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Jordanien und Saudi-Arabien als Verteidiger Israels?

18. Juni 2025

Während des laufenden israelisch-iranischen Konflikts schießen Jordanien und Saudi-Arabien über ihrem Luftraum Raketen aus dem Iran ab. Innenpolitisch birgt das Zündstoff. Warum tun sie es trotzdem?

Der israelische Iron Dome fängt über Tel Aviv Raketen aus dem Iran ab
Der israelische Iron Dome fängt über Tel Aviv Raketen aus dem Iran abBild: Menahem Kahana/AFP

Die Position der 21 Staaten aus Nahost, Afrika, Pakistan und der Türkei  ist deutlich: In einer gemeinsamen, Anfang der Woche veröffentlichten Erklärung bringen sie ihre "kategorische Ablehnung und Verurteilung der jüngsten Angriffe Israels auf die Islamische Republik Iran seit dem 13. Juni 2025" zum Ausdruck. Israel müsse seine "Feindseligkeiten" gegen den Iran einstellen. Zudem äußerten sie "große Besorgnis über diese gefährliche Eskalation, die schwerwiegende Folgen für den Frieden und die Stabilität der gesamten Region zu haben droht."

Zu den Unterzeichnerstaaten gehören auch Jordanien und Saudi-Arabien. Doch dies hindert beide Staaten nicht daran, zumindest indirekt in den israelisch-iranischen Konflikt einzugreifen. Sowohl Jordanien als auch Saudi-Arabien haben aus dem Iran in Richtung Israel fliegende Raketen über ihrem jeweiligen Luftraum abgeschossen. Das jordanische Militär hat das in einer eigenen Stellungnahme bestätigt.

Von einer vergleichbaren Erklärung Saudi-Arabiens ist zwar nichts bekannt. Unter Experten gelten entsprechende Aktionen allerdings als ausgemacht.

Innenpolitisches Spannungsfeld

Mit dieser Politik treten die beiden Staaten vor allem innenpolitisch in ein Spannungsfeld. Denn in den Bevölkerungen beider Länder herrscht traditionell eine gewisse Abneigung gegen Israel. Das gilt besonders für Jordanien, dessen Bevölkerung sich bis zu 60 Prozent aus Menschen zusammensetzt, die entweder selbst oder deren Vorfahren aus den heutigen palästinensischen Autonomiegebieten stammen.

Entsprechend schwierig ist es für das Königshaus in Amman, den Abschuss iranischer Raketen im jordanischen Luftraum zu legitimieren. Darum berufen sich der König und die Streitkräfte auf das Prinzip der Selbstverteidigung. Demnach darf der jordanische Luftraum von fremden Staaten wie dem Iran nicht ohne Genehmigung durchquert werden. "Diese Botschaft - 'wir verteidigen uns durch die Abschüsse nur selbst' - wird auf allen Kanälen wiederholt", sagt Edmund Ratka, Leiter des Büros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Amman.  

Mit Blick auf die innenpolitische Lage verweist Ratka auf den Umstand, dass Jordanien nach der Aushebung einer Terrorzelle die islamistische Bewegung der Muslimbruderschaft im April verboten hatte. Mit dem Verbot hatte Jordanien wahrscheinlich auf eine zunehmende Radikalisierungsbereitschaft insbesondere unter Teilen der jüngeren Bevölkerung reagiert. Umso mehr dürfte es der Regierung nun darauf ankommen, den Abschuss iranischer Raketen nicht als Akt der Solidarität zu Israel darzustellen, sagt der Politikwissenschaftler Stefan Lukas, Geschäftsführer des Analyse- und Beratungsunternehmens Middle East Minds. "Dennoch heizt die Entscheidung die Spannung zusätzlich an."

Ein von der Muslimbruderschaft organisierter Solidaritätsmarsch für die Menschen im Gazastreifen in Amman, Dezember 2023Bild: Laith Al-jnaidi/Anadolu/picture alliance

Darum wolle Jordanien auf keinen Fall als Land gesehen werden, das Israel verteidige, sagt Ratka. "Denn Israel wird in der jordanischen Bevölkerung überwiegend als Aggressor wahrgenommen." Das Gleiche gilt allerdings ebenso für den Iran. "Wir führen regelmäßig Umfragen in Jordanien durch. Und die zeigen seit Jahren, dass es in Jordanien keine große Sympathie für den Iran gibt. Denn der Iran gilt als Staat, der sich immer wieder in destabilisierender Absicht in arabische Angelegenheiten einmischt."

Eine pragmatische Entscheidung

Für seine Entscheidung, iranische Raketen abzuschießen, habe Jordanien ganz pragmatische Gründe, sagt Lukas unter Verweis auf das 2021 abgeschlossene Sicherheitsabkommen mit den USA. "Jordanien würde nicht so weit gehen, sich offen gegen die USA oder Israel zu stellen", sagt Lukas. "Denn dafür ist es von den USA und teils auch von Israel viel zu abhängig - finanziell ebenso wie sicherheitspolitisch." 

Grundsätzlich bringt sich die jordanische Staatsführung mit ihrer Argumentation in eine schwierige Lage. Denn wenn es ihr um den Schutz des nationalen Luftraums geht, müsste sie sich konsequenterweise auch gegen die Präsenz der israelischen Luftwaffen über ihrem Territorium wenden. 

Ein Land zwischen den Stühlen: Kronprinz Mohammed bin Salman im Gespräch mit US-Präsident Donald Trump, Riad, im Mai 2025Bild: Brian Snyder/REUTERS

Nach allem, was bekannt sei, verletzte Israel bei seinen Angriffen nicht den jordanischen Luftraum, sagt Ratka. "So kann die jordanische Staatsführung mit einigem Recht sagen, sie würde grundsätzlich jede Luftraumverletzung bekämpfen. Tatsächlich bekämpft sie aber nur die iranische."

Der Kurs Saudi-Arabiens

In einer heiklen Lage ist auch Saudi-Arabien. Bevor es die gemeinsame Erklärung der 21 arabischen und islamischen Staaten unterzeichnete, hatte Saudi-Arabien den Iran als "brüderlich" bezeichnet - ein rhetorisch sehr starkes Signal der Verbundenheit, dass das Land sonst nur in Richtung arabischer Staaten äußert.

Jenseits der offiziellen Rhetorik fahre Saudi-Arabien aber einen ganz anderen Kurs, sagt Stefan Lukas. "Inoffiziell beteiligt sich Saudi-Arabien durchaus an den Aktionen gegen den Iran."

Dieser Kurs gründet auf einer sicherheitspolitischen Kooperation, insbesondere im Bereich der Aufklärung. "Saudi-Arabien liefert Radardaten und toleriert den Zugang von israelischen Flugzeugen, insbesondere in seinem nördlichen Landesteil, über den die iranischen Raketen ja vor allem fliegen. Wir beobachten, dass sich Saudi-Arabien sehr kulant gegenüber Israel verhält", sagt Lukas. 

Zudem ist Saudi-Arabien seit Jahrzehnten in der Auseinandersetzung mit seinem Erzrivalen Iran auf den Schutz durch das US-amerikanische Militär angewiesen. Zwar haben sich die beiden Rivalen Saudi-Arabien und Iran zuletzt wieder angenähert, allerdings gilt das Verhältnis weiterhin als brüchig. Darum dürfte Saudi-Arabien im Zweifel derzeit auf den Schutz der USA setzen. 

Kersten Knipp Politikredakteur mit Schwerpunkt Naher Osten und Nordafrika
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