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Politik

Italien als "Schicksalsfrage Europas"

31. Mai 2018

Europa am Abgrund. Dieses Bild zeichnet der frühere deutsche Außenminister Joschka Fischer. Am Schicksal Italiens entscheidet sich für ihn die Zukunft des Kontinents. Auch deswegen müsse den Italienern geholfen werden.

Joschka Fischer
Bild: picture-alliance/dpa/R. Vennenbernd

Je nach politischer Flughöhe geht es in Italien gerade um eine Bankenkrise, eine Politikkrise oder gleich ums große Ganze der globalen Weltordnung. Fischer hat sich noch nie lange mit dem Klein-Klein der Tagespolitik aufgehalten. Für ihn geht es vor allem um eine Frage: Wie kann Deutschland seine finanzpolitische Stärke in politischen Einfluss transferieren? Doch dafür fehle vor allem Eines: die Strategie.

Der Bundestag hat Joschka Fischer eingeladen, um die Frage "Scheitert Europa?" auch jenseits seines Buches zu stellen. Dass dieses Schicksal drohen könnte, spricht der französische Staatspräsident Emmanuel Macron schon lange offen aus. Undenkbar immer noch, dass Angela Merkel sich an dieser Drohkulisse beteiligen würde. Doch ein amts- und schon immer angstbefreiter Joschka Fischer scheut sich nicht, den Teufel an die Wand zu malen.

Vor allem wirft er Merkels neuer Regierung eines vor: den "Fetisch" der schwarzen Null - wie Macron es jüngst genannt hat. Es sei ein Skandal, dass diese Bundesregierung immer noch nicht auf Macrons Sorbonne-Europa-Rede eine Antwort formuliert habe, wettert er und plaudert dann ein bisschen aus dem inner-europäischen Nähkästchen. In den langen Brüsseler Nächten "wurde dann Geld auf den Tisch gelegt, um Kompromisse zu eröffnen" - auch Kohl machte das nicht anders. Fischers nüchterne Analyse: Deutschland habe noch immer profitiert, wenn es für Europa Geld auf den Tisch gelegt habe. Mit der "Denkblockade 'die wollen nur unser Geld' wird Europa nichts", warnt der frühere Außenminister und stellt die Frage, ob Deutschland sich in der Sicherheitspolitik denn so anders verhalten habe, indem es immer gerne nahm - auch ohne Gegenleistung.

Wartet immer noch auf eine Antwort aus Deutschland: Frankreichs Staatspräsident MacronBild: Reuters/L.Marin

Fischer klang damals wie Macron heute

Die populistischen Verwerfungen in Europa - den Rückzug ins Nationale. Fischer kann für sich reklamieren, dass er schon im Jahr 2000, noch vor der EU-Erweiterung von 15 auf mittlerweile 28 Mitgliedsstaaten, auf eine "politische Neugründung" drang. Die klang schon damals im Kern wie Macron heute. Fischer sprach schon damals von einer "Avantgarde" der EU, einem "Gravitationskern" von Einzelstaaten, die enger zusammenarbeiten. Ohne auf die anderen zu warten und anstatt immer mehr Souveränität an Brüssel zu übertragen. Angesichts des "Drucks der Fakten" forderte er schon vor fast zwei Jahrzehnten eine verstärkte "Intergouvernementalisierung" anstatt oft unwillige Staaten dazu zu bewegen, mehr Souveränität an Brüssel zu übertragen. Auch ohne eine Marine Le Pen oder die rechtsgerichtete AfD im Bundestag brauchte Fischer wenig Fantasie um die Schmerzgrenzen der nationalen Bevölkerungen zu erahnen. Schon damals war er bereit, sich von der Idee einer immer enger werdenden Gesamt-EU zu verabschieden. Mittlerweile hat sich der Druck weiter erhöht - vor allem sind noch weitere gewichtige Fakten hinzugekommen.

Der "Einschlag des Kometen Trump"

Offen spricht Fischer vom "Einschlag des Kometen Trump", der nicht nur das Ende der globalen Ordnung sondern auch einen Kampf um die neue Spitzenposition bedeute. Es entscheide sich gerade, ob die Europäer noch selbst über ihre Lebensart, die Verbindung zwischen Marktwirtschaft und Rechtsstaat und ihren starken Sozialstaat bestimmen werden oder ob noch eine Entscheidung übrig bleibt: zwischen China und den USA. Dass Europa, Deutschland, sich am Ende nur noch zwischen den zwei Weltmächten entscheiden kann, das möchte er nicht erleben. Russland sieht er bereits als Verlierer im neuen globalen Spiel, das sich an der eigenen digitalen Innovationswilligkeit entscheiden werde.

Wohin geht die Reise der EU? Die Staats- und Regierungschef beim Gipfel in BrüsselBild: picture-alliance/dpa/D. Tatic/Bundeskanzleramt

Fischer ist kein Dogmatiker und zitiert auch gerne die Macht des Faktischen. Dazu gehört dann auch die Überlegung, dass Deutschlands Sparerei am Ende eh nichts nützen wird. Nicht wegen Italien oder einem deutschen Einknicken bei der Vergemeinschaftung von Schulden, denn…

"Was passiert in der nächsten Rezession, wenn Herr Trump von seinen Mitarbeitern vorgetragen bekommt:  So und so ist die Lage und es muss investiert werden. Und dann wird Herr Trump die Frage stellen: 'Wer kann denn?' Und dann wird die Antwort kommen "The Germans". Na, was glauben Sie, wo unser sauer Erspartes dann hingeht?"

Im  Angesicht dieses Szenarios stellt sich für den Weltbürger Fischer allein die Frage, wie Deutschland seine finanzpolitische Stärke in politischen Einfluss transferieren kann und was es bereit ist einzusetzen. Konkret könne Italien geholfen werden, wenn ein großes Investitionsprogramm wenigstens ins Gespräch gebracht würde – es gehe in der Politik doch auch darum, Signale zu geben.

So eines bekommt  er dann auch - nach fast zwei Stunden eindringlicher Debatte. Sein Handy klingelt. Der Klingelton ist Beethovens 9. Symphonie - die Europahymne.

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