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Musik

Haydn und Mandela im Rheingau

Rick Fulker
9. Juli 2019

Eine Messevertonung von Haydn vermengt mit Freiheitsliedern aus Südafrika - so klingt der "Lange Marsch zur Freiheit". Ein besonderes Projekt in Eberbach - beim Rheingau Musik Festival, das noch bis Ende August läuft.

Junge Musikerinnen im Schwarz mit Kopfschmuck
Bild: RMF/Ansgar Klostermann

Leise Passagen aus dem Song "Ukuthula" entfalten ihren sanften Charme in der ganzen Länge der Basilika von Kloster Eberbach. Dann donnert das "Gloria" aus der Haydn-Messe wie ein Klangtsunami los, der über die massiven Steinwände hereinbricht.

Die Komposition aus dem Jahr 1798 mit dem Untertitel "Nelson-Messe" hat, historisch gesehen, mit Nelson Mandela nichts zu tun: Der Name weist auf einen Helden der napoleonischen Kriege hin, einen englischen Admiral namens Horatio Lord Nelson. Eine Messeaufführung immer wieder durch Stücke zu unterbrechen, die zwei Jahrhunderte später komponiert wurden, wirkt nur auf den ersten Blick befremdlich. Das Programm, das exklusiv für das Rheingau Musik Festival konzipiert wurde, füllte das Festivalmotto "Courage" auf einzigartige Weise aus.

Musikerziehung in den Townships

Mit dem Titel "Langer Marsch zur Freiheit" musizierte der Kammerchor Vocale Neuburg mit dem Bochabela String Orchestra aus Südafrika. Für seinen Gründer und Direktor Peter Guy war der Auftritt im Kloster Eberbach am 7. Juli "wohl der Höhepunkt in der Geschichte des Streichorchesters".

Für ihn schloss sich der Kreis: Vor 35 Jahren ging der Kontrabassist aus dem US-Bundesstaat Montana einer Musikkarriere in Deutschland nach - genauer gesagt: unweit von Eberbach, in der Stadt Wiesbaden - ehe es ihn nach Südafrika verschlug. Er spielte in diversen Orchestern, gab Musikunterricht. Bald nach dem Ende des Apartheid-Regimes in den 1990er-Jahren suchte Guy nach Möglichkeiten, Kindern in den verarmten Townships Zugang zur Musikerziehung zu verschaffen.

Zufrieden mit dem Ergebnis: Peter GuyBild: DW/R. Fulker

"Bochabela" hieß die Grundschule, in der Peter Guy seine Initiative 1997 im Alleingang begann, zunächst mit 18 Kindern. Daraus wurde das "Manguang String Programme", das heute mehr als 700 Schüler Musikunterricht ermöglicht.

"Passenderweise bedeutet 'Bochabela' übersetzt: 'Der Ort, an dem die Sonne aufgeht'", sagt Guy. "Unsere derzeitigen Lehrkräfte sind Vorbilder für die Kinder. Sie sind selber im System groß geworden und können die drei oder vier Sprachen sprechen, die man braucht, wenn man im Umkreis von 100 Kilometern in den Townships unterwegs ist."

Erfolgsgeschichten und Träume

In 22 Jahren hat das Programm Erfolgsgeschichten hervorgebracht: Nach seinem Magisterabschluss in Südafrika hat sich ein Musiker an der berühmten Juilliard-School in New York eingeschrieben. Andere sind Berufsmusiker in südafrikanischen Orchestern geworden.

Kammerchor "Vocale Neuberg" und das "Bochabela String Orchestra & Friends" bei der Probe im Kloster EberbachBild: DW/R. Fulker

Das zum Teil durch Spenden und Sponsoring finanziertes Unternehmen muss die Kinder außerhalb der Schulzeit erreichen. Ein Internat, so Guy, "bleibt einer meiner großen Träume."

Ist die Klassik in Südafrika ein Wachstumsgeschäft? "Gewiss", antwortet Guy. "In der ganzen schrecklichen Geschichte der Apartheid sagte die Regierung einst den Menschen: 'Wenn du weiß bist, kannst du Cricket spielen, wenn du schwarz bist, Fußball.' Klassik war für Weiße, Jazz für Schwarze. Jetzt möchten immer mehr junge Menschen klassische Instrumente spielen und sind damit nicht auf einen bestimmten Stil oder ein bestimmtes Genre beschränkt."

Man tanzt mit

Die Kinder werden erst einmal in größeren Gruppen, ohne Notenlesen, ausgebildet. Danach erfolgt der Unterricht in kleineren Gruppen beziehungsweise als Einzelunterricht. Die nicht akademische Herangehensweise spiegelte sich in der Körpersprache der Musiker während ihres Spiels im Kloster Eberbach wieder: Arme, Köpfe, Körper wippen, tanzen zum Rhythmus mit.

Das war auch ansteckend: Bald machten das die anderen mitspielenden Musikern nach, auch die Zuhörer an den Kirchenbänken wippten die Köpfe zu dem Beat der afrikanischen Lieder. Bei der Nationalhymne  "Nkosi Sikelel' I Afrika" (Herr, segne Afrika), stand das Publikum auf, und bei mehreren Zugaben tanzte eine Frau aus dem Publikum mit. 

Das Konzert begann mit einem langen Marsch der Musikerinnen und Musiker, leise singend, durch die BasilikaBild: RMF/Ansgar Klostermann

Beim Lied "Weeping" (Weinen), das vor Ende der Haydn-Messe zwischengeschaltet wurde, heißt es, "Die Bedrohung ist unter Kontrolle / Solange Frieden und Ordnung herrschen. / Ich werde verdammt sein, wenn ich einen Grund finde / Warum die Angst und das Feuer und die Waffen bleiben sollen."

Diese Botschaft passte dem Motto des diesjährigen Rheingau Musik Festivals: "Courage". Sie könnte auch als sinnbildlich für das Lebenswerk des Freiheitskämpfers und späteren südafrikanischen Präsidenten Nelson Mandela verstanden werden.

Und sie schien wie eine Stimmungsaufnahme in einem Land, wo gewaltige Probleme verbleiben, in dem aber ein mühseliger Freiheitskampf der Hoffnung gewichen ist. Mit dem entsprechenden Enthusiasmus in Form von Musik vermittelt, ist das eine optimistische Botschaft, die überall gebraucht wird und ankommt.

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