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KunstAfrika

Beuys-Kunstwerk geraubt: "Ein krimineller Akt"

23. Oktober 2020

Ein Künstlertrio stiehlt ein Kunstwerk von Joseph Beuys aus einer Kunstschau in Oberhausen. Die Leihgeber in Münster sind erzürnt - und viele Fragen offen.

Drei Mitglieder der Kunstguerilla "Frankfurter Hauptschule" tanzend auf einem Hochhausdach; sie lachen, einer hält eine Skulptur von Joseph Beuys - eine Zitrone und eine gelbe Glühbirne - nach oben
Mitglieder einer Kunstguerilla der "Frankfurter Hauptschule" brachten angeblich ein Beuys-Werk nach AfrikaBild: Frankfurter Hauptschule

Die "Capri-Batterie" von Beuys, ein kleines Kunstobjekt, stand in einer Ausstellung im Theater Oberhausen zu Ehren des Performers Christoph Schlingensief (1960-2010), der in der Ruhrgebietsstadt geboren wurde. Am 24. Oktober hätte der Regisseur und Aktionskünstler Schlingensief seinen 60. Geburtstag gefeiert. Verschmutzung. Körperzustände. Faschismus. Christoph Schlingensief und die Kunst", so der Titel der Schau.

Mitglieder der ″Frankfurter Hauptschule", eine selbsternannte Kunst-Guerilla, stiegen nachts in die Ausstellung ein, stahlen die ″Capri-Batterie", flogen nach Afrika und übergaben das Kunstwerk an Repräsentanten des Hehe-Stammes im Museum von Iringa in Zentral-Tansania. Sagen sie.

Einbruch im Museum: Die Künstlergruppe stiehlt eine Beuys-Skulptur, um sie nach Afrika zu bringen.Bild: Frankfurter Hauptschule

Was wirklich geschah, wird noch untersucht. Und es gibt viele Ungereimtheiten: Wie konnten Unbefugte in die verschlossenen Ausstellungsräume eindringen? Waren die Ausstellungsstücke nicht gesichert? Wer hatte Zugang zu der Ausstellung, wer verfügte über die Schlüssel?

Was die Polizei auch interessieren wird: Gehörten die drei Kuratoren Julian Volz, Marlena von Wedel und Daniela Duca, wie Theater-Intendant Florian Fiedler in einer ersten Stellungnahme schrieb, später aber korrigierte, ebenfalls dem Frankfurter Künstlerkollektiv an? Auch hat die "Frankfurter Hauptschule", was weitere Fragen aufwirft, ebenfalls Werke zu der Schau beigesteuert. 

Die Beuys-Leihgeber sind sauer

Münsteraner Museumschef Hermann Arnhold.Bild: Meike Reiners

"Bestürzt" über all das ist Hermann Arnhold, Chef des Münsteraner Museums für Kunst und Kultur, das dem Theater Oberhausen die Beuys-Arbeit als Leihgabe überlassen hat. "Das ist ein Hauptwerk aus unserer Beuys-Sammlung", so Arnhold zur Deutschen Welle, "wir machen uns große Sorgen!" Der Versicherungswert beträgt nach seinen Angaben zwischen 25.000 und 30.000 Euro.

Der Museumschef vergleicht die Tat von Oberhausen mit dem jüngsten Anschlag auf drei Berliner Museen, wo Unbekannte mehr als 60 Antiken mit einer öligen Flüssigkeit beschädigt haben. "Auch das hier war keine Kunstaktion", so Arnhold, "sondern ein krimineller Akt!"

Im Wesentlichen besteht das Beuys-Multiple - kein Einzelstück sondern ein Auflagenobjekt - aus einer gelben Glühbirne und einer Zitrone. ″Nach 1000 Stunden Batterie auswechseln", schrieb der Künstler Joseph Beuys seinerzeit in die Gebrauchsanweisung. 

Überrascht war die Theaterleitung in Oberhausen, als sie ihre Schlingensief-Ausstellung am Donnerstag (22.10.2020) eröffnen wollte - und das Beuys-Werk fehlte. Die Polizei wurde eingeschaltet, um eventuelle Spuren zu sichern.

Theaterchef fürchtet Imageschaden

Der Oberhausener Intendant Florian Fiedler befürchtet nun einen "Imageschaden für unseren Ruf als Kunstwerk-Verwahrer", wie er im Interview mit der Deutschen Welle sagt. Was nicht wirklich besorgt klingt: "Wir versuchen herauszufinden, ob das Kunstwerk womöglich noch in Deutschland ist", fügt er hinzu - was Zweifel an den Behauptungen der Künstler weckt.

Die Ausstellung, versichert er, sei mit einer Alarmanlage und einem aufwändigen Schließsystem gesichert gewesen. Möglicherweise habe sich in der Vorbereitungszeit jemand einen Schlüssel verschafft und kopiert.

Angebliche Übergabe der Beuys-Skulptur an ein Museum in Tansania.Bild: Frankfurter Hauptschule

In der Ausstellung, so Fiedler, stehe auch ein Fernseher, der frühere Aktionen der "Frankfurter Hauptschule" zeige. Die drei Kuratoren der Schau, stellt der Intendant klar, seien nicht Mitglieder des Frankfurter Künstlerkollektivs.

Stimmt nun, was die Kunstaktivisten in einer Bekenner-Mail mit Fotos und einem Videoclip behaupten? Demnach drangen sie am 18. Oktober 2020 in die Oberhausener Ausstellung ein. Und die Künstler hatten offensichtlich viel Spaß.

Das legt ein Youtube-Video nahe, das die vorgebliche "Kunstaktion" als lustigen Roadtrip inszeniert - vom nächtlichen Einstieg in dunkle Ausstellungsräume bis zur angeblichen Übergabe an ein Museum in Tansania. Seine eigentliche Botschaft verrät das Trio auch: Es gehe um das koloniale Erbe Deutschlands, gefordert wird die rückhaltlose Rückgabe von Kulturschätzen aus Afrika.

"Wird morgen ein Rembrandt für irgendeinen anderen Zweck geklaut?", fragt Museumschef Arnhold, "oder im Namen von Belarus ein Museum überfallen?" Die Künstler der "Frankfurter Hauptschule", kritisiert er, hätten eine Straftat begangen, nur um Öffentlichkeit herzustellen. "Damit haben sie eine rote Linie überschritten!" Als Gralshüter der Kunst müssten die Museen in diesem Punkt ganz klar sein. Da gebe es nichts zu verharmlosen. 

Das Theater Oberhausen: Ausnahmsweise auch mit Kunst bespieltBild: Anthony Palmer/Theater Oberhausen

Die Künstler hatten Spaß

Bei der Kunst-"Entführung" ließ es sich das Einbrecher-Trio offenbar gut gehen: Fußreflexzonen-Massage auf dem Flughafen, Party-Szenen im Hotel, Safari-Filme auf den Flugzeug-Monitoren unterstreichen den angeblichen Happening-Charakter.

Hätte der Fett-und-Filz-Künstler Beuys (1921-1986) daran seinen Spaß gehabt? Vielleicht: "Dass eine Künstlergruppe ein Werk von ihm aus einer Ausstellung klaut, es nach Afrika bringt, einem Museum dort schenkt und das Ganze als Kunst deklariert und damit zudem ein gesellschaftspolitisches Ziel verfolgt, das könnte ihm gefallen haben", vermuten Kritiker in den Feuilletons und Kunstmagazinen.

Liebte spektakuläre Kunst-Aktionen und Happenings: Der Künstler Joseph BeuysBild: zeroonefilm/Stiftung Musem Schloss Moyland/E. Puls/K. Lamberty

″Vielleicht hätte ihn nicht einmal gestört, wie nah das dafür verantwortliche Künstlerkollektiv am Schülerstreich entlang schrappt", mutmaßt die Frankfurter Allgemeine Zeitung. Und das Berliner Monopol-Magazin schreibt: "Beuys' poetische Zitronen-Skulptur in Geiselhaft für die Kolonialverbrechen zu nehmen und ihn nebenbei Nazi zu nennen, ist schon ziemlich bescheuert."

Vielleicht war ja alles Fake - der Einbruch, der lustige Ausflug nach Afrika, das Video. Mehr als Schmunzeln hat das Künstlerkollektiv nicht ausgelöst - im besten Fall. 

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