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TanzEuropa

Josephine Baker: Tänzerin und Aktivistin

Paula Onusseit
11. April 2025

50 Jahre sind seit ihrem Tod vergangen, doch noch immer inspiriert Josephine Baker mit ihrer einzigartigen Mischung aus künstlerischem Ausdruck und lebenslangem Engagement für Bürgerrechte und Freiheit.

Die US-amerikanische Tänzerin Josephine Baker liegt auf dieser Schwarz-Weiß-Aufnahme im Kleid und mit riesigen Ohrringen lächelnd auf einem Tigerfell.
Starfoto: Josephine Baker posiert auf einem TigerfellBild: Keystone Archives/HIP/picture-alliance

In ihren Memoiren, die im März erstmals auch auf Deutsch erschienen sind unter dem Titel "Tanzen, Singen, Freiheit", erinnert sich Josephine Baker an den Moment, als sie 1925 als unbekannte Tänzerin die USA verließ: "Ich war nur ein kleines Showgirl - nein, eigentlich nur ein kleines schwarzes Mädchen", schrieb sie. "Ich war fertig mit Amerika. Ich musste neu anfangen." Als das Schiff New York in Richtung Frankreich verließ, "verschwand die Angst (...) Ich war lebendig, ich war frei."

Josephine Baker hatte dem von Rassentrennung geprägten Amerika den Rücken gekehrt – und sollte bald auf Europas größten Bühnen mit provokanten Auftritten glänzen, getragen von ihrem unbedingten Willen zur Selbstbefreiung.

Schon bald als "Schwarze Venus" gefeiert, wurde sie später zu einer wichtigen Figur der US-Bürgerrechtsbewegung an der Seite von Martin Luther King. Doch zuvor stellte sie sich dem NS-Regime entgegen – als Spionin im Dienst der französischen Résistance. Doch auch Bakers Bühnenkarriere ist bemerkenswert: In gut 50 Jahren tanzt und singt sie sich aus dem Armenviertel von St. Louis heraus und auf die großen Bühnen Europas.

Mehr als 1500 Heiratsanträge soll Josephine Baker bekommen haben. 1927 verdient die berühmte Tänzerin mehr als jede andere Entertainerin und jeder andere Entertainer in Europa. Da ist sie gerade mal 20. Mit ihr kommt die weltberühmte "Revue Nègre" und der "Hot Jazz" in die europäischen Kulturmetropolen.

In Paris, Madrid und Berlin liegen ihr Künstler und Literaten wie Picasso und Ernest Hemingway, der Architekt Le Corbusier sowie Schauspieler und Theaterleute wie Jean Gabin und Max Reinhardt zu Füßen. Der französische Künstler Jean Cocteau schwärmt euphorisiert: "Dieses schöne Idol aus braunem Stahl, Ironie und Gold!"

Aus den Slums bis zum Broadway

Als Kind hat Josephine Baker nicht viel zu lachen. Sie muss früh hart arbeiten und Geld verdienen. 1917 erlebt sie mit elf Jahren die Pogrome mit, bei der fast 100 Schwarze Lynchmorden zum Opfer fallen.

Geboren wird sie in Missouri/USA, in den Slums von St. Louis. Freda Josephine McDonald steht auf ihrer Geburtsurkunde, datiert auf den 3.6.1906: uneheliche Tochter einer Schwarzen und eines weißen Spaniers. Der Vater, Musiker jüdischer Abstammung, ist arbeitslos und macht sich schnell aus dem Staub.

Bei reichen weißen Familien kommt sie als Hausmädchen unter. Aber sie lernt schnell den tagtäglichen Rassismus der besitzenden Klasse kennen. Mit 15 verheiratet die Mutter ihre Tochter, um sie versorgt zu wissen. Aus dieser kurzen Verbindung behält Josephine ihren Nachnamen Baker.

Bei einer Wandertruppe hilft sie als Ankleidemädchen aus, ihr Alter muss sie verschleiern: Kein Theaterdirektor hätte einen Teenager engagiert. Als eine Tänzerin krank wird, ergreift sie mutig ihre Chance und tritt mit der Truppe auf. Auf der Bühne erobert sie sich ihre Welt.

Bakers Durchbruch kam mit der "Revue Nègre" Bild: akg-images/picture-alliance

Und sie ist ehrgeizig und zäh: Mit 16 tanzt sie als Zweitbesetzung in einem schwarzen Musical, 1922 folgen Auftritte in der erfolgreichen Show "Chocolate Dandies", die Gastspiele in Moskau und St. Petersburg hat. Mit dieser Revue gelingt ihr auch der erfolgreiche Sprung an den New Yorker Broadway - und kurz darauf nach Europa.

Paris als glamouröse Kulisse

Im mondänen Pariser "Theatre des Champs Elysées" tritt sie 1925 in einer Tanzrevue auf - nur mit ein paar Federn und Perlenkette bekleidet. Ihre sinnliche Erotik, ihr durchtrainierter Körper und ihre legendären Charleston-Nummern reißen die Zuschauer vor Begeisterung von den Stühlen. Berühmt ist vor allem ihr "danse sauvage", ihr Bananentanz in einem Röckchen aus 16 Bananen.

Über Nacht wird sie zum gefeierten Star. Zu sehen ist sie im berühmten Varietétheater "Folies Bergère" von Paris und in vielen weiteren Städten Europas, als sie sich mit der "Revue Nègre" auf Tournee begibt. Am 14. Januar 1926 begeistert sie zum ersten Mal ein deutsches Publikum am Kurfürstendamm in Berlin.

Die Männer waren verrückt nach Josephine Baker Bild: Hulton Archive/Getty Images

Als exotische Tänzerin wird Josephine Baker auf den Tourneen vergöttert. Ihre Verehrer überschütten sie mit teuren Geschenken und Liebesschwüren. Ungerührt hält sich die Diva zahllose Liebhaber, schläft mit Männern wie Frauen - und heiratet einen sizilianischen Hochstapler, um sich mit dessen Adelstitel zu schmücken. Doch glücklich wird sie trotz Reichtum nicht.

Der "Hot Jazz" erobert Europas Bühnen

Josephine Baker ist in den "Roaring Twenties" das Sexsymbol ihrer Zeit. Den "Hot Jazz" macht sie in den 1920er-Jahren in Paris, Berlin und anderen Städten salonfähig. Wenn sie singt, sind ihre Texte eher halbseiden. Sie spielt mit ihrem Image als "Schwarze Venus". Jeder Auftritt ist begleitet von einem Riesenrummel. In München erhält sie allerdings Auftrittsverbot: wegen der zu erwartenden "Verletzung des öffentlichen Anstands".

Joséphine Baker im Studio Harcourt in Paris, 1948 Bild: bpk | Ministère de la Culture - Médiathèque du Patrimoine, Dist. RMN-Grand Palais | Studio Harcourt

Während einer USA-Tournee erlebt Baker, die in Europa als schwarzer Revuestar gefeiert wird, massive rassistische Anfeindungen. Nach der Show muss sie durch den Dienstboteneingang verschwinden. Enttäuscht wird sie 1937 endgültig französische Staatsbürgerin - dank ihrer Heirat mit dem französischen Juden und Großindustriellen Jean Lion.

"Résistance"-Kämpferin gegen die Nazis

Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 und die Besetzung Frankreichs durch Hitlers Wehrmacht verändern das Leben von Josephine Baker grundlegend. Anfangs arbeitet sie für das Rote Kreuz, hilft wo sie kann.

Durch Kontakte zur französischen Widerstandsbewegung "Résistance" lässt sie sich zur Agentin der französischen Geheimpolizei ausbilden. Versteckt in ihrem Tourneegepäck schmuggelt sie Briefe und geheime Dokumente über die Grenze. General Charles De Gaulle verleiht ihr am Ende des Krieges das Band der französischen Ehrenlegion.

Begründerin der "Regenbogen-Familie"

Politisches Engagement prägt auch die Zeit nach dem Krieg. Zusammen mit ihrem dritten Mann baut Josephine Baker das Schloss "Les Milandes" in der Dordogne zu einem Wallfahrtsort der Rassen- und Religionstoleranz aus. Zwölf Kinder, völlig unterschiedlicher Herkunft und Religion, hatte sie adoptiert: ihre "Regenbogen-Familie".

Josephine Baker hat zwölf Kinder unterschiedlicher Herkunft und Religion adoptiertBild: United Archives/TopFoto/picture-alliance

Aber Baker ist ständig auf Tournee und kaum zu Hause. Die Kindererziehung überlässt sie wechselnden Nannies und ihrem Mann. 1963 marschiert sie an der Seite von Martin Luther King in den USA bei dem legendären "Marsch auf Washington" mit, um gegen den Rassismus in den USA zu protestieren.

Ihr luxuriöses Leben verschlingt Unsummen, am Ende ist Josephine Baker hoch verschuldet. Im Mai 1968 wird ihr Anwesen zwangsversteigert. Ihr Mann hat sie längst entnervt verlassen. Ihre Freundin Fürstin Gracia Patricia sorgt dafür, dass die Regenbogen-Familie beim Roten Kreuz in Monaco unterkommt. 

Ein Comeback 1973 in der New Yorker Carnegie Hall und ihre legendäre Show 1975 im Pariser Bobino-Theater bescheren Josephine Baker noch einmal großen Presserummel. Aber die alternde Diva kann nicht an ihre früheren Erfolge anknüpfen. Am 12. April 1975 stirbt sie im Alter von 68 Jahren an Herzversagen. Ihr Ruhm als Tänzerin ist unvergänglich.

Trauernde Fans stehen am Straßenrand, als der Wagen mit der sterblichen Hülle Josephine Bakers am Theater vorbeifährt, wo sie kurz zuvor aufgetreten warBild: UPI/dpa/picture alliance

Dies ist die aktualisierte Version eines Artikels vom 20.05.2023

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