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Politik

Journalisten als Staatsfeinde

Benjamin Pargan
2. Dezember 2016

Human Rights Watch prangert die zahlreichen Angriffe auf unabhängige Medien in den Westbalkanländern an. In einem Bericht werden die Regierungen der Länder, aber auch die Europäische Union scharf kritisiert.

Symbolbild Serbien Presse
Bild: DW/I. Petrovic

Morddrohungen, Nötigung, körperliche Übergriffe, direkte Einschüchterungsversuche und verbale Drohungen gehören oft zum Arbeitsalltag vieler Journalistinnen und Journalisten auf dem Westbalkan. Auf kritische und investigative Berichterstattung reagieren sogar die Vertreter der staatlichen Institutionen immer wieder mit Klagen, die gerne mit dubiosen Vorwürfen begründet und mit regelrechten Schmutzkampagnen flankiert werden. Die Regierungen der Balkanstaaten nutzen die Zuteilung der staatlichen Werbebudgets und Subventionen, um kritische Berichterstattung einzuschränken und höhlen damit die Unabhängigkeit der Medien aus.

Solche und ähnliche Repressionen gegen unabhängige Medien schränken die Presse- und Meinungsfreiheit deutlich ein. Das starke Interesse der Regierungen an willfährigen Medien und der unbedingte Wille, diese Interessen mit allen Mitteln durchzusetzen, gefährden die ohnehin instabilen Demokratien der Westbalkanländer immer stärker.

Gordana Igric: "Journalisten als Zielscheibe von Verleumdungskampagnen"Bild: Human Rights Watch

...und Europa schaut zu

Dieses düstere Bild der Medienfreiheit auf dem Westbalkan bestätigen die Mitarbeiter der Nichtregierungsorganisation Human Rights Watch (HRW) in ihrem Jahresbericht. Darin wird beklagt, dass in allen Westbalkanländern ein für Journalisten feindseliges Klima herrsche. Bereits vor einem Jahr warnten die HRW-Experten vor ernsthaften Verletzungen der Pressefreiheit in Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Montenegro, Serbien und im Kosovo. Doch weder die Regierungen der Länder, noch die Europäische Union hätten konkrete Schritte unternommen, dagegen etwas zu tun, kritisierte die für den Westbalkan zuständige Expertin des HRW, Lydia Gall. "In einer Zeit, in der unabhängiger Journalismus auf dem westlichen Balkan eigentlich dringend gebraucht würde, steht er mit dem Rücken zur Wand."

Sie macht wenig Hoffnung auf baldige Besserung "solange die EU den Regierungen der Balkanstaaten nicht unmissverständlich klar macht, dass freie und starke Medien die Voraussetzung für eine EU-Perspektive sind". Solche Forderungen nach direkten Maßnahmen der EU sind durchaus realistisch und berechtigt. Denn Serbien, Mazedonien und Montenegro sind bereits offizielle Kandidaten für einen EU-Beitritt. Selbst Bosnien-Herzegowina und das Kosovo werden als potentielle Beitrittskandidaten geführt. Auch deshalb wird im HRW-Jahresbericht explizit daran erinnert, dass freie Meinungsäußerung und die Pressefreiheit zu den Kopenhagener Kriterien für den EU-Beitritt gehören.

Der "Liebling des Westens" und der Feind der Pressefreiheit

Doch im Alltag der pragmatischen Realpolitik drücken einige EU-Vertreter offenbar beide Augen zu. Serbien sei dafür ein Paradebeispiel, meint die Belgrader Journalistin und Gründerin des journalistischen Netzwerks BIRN, Gordana Igric. Eine richtige Pressefreiheit gäbe es in Serbien nicht mehr und diejenigen Journalisten, die ihre Stimme erheben und die Regierung von Premier Aleksandar Vucic kritisieren, würden regelmäßig zur Zielscheibe von Verleumdungskampagnen. Dabei würden sie als Volksverräter, Staatsfeinde und Gegner der notwendigen Reformen diffamiert. Mit offiziellen Zahlen des Unabhängigen Journalistenverbands Serbiens (NUNS) untermauert Human Rights Watch diese Beschreibung. So gab es allein in den ersten sieben Monaten dieses Jahres 33 Angriffe auf Journalisten in Serbien, darunter körperliche Übergriffe, Drohungen und Nötigung.

Selbst der in Westeuropa als verlässlicher Partner geschätzte Premierminister Aleksandar Vucic scheut nicht vor wilden Angriffen auf unabhängige Medien zurück. So bezeichnete er einige, teilweise mit EU-Preisen ausgezeichnete Onlineportale als "Abschaum". Investigative journalistische Netzwerke wie BIRN, CINS und KRIK wurden auch von Regierungsvertretern und regierungsnahen Medien heftig angegriffen. Bezeichnung wie "Staatsfeinde" und "Handlanger des Auslands" waren dabei fast immer ein Teil des Diffamierungsrepertoires.

Serbiens starker Mann Aleksandar Vucic mag keine undiziplinierten JournalistenBild: Getty Images/AFP/A. Isakovic

Schwammig formulierte Kritik

Deshalb ist es wahrlich keine Überraschung, dass die EU-Kommission in ihren jährlichen Berichten zur Menschenrechtsbilanz der Westbalkanstaaten ihre Besorgnis hinsichtlich der Pressefreiheit regelmäßig zum Ausdruck bringt. Den Vertretern von Human Rights Watch ist diese allgemein und schwammig formulierte Kritik schon lange ein Dorn im Auge. Sie verlangen, dass der für die EU-Erweiterung zuständige Kommissar Johannes Hahn in konkreten Fällen von einzelnen Regierungen Aufklärung verlangt, wenn es keine wirksamen Ermittlungen bei Angriffen auf Journalisten gab.

Doch auch diese Forderungen machen serbischen Journalisten wenig Hoffnung. Gordana Igric sieht die bedrohte Pressefreiheit in Serbien in einem komplizierten geopolitischen und diplomatischen Gesamtkontext, wobei der serbische Premier eine wichtige Rolle spiele. Aleksandar Vucic würde in der EU als ein Faktor der Stabilität auf dem Westbalkan betrachtet. Damit erklärt die serbische Journalistin die eher verhaltene Kritik aus Brüssel und Berlin und "die lauwarmen Botschaften über die Bedeutung der demokratischen Werte in Serbien".

 

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