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Gesellschaft

Judenfeindlicher Karneval in Belgien

Max Zander
24. Februar 2020

Der Karneval in Aalst sorgte im vergangenen Jahr mit antisemitischen Darstellungen für Empörung. In der Folge strich die UNESCO das Fest von ihrer Welterbe-Liste. Geändert hat das nichts. Aus Aalst berichtet Max Zander

Beligen Karneval in Aalst am Rosenmontag
Mit Schläfenlocken und Clownsgesicht: Jüdische Stigmata werden beim Karneval in Aalst besonders häufig verwendetBild: picture-alliance/dpa/N. Maeterlinck

Für viele hier ist dies der Höhepunkt des Jahres. Im westbelgischen Aalst wird die fünfte Jahreszeit mit einer großen Parade eingeläutet. Dutzende zum Teil aufwendig dekorierte Wagen schieben sich an diesem Nachmittag durch die Innenstadt. Vorbei an voll besetzten Tribünen und Zuschauern, die trotz belgischem Nieselwetter und grauem Himmel zu Tausenden hinter den Absperrungen stehen.

Eine Formation buntgekleideter Narren zieht vorbei. In ihren roten Perücken tragen sie kleine Musikinstrumente, auf den Röcken prangen Klaviertastaturen.  Zu einer lauten, fröhlichen Musik tanzen sie ihre Choreographie und schwingen Mikrofone. Ein harmloses Motto in einem Karneval, bei dem viele Teilnehmer sich dafür rühmen zu provozieren und die Grenzen des guten Geschmacks auszuloten. Was das hier in Aalst bedeutet, sollen Zuschauer wenig später erfahren.

Bunt, fröhlich und kreativ: eine Seite des Karnevals in AalstBild: DW/M. Strauß

Historischer Karneval gibt Welterbe-Status auf

Der Karneval in Aalst gilt als einer der prächtigsten in Belgien. Es gibt ihn seit dem Mittelalter. 2010 wurde er ins immaterielle Kulturerbe der UNESCO aufgenommen.  In den letzten Jahren machte er allerdings immer wieder mit rassistischen und anti-semitischen Stereotypen Schlagzeilen. So fuhren 2019 Mitglieder des Karnevalsverein "Vismooil'n" als orthodoxe Juden verkleidet tanzend und singend durch die Stadt. Vorne auf ihren Wagen prangten Abbilder, die viele an die Propaganda der Nazizeit erinnerten. Riesige Figuren mit Schläfenlocken und Hakennasen. Zu deren Füßen prall gefüllte Geldsäcke.

Dafür erntete die Stadt weltweite Kritik. Die Stadtverwaltung, die sich mit "grotesken Vorwürfen" konfrontiert sah, bat daraufhin von der UNESCO-Welterbe-Liste gestrichen zu werden. So ist es kaum verwunderlich, dass die UN-Kulturorganisation in diesem Jahr besonders häufig den Spott der Karnevalisten auf sich zieht. Fast immer allerdings in Verbindung mit antisemitischen Darstellungen.

Darstellung von Juden als Ungeziefer

Ein Beispiel: eine Gruppe Männer, die sich als orthodoxe Juden verkleidet hat. Und dabei auf anti-semitische Stereotypen zurückgreift, wie lange Nasen und Schläfenlocken. Sie seien UNESCO-Kontrolleure erzählen sie und lachen. Auf ihren großen Fellhüten sind kleine Verbotsschilder zu erkennen, mit durchgestrichenen Abbildungen von Nasen und Schläfenlocken. Was das Problem mit seinem Aufzug sein soll, fragt einer der Männer: "Es geht doch nur darum Spaß zu haben. Wir machen uns über alle lustig!"

Umstrittene Kostüme: "Wir machen uns doch über alle lustig!"Bild: DW/M. Strauß

Antisemitismus wird bei vielen Besuchern nicht als Problem wahrgenommen. Denn egal ob belgisches Königshaus, Mexikaner oder Trump  - alle bekämen hier gleichermaßen ihr Fett weg, erzählt ein Mann. Das mag zwar auch stimmen, aber an diesem Nachmittag sind judenfeindliche Darstellungen besonders häufig zu sehen. Nicht selten in extremer Form. So wie der Trupp, der sich als Gestapo-Offiziere verkleidet hat. Oder eine Gruppe junger Männer, die eine Klagemauer durch die Straßen rollt. Auch sie tragen Fellhüte und Schläfenlocken, aber diesmal sind es die ausladenden Hinterteile an denen Insektenbeine baumeln, die besonders ins Auge stechen. Ob sie Juden mit Ungeziefer gleichsetzen wollen, dazu wollen sie lieber nichts sagen.

Holocaust-Überlebender warnt

Nicht witzig, sondern schockierend findet Hans Knoop die Darstellungen auf dem Aalster Karneval. Der pensionierte Journalist gehört zum Vorstand von FJO, einem Dachverband jüdischer Organisationen in Belgien. Als Kleinkind wurde er vor den Nazis versteckt. Viele Mitglieder seiner Familie überlebten den Holocaust nicht.

Hans Knoop:"Solche Darstellungen von Juden sind keinesfalls harmlos."Bild: Adriaan de Loore

Die Darstellungen von Juden im vergangenen Jahr könne man noch als ignorant durchgehen lassen, erzählt er. Aber nach der Welle der Empörung wüssten die Vereine genau, was sie täten. Es sei für Juden nicht nur sehr verletzend, sagt Hans Knoop.  "Auf diese Weise wurde es erst möglich gemacht während des Zweiten Weltkriegs sechs Millionen Juden zu vergasen. Ohne solche Bilder wäre das unmöglich gewesen."

Stadt weist Verantwortung von sich

Im Vorfeld des diesjährigen Karnevals riefen neben Knoops Organisation zahlreiche Kritiker dazu auf, den Umzug abzusagen. Darunter EU-Abgeordnete und auch der israelische Außenminister Israel Katz.

Bürgermeister Christof D'Haese: "Lasst Aalst, Aalst sein." Bild: picture-alliance/dpa/N. Maeterlinck

Der Bürgermeister von Aalst will sich davon nicht beeindrucken lassen. Christoph D'Haese hat kurzfristig eine Pressekonferenz einberufen. Seine Botschaft ist unmissverständlich: "In meiner Stadt gibt es keinen Antisemitismus." Der Karneval in Aalst sei halt speziell und es sei überhaupt schwierig der Welt zu erklären, was hier passiere. Nach seinem vorbereiteten Statement will D'Haese schnell weg, wird dann aber von Journalisten aufgehalten.

Auf die Frage, ob Antisemitismus im Karneval in Ordnung sei, reagiert er verärgert. "Es ist eine Parade voller sozialer Themen, die auf humorvolle Weise dargestellt werden. Sie können von mir nicht erwarten, dass ich entscheide, worüber die Leute lachen können und worüber nicht"

Mit dem Hammer gegen die UNESCO. Bild: DW/M. Strauß

Schon letztes Jahr erklärte Christoph D'Haese, er wolle kein Zensur-Bürgermeister sein.  Die Karnevalsvereine danken es ihm auf ihre Weise. Auf einem der Wagen ist der Bürgermeister als eine Art überdimensionale Galionsfigur abgebildet. Er hält einen Hammer in der Hand und beugt sich über ein zertrümmertes "UNESCO"-Schild. 

Die Karnevalisten hier in Aalst sehen ihn als eine Art Held der Satirefreiheit. Als einen, der für ihr Recht einsteht, alles und jeden zu verspotten, ganz ungeachtet der Konsequenzen.

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