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Politik

Europäer und Mann der klaren Worte

David Henneberger
10. September 2019

Josep Borrell ist eine gute Nachricht für Spanien und Europa. Der 72-Jährige Katalane wird neuer EU-Außenbeauftragter. Er besitzt das Format, Europa als eigenständige Stimme in der Welt zu etablieren.

Spanien Außenminister Josep Borrell
Bild: AFP/J. Soriano

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie: Josep Borrell, der Mann, der als neuer EU-Außenbeauftragter die EU in der Welt vertreten soll, kann ausgerechnet in sein Heimatdorf in Katalonien nicht mehr reisen. Zu groß sei dort der Hass auf ihn, beklagte er gegenüber der "Süddeutschen Zeitung" vor einigen Monaten. Borrell ist ein entschiedener Verfechter der Einheit Spaniens - das macht ihn für die katalanischen Separatisten zum Verräter. Für diese war bereits seine Berufung zum spanischen Außenminister durch Premierminister Pedro Sánchez im vergangenen Jahr ein Affront. Nun soll es einer der Top-Jobs in Brüssel werden.

Borrell hat in Stanford und Paris studiert, lebte eine Zeit lang in einem israelischen Kibbuz und kann über vier Jahrzehnte Arbeitserfahrung in spanischer und europäischer Politik vorweisen. An der intellektuellen Eignung und Weltläufigkeit, die das Amt des EU-Außenbeauftragten erfordert, zweifelt in Brüssel niemand. Eher wird sein fortgeschrittenes Alter als Hindernis gesehen; im kommenden Jahr wird Borrell 73 Jahre alt. Diplomatie als Kunst des geschliffenen Wortes und sublimer Botschaften - auch das ist seine Sache nicht immer.

Wichtige Eigenschaften in wegweisenden Zeiten

Doch um in strategisch wegweisenden Zeiten Europa als eigenständige Macht zwischen den USA und China zu etablieren und nebenbei noch dem ständig seine Grenzen auslotenden Putin entgegenzutreten, können klare Worte und Selbstbewusstsein nicht schaden. Kommissions-Präsidentin Ursula von der Leyen, EZB-Chefin Lagarde und schließlich Josep Borrell, unterstützt durch Macron und Merkel: Es hat sich hier ein starkes Team aus erfahrenen Vertretern geformt. Allerdings wird man genau hinschauen müssen, wie Borrell die innereuropäische Balance mit den spezifischen Interessen Ost- und Mitteleuropas gelingt.

Noch als Spaniens Außenminister: Borrell im Frühjahr im DW-Conflict Zone-Interview Bild: DW/F. Suyak

Hoffnung gibt es auch für die unter den verbliebenen Diktaturen in Lateinamerika leidenden Menschen; hier könnte Borrell als neuer EU-Außenbeauftragter den Druck auf die Unrechtsregime weiter erhöhen. So hat er maßgeblich die Anerkennung des venezolanischen Oppositionsführers Juan Guaidó als legitimer Übergangspräsident durch Spanien vorangetrieben. Seit jeher ist Spanien für Lateinamerika der wichtigste Player in Europa - was in Madrid an Positionen formuliert wird, findet sich häufig später in den Resolutionen des EU-Parlaments und der Politik europäischer Hauptstädte wieder.

Achse Berlin-Paris-Madrid

Jetzt greift Spanien nach mehr und auch dafür könnte Borrell zur rechten Zeit am rechten Ort sein. Durch den Brexit und die Entfremdung Italiens von Brüssel hofft man, die Achse Berlin-Paris um die Koordinate Madrid ergänzen zu können. Für Europa wäre das positiv. Die südeuropäischen EU-Mitgliedstaaten bekämen damit trotz großer innenpolitischer Herausforderungen endlich den soliden, proeuropäischen, multilateral orientierten Anwalt, den sie verdienen. Die Einbindung Portugals würde die iberische Halbinsel vollends zu einem dritten Kraftzentrum in Europa machen. Solide Haushalts- und Finanzpolitik gepaart mit liberaler Gesellschaftspolitik - mehr kann man sich auch in Europas Norden kaum wünschen. Borrell wird für Spanien in Europa werben, auch so wird man Premierminister Sánchez‘ Nominierung verstehen dürfen.

David Henneberger Spanien-Experte, Friedrich-Naumann-Stiftung
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