1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Joseph Beuys und der Nationalsozialismus

Gaby Reucher
3. April 2025

Joseph Beuys zählt zu den bekanntesten Künstlern der Nachkriegszeit, doch die Fassade scheint zu bröckeln: Seine Rolle im Nationalsozialismus wird kritisch hinterfragt.

Joseph Beuys
Wie stand Beuys zum Nationalsozialismus: War er Mitläufer? War er Nazi? Hat er sich von der NS-Zeit klar distanziert? Bild: Niklaus Stauss/akg-images/picture alliance

Joseph Beuys' künstlerische Arbeiten und Aktionen wurden schon zu Lebzeiten gefeiert und waren gleichermaßen umstritten. Er nutzte oft Filz und Fett als Material für seine Kunstwerke, beschäftigte sich mit Naturheilkunde und den Riten der Schamanen. Seine spektakulären Aktionen und Ideen prägten die Kunstszene in den 1960er bis 1980er-Jahren.

Strittig ist seit geraumer Zeit die Haltung des Aktionskünstlers zum Nationalsozialismus, zu Themen wie Auschwitz oder zu seiner Zeit als Kampfflieger der Luftwaffe im Zweiten Weltkrieg. Im Alter von 20 Jahren hatte sich Beuys 1941 freiwillig zum Militärdienst gemeldet. Später habe er sich nicht eindeutig vom Nazi-Regime distanziert, werfen ihm Kritiker vor. Beim Forschungsprojekt "Joseph Beuys und der Nationalsozialismus" setzt sich das Museum Schloss Moyland (in Nordrhein-Westfalen) auf ganz eigene Art und Weise mit dem Thema auseinander.

Schloss Moyland beherbergt neben Kunstwerken auch ein umfangreiches Archiv über Joseph BeuysBild: Peter Schickert/picture alliance

Beuys und das NS-Regime

Die Stiftung Museum Schloss Moyland besitzt mit rund 6.000 Arbeiten die weltweit größte Sammlung an Werken von Joseph Beuys, darunter Zeichnungen und Entwürfe für ein Denkmal im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau. "Beuys hat sich immer wieder sehr intensiv mit den Themen Zweiter Weltkrieg und Auschwitz beschäftigt, das ist vielen gar nicht so bewusst", meint Kurator Alexander Grönert. Doch diese Meinung teilen nicht alle. 

2021, als sich Beuys' Geburtstag zum 100. Mal jährte, hatte Grönert erlebt, dass es bei Podiumsdiskussionen zu diesem Thema beinahe zu Handgreiflichkeiten kam. Der Kunsthistoriker und ehemaliger stellvertretender Leiter des Museums Schloss Moyland Ron Manheim wirft Beuys in seinem Buch "Beim Wort genommen" vor, er habe sich nie kritisch mit dem NS-Regime und seiner Zeit als Soldat auseinandergesetzt. Der Autor und Beuys-Biograph Peter Riegel sieht Beuys als "ewigen Hitlerjungen", der sich auch nach dem Krieg noch in Kreisen ehemaliger Nazis bewegte.

Joseph Beuys 1942 in Uniform der LuftwaffeBild: Archiv Robert Lebeck

"Wir haben gemerkt, dass das Thema hochkontrovers ist", sagt Grönert und fordert, dass man sich auch mit Beuys' Kunst auseinandersetzen sollte bevor man sich eine Meinung bildet. In der Ausstellung "Auschwitz und der Zweite Weltkrieg im Werk von Joseph Beuys" will Grönert die Kunst von Beuys sprechen lassen.

Beuys und seine Kunst zu Auschwitz

Zu sehen sind 90 Arbeiten aus der Stiftungs-Sammlung im niederrheinischen Museum Schloss Moyland: darunter gemalte Bilder von Kampffliegern und angreifende Kriegsschiffe sowie die Entwürfe zum Mahnmal in Auschwitz. "Beuys hat erst nach dem Krieg angefangen, sich mit künstlerischen Mitteln vom Nationalsozialismus zu distanzieren", interpretiert Grönert.

Beuys' Entwurf für das Denkmal Auschwitz-Birkenau von 1957Bild: Maurice Dorren/Stiftung Museum Schloss Moyland

Nach dem Studium der Bildhauerei an der Düsseldorfer Kunstakademie hatte Joseph Beuys (1921 – 1986) in den 1950er-Jahren an vielen Wettbewerben und Ausschreibungen teilgenommen. Unter anderem bewarb er sich für die Errichtung eines Denkmals im NS-Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau.

Das Thema Auschwitz und Nationalsozialismus habe Beuys nach diesem Wettbewerb nicht mehr losgelassen, sagt Grönert. Im August 1981 hat sich der Aktionskünstler in einem Wohnwagen auf den Weg nach Łódź in Polen gemacht und einem Museum 700 eigene Arbeiten geschenkt. Das Ganze sei eine künstlerische Aktion gewesen, sagt Grönert. Die nennt Beuys "Polentransport 1981". Grönert sieht diese Aktion als eine Auseinandersetzung von Beuys mit den Deportationen der europäischen Juden und Jüdinnen in die Vernichtungslager der Nationalsozialisten, wie Auschwitz.

Das System Auschwitz

04:05

This browser does not support the video element.

Zweiter Weltkrieg: Hommage an Lidice

Auch sein Bewusstsein für die Zerstörungswut der Nazis drückt Joseph Beuys in Kunstaktionen aus. 1942 hat Hitlers Armee den 20 Kilometer westlich von Prag gelegene Ort Lidice dem Erdboden gleichgemacht und nahezu alle Bewohner umgebracht. Für die Nazis eine Vergeltung nach dem Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor für Böhmen und Mähren.

1967 - da war Beuys als Professor bereits bekannt - folgte er einem Aufruf zum Wiederaufbau des Ortes Lidice, initiiert von einem englischen Arzt. 25 Jahre nach der Zerstörung rief dieser Arzt unter anderem dazu auf, mit der Spende eines Kunstwerks die Gründung eines Museums in Lidice zu unterstützen. Mit seiner Beteiligung an dem Aufruf und der Museumsgestaltung erkenne Beuys "die deutsche Schuld an den Gräueltaten der Nationalsozialisten, der Wehrmacht und der SS an", meint Grönert. Für ihn sind Beuys' Aktionen in Tschechien und Polen Beispiele dafür, dass sich der Künstler mit seiner Kunst vom Nationalsozialismus distanziert habe.

Beuys Haltung zur NS-Zeit bleibt kontrovers

Doch Beuys ist nicht eindeutig zu interpretieren. Neben künstlerischen Aktionen wie in Tschechien und Polen gibt es verbale Äußerungen, die irritieren und schockieren. "Da spricht Beuys in späterer Zeit in einer Schule mit Schülern und sagt ohne Anlass, dass er in seiner Jugend eine schöne Schulzeit hatte und die Schulbücher damals viel wert waren." Für Grönert ist das eine unreflektierte Aussage. "Da ist man fassungslos und muss überprüfen, wie Beuys wirklich tickt."

Im sogenannten Laborraum des Museums sollen sich die Besucher selbst ein Bild machen. Ein Tisch mit Tablets, Büchern und Dokumenten lädt zur eigenen Recherche ein. In Videos hat Forschungsvolontärin Angela Steffen Wissenschaftler aber auch ehemalige Studierende zu Beuys befragt, um die kontroversen Meinungen abzubilden. "Schüler von ihm haben gesagt, wir wussten das, aber es ist für uns kein Thema. Für uns war Beuys ein hervorragender großartiger Lehrer in den 1960er und 1970er-Jahren an der Kunstakademie", so Kurator Alexander Grönert.

Der "Laborraum" wird auch über die Ausstellung hinaus im Museum bleiben. "Er steht mitten in der Ausstellung. Das ist wie der Stachel im Fleisch, der die Auseinandersetzung mit dem Thema anregen soll."

100 Jahre Beuys. Was vom Mythos bleibt

26:01

This browser does not support the video element.

Den nächsten Abschnitt Mehr zum Thema überspringen

Mehr zum Thema

Weitere Beiträge anzeigen