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Jubilar Draghi - Deutschlands Buhmann

Zhang Danhong
1. September 2017

Die Deutschen sind nicht gut auf ihn zu sprechen: Sein Nullzins-Kurs ärgert die Nation der Sparer, seine Anleihekäufe bringen Ökonomen auf die Palme. Doch auch Gegner geben zu: Mit drei Wörtern hat er den Euro gerettet.

Mario Draghi EZB PK Frankfurt am Main
Bild: picture-alliance/dpa/A.Dedert

Es war Sommer 2012. Griechenland stand finanziell wieder vor dem Abgrund. Spanien geriet wegen maroder Banken unter Druck. Und die Spekulanten haben auch schon das nächste Ziel ausgemacht: das von horrenden Staatsschulden, hoher Arbeitslosigkeit und politischer Instabilität geplagte Land Italien. Die Währungsunion kann niemals ihre dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft (Italien und Spanien) gleichzeitig retten, so die Kalkulation der Investoren. Sie wetterten gegen das Ende des Euro.

Dann gab der oberste Währungshüter der Eurozone Mario Draghi am 26. Juli auf einer internationalen Investorenkonferenz in London sein Versprechen: Er werde alles tun, um den Euro zu retten. Vor allem die drei Wörter "Whatever it takes" entfalteten magische Wirkung und beruhigten die Finanzmärkte schlagartig.

Draghi: Die EZB wird alles tun... (London, 26.07.2012)

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Kein Wunder: Welcher Spekulant ist so tollkühn und wettet gegen die tiefe Tasche der Europäischen Zentralbank?

Den Worten ließ der EZB-Chef Taten folgen: Er senkte den Leitzins bis auf Null; er belegt Banken mit Strafzinsen, wenn sie Geld bei der Zentralbank parken; schließlich startete er im Frühjahr 2015 ein QE (Quantitative Easing) - Programm á la EZB. Die Zentralbank druckt sich quasi selbst Geld und kauft damit in großem Stil Staats- und Unternehmensanleihen.

Erbitterter Widerstand bis zum Verfassungsgericht 

Diese Politik der Geldschwemme ist vor allem hierzulande auf heftige Kritik gestoßen, weil sie in den Augen der Kritiker Sparer enteignet und Deutschland große Risiken aufbürdet. Das OMT-Programm (Outright Monetary Transactions), nach dem Anleihen kriselnder Länder notfalls ohne Limit aufgekauft werden dürfen, hat in Deutschland die größte Verfassungsbeschwerde ausgelöst. Auch wegen des Widerstandes der Bundesbank wurde das Programm nie umgesetzt.

Vorbehalte gegen Mario Draghi gab es bereits in Deutschland, als er zum 1. November 2011 den Franzosen Jean-Claude Trichet als EZB-Präsident ablöste: Ausgerechnet ein Italiener soll der Garant für die Stabilität des Euro werden? "Mama mia", stöhnte damals die "Bild"-Zeitung: "Bei den Italienern gehört Inflation zum Leben wie Tomatensoße zur Pasta!" Zur gefürchteten Geldentwertung ist es nicht gekommen. Im Gegenteil: Die niedrige Inflation wird immer noch von der EZB als Argument für die Fortsetzung der Niedrigzins-Politik genutzt.

Dennoch will die Kritik an Draghi nicht verstummen. Vor allem deutsche Ökonomen werfen ihm vor, mit dem billigen Geld den Südländern den Reformdruck genommen zu haben. Auch die Machtfülle der nicht demokratisch gewählten Notenbank und ihres Präsidenten (Super-Mario) ist den Menschen hierzulande nicht geheuer. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die Geldpolitik der EZB sogar mitverantwortlich für den Aufstieg der Rechtspopulisten gemacht. Und die Rufe, Draghi solle endlich den Einstieg zum Ausstieg aus der Nullzins-Politik einleiten, werden immer lauter.

Schon immer ein sturer Kopf

Unter Druck setzen lässt sich der Italiener, der an diesem Sonntag 70 wird, jedoch nicht. Seine Sturheit war bereits als junger Professor sein Markenzeichen. So berichtete die "Wirtschaftswoche" über folgende Anekdote: Als er Examina an der Universität von Trient abnahm, erklärten ihm die Studenten, die Fragen nur als Kollektiv beantworten zu wollen. Draghi machte mit, allerdings unter der Voraussetzung: Antwortet der Kollektivsprecher richtig, besteht die ganze Klasse; andernfalls fällt die ganze Klasse durch. Er ließ dann die Klasse durchfallen, da der Sprecher falsch antwortete.

Am 3. September 1947 erblickte Mario Draghi in Rom das Licht der Welt. Sein Vater war ein ranghoher Beamter der italienischen Zentralbank. Der junge Draghi besuchte eine Jesuitenschule und studierte Wirtschaftswissenschaften in Rom und später in Cambridge (USA). Beruflich wechselte er zwischen Universitäten, Banken und Politik. 2002 wurde Draghi Vizepräsident der Investmentbank Goldman Sachs. Vier Jahre später folgte die Berufung zum Präsidenten der italienischen Notenbank.

Bereits während seiner Kandidatur zur EZB-Präsidentschaft im Jahr 2011 kamen kritische Stimmen auf, die seine Rolle bei der Verschleierung der griechischen Finanzen durch Athen und Goldman Sachs hinterfragten. Draghi stritt jede Verantwortung ab. Auch von seiner Zeit als Notenbankchef Italiens wird Draghi im Zuge der Skandale um die Bank Monte dei Paschi eingeholt. Ihm wird vorgeworfen, 2011 hinter dem Rücken des Parlaments dem strauchelnden Geldinstitut einen Milliardenkredit gewährt zu haben.  

Gemeckert wird immer

Vorwürfe sind auch Begleitmusik für den Italiener als EZB-Chef. Vor allem den Deutschen kann er es nicht recht machen. Wurde er früher kritisiert, den Euro durch Anleihekäufe und sonstige Maßnahmen absichtlich zu schwächen, wird heute moniert, dass er gegen den starken Euro nichts tut.

Dabei hat Deutschland dem Mann mit dem Mona-Lisa-Lächeln einiges zu verdanken: Seine drei magischen Wörter dämmten die Eurokrise ein und ermöglichten Deutschland eine anhaltende Wachstumsphase; der Fiskus spart über 200 Milliarden Zinsen, weil Finanzminister Schäuble für die Staatsanleihen kaum noch Zinsen zahlen muss; auch die Aktionäre können zufrieden sein, hat sich der Dax doch seit jenem Sommer verdoppelt; Hausbesitzer erfreuen sich eines Wertzuwachs ihrer Immobilien in den vergangenen fünf Jahren um durchschnittlich 25 Prozent.

Also Zeit, Frieden mit Mario Draghi zu schließen - zumindest an seinem 70. Geburtstag.

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