht ein Widerspruch?

Da sprechen Sie einen sehr wichtigen Punkt an. Aber diese Frage muss ich an die Politiker weiterreichen. Viele Menschen glauben, dass der Klimawandel noch nicht stattfindet. Tatsächlich können wir aber heute schon Anzeichen des Klimawandels im Riff sehen. Nehmen Sie die Schildkröten, die an den Stränden nisten. Das Geschlecht des Nachwuchses wird durch die Temperatur des Sandes bestimmt. Die ansteigende Sandtemperatur bedeutet, dass wir innerhalb von 20 Jahren im nördlichen Barrier Reef fast nur noch weibliche Schildkröten haben werden. Ebenso gibt es Auswirkungen auf den Lebensraum der Seevögel. Aufgrund der ansteigenden Meerestemperatur tauchen die Fische tiefer. Das erschwert die Futtersuche der Vögel und die Versorgung der Jungtiere.

Ein weiteres Beispiel ist die Menge an Wirbelstürmen und Extremwetterereignisse. In den letzten sechs bis acht Jahren haben wir eine Reihe von sehr intensiven Wirbelstürmen über dem Riff gehabt, die starke Auswirkungen hatten. Das ist nichts Unnatürliches. Aber in dieser intensiven Form konnten wir es bis dahin nicht beobachten. Nun, der Klimawandel ist auf jeden Fall ein Problem und wir wissen, dass es nicht besser wird. Die Versauerung des Meeres wird einen großen Einfluss auf die vielen Arten und Lebensräume im Meer haben. Dies sind Dinge, die passieren, und von denen wir wissen, dass sie sich sehr wahrscheinlich verschlimmern. Aber wir beziehen sie nicht in unsere Entscheidungen mit ein.

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