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Politik

Wie steht es um die Pressefreiheit?

Richard A. Fuchs
21. August 2018

Hat die Polizei in Dresden die Arbeit von Journalisten behindert, auf Wunsch von rechten Pegida-Demonstranten? Noch sind die Vorwürfe nicht geklärt. Das Leben für Journalisten jedenfalls wird hierzulande gefährlich.

Deutschland Pegida Demonstranten in Dresden
Bild: picture-alliance/dpa/S. Kahnert

Wie hält es Deutschland mit der Pressefreiheit? Im Moment sorgt diese recht abstrakte Frage für ganz konkreten Ärger. In Dresden, am Rande einer Demonstration der rechtsgerichteten Pegida-Bewegung, war es vergangene Woche zu einem Vorfall gekommen, der noch immer Wellen schlägt. Ein Kamerateam im Auftrag des öffentlich-rechtlichen Senders ZDF war von Pegida-Demonstranten beschimpft worden, um nach Angaben des Senders anschließend von der sächsischen Polizei 45 Minuten lang festgesetzt zu werden. Zur Feststellung der Identität, wie es hieß. ZDF-Chefredakteur Peter Frey sprach von einer "klaren Einschränkung der freien Berichterstattung".

Rechtslage: Journalisten dürfen Demonstrationen filmen

Noch laufen die Ermittlungen. Laut Polizei war ein Dresdner Bürger und Demonstrant auf die Polizeibeamten zugekommen, um einen Journalisten des TV-Teams wegen Beleidigung anzuzeigen. Zwischen Demonstrant und Journalist sei ein Streit entbrannt, ob das Kamerateam das Recht habe, die Demo-Teilnehmer aus nächster Nähe zu filmen. Der Demonstrant bestritt das und zeigte den Journalisten an. Der Journalist zog mit einer eigenen Anzeige wegen Beleidigung nach. Die Polizei sagt heute, sie habe die beiden Lager voneinander getrennt, um zu deeskalieren. Diese Darstellung ist umstritten. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) verteidigte das Vorgehen der Beamten gegen die Journalisten damit, dass eine "Feststellung der Identität aller Beteiligten" unumgänglich gewesen sei, um im Fall einer Straftat in alle Richtungen ermitteln zu können. Der Dresdner Polizeipräsident wies den Vorwurf zurück, es habe eine Kooperation mit dem Pegida-Demonstranten gegeben. Journalistenverbände fordern eine lückenlose Aufklärung.

Bei Demonstrationen gilt: Wer da ist, wird gefilmt. Wer nicht ins Bild will, muss digtal protestieren Bild: Imago/C. Mang

Bis die Details im Streit zwischen Journalist, Demonstrant und Behörden in Dresden vollständig geklärt sind, wird es wohl noch dauern. Ein Blick auf die Gesetzeslage zeigt unterdessen, wie es um das Recht von Journalisten steht, bei Demonstrationen zu filmen und Fotos zu machen. Dabei gilt: Gerade bei öffentlichen Veranstaltungen haben Journalisten die Aufgabe und das Recht, Fotos und Videos zu machen. Das gehört zu ihrem Job. Wer also an einer Demonstration teilnimmt, willigt damit indirekt ein, dass Bilder von der Veranstaltung gemacht werden. Ob ein Journalist allerdings die angefertigten Aufnahmen auch veröffentlichen darf, unterliegt weiteren Regeln. Grundsätzlich heißt es dann: Wenn eine Person klar erkennbar ist, muss sie einer Veröffentlichung zustimmen. Eigentlich. Denn es gibt wichtige Ausnahmen von dieser Regel, gerade bei öffentlichen Anlässen und Demonstrationen. Da gilt: Wer sich ohne Widerspruch filmen lässt, gibt stillschweigend eine Einwilligung. Und selbst in Fällen wie jetzt in Dresden, wo Personen der Veröffentlichung eigentlich widersprechen wollen, gilt der Grundsatz: In diesem Fall ist die Information der Öffentlichkeit wichtiger als das Recht des Einzelnen aufs eigene Bild. Journalisten zu beschimpfen hilft in solchen Fällen also nicht.

Immer mehr Übergriffe 

Dennoch passiert genau das, und zwar immer häufiger. Beispiele für verbale wie körperliche Übergriffe auf Journalisten häufen sich. Bundesweit Schlagzeilen machten Anfang des Jahres Attacken auf Flüchtlinge wie Journalisten im brandenburgischen Cottbus. Mitglieder des rechten Vereins "Zukunft Heimat" heizten die Stimmung gegen Reporter des öffentlich-rechtlichen Senders Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) an. Selbst von älteren Damen wurden die Journalisten als "Volksverräter" diffamiert. Einzelne Medienvertreter wurden angerempelt, ihre Ausrüstung beschädigt.

Die AfD-Parteiführung vor dem "Kyffhäusertreffen", bei dem am Rande auch Journalisten attackiert wurdenBild: picture-alliance/dpa/P. Förster

Und auch im Umfeld der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland (AfD) sind Übergriffe keine Seltenheit. Im Juni wurden zwei Journalisten beim Treffen des rechtsnationalen Flügels der AfD in einem Dorf in Sachsen-Anhalt angegriffen. Bei der Attacke auf dem sogenannten "Kyffhäusertreffen" auf zwei Bremer Reporter ging nach Angaben der Journalisten eine Kamera zu Bruch. 

Mit Schraubenschlüsseln verprügelt, von der Justiz vergessen?

In letzter Zeit wurden auch Zweifel geäußert, ob Polizei und Justizbehörden immer an der Seite von Journalisten stehen, um die Pressefreiheit zu schützen. Ein Fall im thüringischen Dorf Fretterode verdeutlicht das. Zwei freie Journalisten aus Göttingen wollten im April diesen Jahres von der Dorfstraße aus beobachten, wer im Gutshaus des Thüringer NPD-Chefs Thorsten Heise aus- und eingeht. Heise ist einer der bekanntesten Neonazis Deutschlands, er organisiert vom Verfassungsschutz beobachtete Treffen. Die Journalisten wurden auf der Straße von den Neonazis bemerkt und versuchten, mit ihrem Auto zu flüchten. Am Ortsausgang wurden sie gestoppt. Mit Schraubenschlüsseln und Baseballschlägern stürmten Angreifer auf das Auto zu. Nach einer kurzen Verfolgungsjagd landete das Fahrzeug im Straßengraben. Erst wurden die Scheiben zertrümmert, dann droschen die Tatverdächtigen auf die Journalisten ein.

Neonazi-Aufmarsch in Goslar mit dem NPD-Chef in Thüringen, Thorsten Heise. Zwei investigative Journalisten wurden unweit von seinem Haus in Fretterode krankenhausreif geprügelt. Bild: picture-alliance/NurPhoto/D. Speier

Einer der beiden 26-jährigen Reporter erlitt eine schwere Platzwunde am Kopf. Der andere wurde mit einem Messer am Oberschenkel verletzt. Und obwohl die beiden Journalisten eindeutige Fotos von den Tätern machen konnten und einen als ortsbekanntes NPD-Mitglied identifizierten, geht die Aufklärung der Tat nicht voran. Auch über 100 Tage später befinden sich die mutmaßlich tatbeteiligten Neonazis noch immer auf freiem Fuß. "Im Raum steht eine Strafe von mindestens zwei Jahren Haft", sagt der Opfer-Anwalt Sven Adam aus Göttingen der DW. Laut zuständiger Staatsanwaltschaft in Mühlhausen gibt es bisher aber "keinen dringenden Tatverdacht". Stattdessen prüft die Staatsanwaltschaft noch immer, ob die Bilder der Journalisten nicht manipuliert seien. Der Opfer-Anwalt nennt das "nicht sonderlich verfolgungswillig". Die Botschaft, die Deutschlands Justiz damit an rechte Straftäter aussende, sei fatal: "Ihr könnt die Presse angreifen, wirklich etwas zu befürchten habt ihr nicht", kommentiert Adam.

Nach wie vor nimmt Deutschland in der Rangliste der Pressefreiheit von Reporter ohne Grenzen einen guten 15. Platz ein. Doch angesichts der jüngsten Vorfälle sehen viele das Recht auf Pressefreiheit selbst in Deutschland in Gefahr.

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