Jordaniens König löst Parlament auf
24. November 2009König Abdullahs Entscheidung kam plötzlich und ohne offizielle Begründung: Schon nach gut der Hälfte der insgesamt vier Jahre dauernden Legislaturperiode hat er beschlossen, die Abgeordneten zu entlassen und Neuwahlen für einen noch nicht näher genannten Termin auszurufen. Jordanische Medien werten diesen Schritt als Befreiungsschlag, und auch in der Bevölkerung scheint die Entscheidung überwiegend auf positive Resonanz zu stoßen: Bereits eine halbe Stunde nach Bekanntwerden der Entscheidung gab es zahlreiche begeisterte Reaktionen in verschiedenen jordanischen Internetforen.
Parlament ohne Rückhalt
Die 110 Abgeordneten des jordanischen Parlaments haben in der Bevölkerung zuletzt immer mehr an Zustimmung verloren. Ihnen wird Ineffizienz und die Verschleppung wichtiger Gesetzesvorhaben vorgeworfen. Außerdem sollen einige Parlamentarier auch in Korruptionsaffären verwickelt sein. Einige Oppositionspolitiker kritisierten jedoch, das Parlament werde nur aufgelöst, damit Jordaniens Regierung Gesetze auf Basis von Notstandsregelungen ohne Zustimmung von Abgeordneten durchwinken könne.
Auch die Regierung ist in der Kritik
Demgegenüber erklärten liberale jordanische Politiker, dass die Parlamentsauflösung auch eine größere Regierungsumbildung nach sich ziehen könnte, mit der König Abdullah die Rezession im Land wieder in den Griff bekommen will. Auch Premierminister Nader Al Dahabi wird Missmanagement vorgeworfen, weil Jordaniens Staatshaushalt zuletzt infolge der globalen Wirtschaftskrise Rekordschulden aufnehmen musste. Zuvor hatte das Land, dessen Wirtschaft von westlicher Entwicklungshilfe abhängig ist, Jahre lang relativ stabile Wachstumsraten verzeichnet, obwohl Jordanien seit Beginn des Irak-Krieges auch eine hohe Zahl von Flüchtlingen aus dem Nachbarland versorgen muss.
Wachsender palästinensischer Einfluss
Kontroversen um das jordanische Abgeordnetenhaus sind nicht neu. Schon im November 2007, bei den letzten Parlamentswahlen, hatte es erbitterten Streit gegeben. Denn erst kurz zuvor war das jordanische Wahlgesetz geändert worden. Die Zahl der Abgeordneten aus den palästinensisch dominierten Städten, die als islamische Hochburgen des Landes gelten, war herabgesetzt worden, dafür durften die ländlichen, hauptsächlich von Beduinen bewohnten Gegenden mehr Parlamentarier nach Amman schicken.
König Abdullah versucht schon seit längerer Zeit, islamistische Einflüsse im jordanischen Parlament zurückzudrängen. Er hatte nach der Wahl Barack Obamas zum US-Präsidenten auf neue amerikanische Impulse im Nahostkonflikt gesetzt. Doch die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern stecken in einer Sackgasse, und das wirft auch einen Schatten auf Jordanien, in dem die Mehrheit der insgesamt sechs Millionen Einwohner palästinensische Wurzeln hat. Viele Jordanier fürchten, dass die Palästinenser dauerhaft in Jordanien bleiben, wenn sie nicht in ihre Autonomiegebiete zurückkehren können, und sind gegen den wachsenden politischen Einfluss der Palästinenser in ihrem Land.
Der jordanischen Verfassung zufolge hätte die Regierung nun vier Monate Zeit, um einen Termin für Neuwahlen festzulegen. Jordaniens König hat aber die Möglichkeit, diese Wahlen auch auf einen späteren Termin zu verschieben.
Autor: Thomas Latschan (afp, ap, rtr)
Redaktion: Anne Allmeling