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Politik

Mit aller Macht an Kongos Spitze

Friederike Müller-Jung
18. Dezember 2016

Joseph Kabila müsste als Präsident abtreten, so will es das Gesetz. Aber er klammert sich an seinen Posten - und provoziert Proteste im ganzen Land. Viele befürchten neue Gewalt und Menschenrechtsverletzungen.

DR Kongo Nord Kivu Provinz
Proteste gegen die Verschiebung der Wahlen in der Stadt Goma im OstkongoBild: Getty Images/AFP/M. Mulopwe

Kein Fußball mehr, zumindest nicht in den nächsten vier Wochen. Die Regierung hat die Spiele der ersten Liga in der Demokratischen Republik Kongo unterbrochen - aus Angst vor Protesten und Gewalt in den Stadien. "Das zeigt, welche Panik innerhalb der Regierung herrscht", sagt Fred Bauma von der kongolesischen Bürgerbewegung Lucha. "Wir können nicht mehr zum Fußball, dürfen uns nicht mehr auf der Straße versammeln. Wir können eigentlich gar nichts mehr machen, gar nicht mehr richtig leben", sagt er im DW-Interview.

Trotzdem ruft seine Organisation zum Protest auf, wenn Kabila an diesem Montag nicht abtritt: Die Menschen sollen im ganzen Land auf die Straße gehen und symbolische Orte wie das Regierungsgebäude in Kinshasa besetzen, fordert die Organisation auf ihrer Internetseite. Andere Bürgerrechtsorganisationen rufen ebenfalls zu großangelegten Protesten auf - friedlich. Doch Bauma befürchtet, dass es dabei nicht bleiben wird: "Wenn es Demos gibt, dann werden die Armee und die Polizei versuchen, sie zu unterdrücken. Das könnte blutig enden." Außerdem fürchtet er, dass bewaffnete Gruppen von der instabilen Lage profitieren könnten. Dann drohten das reinste Chaos, Gewalt und Menschenrechtsverletzungen durch Regierung und Rebellengruppen, sagt Bauma. "Das müssen wir auf jeden Fall verhindern."

Tschüss, Kabila! Die Bürgerbewegung Lucha ruft im Internet zum friedlichen Protest auf

Letzte Chance für Verhandlungen

Vertreter von Regierung, Teilen der Opposition und der Zivilgesellschaft bemühen sich gerade darum, eine Lösung zu finden. Die kongolesische Bischofskonferenz leitet den "Dialog der letzten Chance" - so nennen Kongolesen und internationale Medien das Treffen. Die Zeit drängt: An diesem Montag ist Kabilas offiziell letzter Tag als Präsident, dann endet seine zweite Amtszeit. Ein drittes Mandat verbietet die Verfassung.

Doch der Präsident macht keine Anstalten, abzutreten. Wahlen für einen Nachfolger hat er nicht organisiert. Vor einigen Wochen beschlossen die Regierungspartei und ein kleiner Teil der Opposition, die Abstimmung auf das Frühjahr 2018 zu verschieben. Das Land sei aus organisatorischen Gründen zurzeit nicht in der Lage, die Wahlen abzuhalten, so die offizielle Begründung. Der große Teil der Opposition im Kongo ist gegen diese Vereinbarung. 

"Kabila tut alles, um an der Macht zu bleiben"

Am Donnerstagabend verkündete der Oppositionspolitiker Vital Kamerhe einen ersten Erfolg im "Dialog der letzten Chance": Man habe sich darauf geeinigt, die anstehenden Präsidentenwahlen zusammen mit Parlaments- und Provinz-Wahlen innerhalb derselben Woche abzuhalten, sagt er. Dadurch könnten sich die politischen Institutionen im Land komplett neu zusammensetzen. "Das ist ein großer Fortschritt", sagt Kamerhe. Doch einen Termin für diese Wahlen gibt es immer noch nicht. Er soll in den nächsten Tagen festgelegt werden. 

"Kabila tut alles, um an der Macht zu bleiben", sagt Analyst Phil Clark von der SOAS University of London. "Er zögert die Wahlen so lange wie möglich hinaus. Die meisten im Kongo erwarten, dass er die Verfassung ändert, um ein drittes Mal kandidieren zu können."

Gefeiert wie ein Popstar

Bei einem Auftritt vor dem Parlament Mitte November lässt sich Kabila feiern wie ein Popstar. Gut 45 Minuten redet er: dunkler Anzug, blaue Krawatte, die Haltung kerzengerade, der Blick entschlossen. "15 Jahre lang haben mir die Kongolesinnen und Kongolesen ihr Vertrauen und ihre uneingeschränkte Unterstützung geschenkt", betont Kabila. Er habe das Land zurück in die Weltgemeinschaft geführt - ein Land, das völlig am Boden gelegen habe, politisch gelähmt, chronisch pleite. "Gestern waren wir noch das Sorgenkind der internationalen Gemeinschaft, heute gilt die Demokratische Republik Kongo als ein Erfolgsmodell ", sagt Kabila, die Abgeordneten applaudieren. Im Parlament hat er eine deutliche Mehrheit.

Joseph Kabila bei seiner Rede vor dem Parlament im NovemberBild: Getty Images/AFP/J.D. Kannah

Auf den Straßen im Kongo glauben viele schon lange nicht mehr an die Erfolge, die Kabila beschwört. Immer wieder gibt es Proteste, brennende Autos, Barrikaden, Tote und Verletzte. "Nein zu Kabila" oder "Kabila muss weg", brüllen die Demonstranten. Tausende haben sich in den vergangenen Monaten in den großen Städten des Landes versammelt. Was sie antreibt, ist die Wut auf ihren Präsidenten.

Aktivisten verhaftet, Demonstranten erschossen

Dabei trat Kabila 2001 mit großen Versprechen an - mit gerade mal 29 Jahren, als Nachfolger seines ermordeten Vaters Laurent-Désiré Kabila. Kaum an der Macht, wechselte der junge Kabila fast die komplette politische Führungsriege aus. Er suchte den Kontakt zum Westen und bemühte sich, den Friedensprozess in seinem Land voranzutreiben. "Die letzten Wahlen im Kongo liegen vierzig Jahre zurück", sagte Kabila bei seinem Antrittsbesuch in Deutschland im April 2001. "Es sollte wieder Wahlen geben, wie in jedem demokratischen Land. Wer den Kongo regieren will, sollte das auf der Grundlage von Wahlen tun."

Zynisch klingt das heute - vor allem in den Ohren von Opposition und Bürgerrechtsbewegungen. In den vergangenen zwei Jahren haben Sicherheitskräfte zahlreiche Aktivisten und Regierungskritiker verhaftet und Demonstranten erschossen. Angesichts der anhaltenden politischen Krise und der Gewaltausbrüche haben die Europäische Union und die USA vergangene Woche Sanktionen gegen mehrere Verantwortliche der Sicherheitsbehörden verhängt.

Analyst Clark vermutet, dass die Gewalt im Kongo noch nicht zu Ende ist: "Die Regierung hat bisher jeden größeren Protest gewaltsam niedergeschlagen. Dieser Teufelskreis aus Protest und Regierungsgewalt wird sehr wahrscheinlich weitergehen, bis die Wahlen stattgefunden haben."

Mitarbeit: Anne Le Touzé, Saleh Mwanamilongo

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