Jugend macht Politik
28. Oktober 2007Hinter der Fensterscheibe wartet ein Basketball-Platz. Doch statt draußen den Ball im Basketball-Korb zu versenken, sitzt Fabian Schumacher drinnen in der Aula einer Grundschule und diskutiert über die Verlegung eines Jugendzentrums in ein anderes Gebäude und über ein Projekt, das "Emily Engel" heißt: Mit einem Aufkleber sollen Geschäfte an ihren Türen zeigen können, dass Kinder und Jugendliche dort Hilfe suchen können.
"Okay, jeder hat seine Lieblingsthemen, manche sind interessanter, andere nicht. Aber langweilig ist es auf keinen Fall", sagt der 17-Jährige. Er geht aufs Gymnasium, spielt Fußball und Basketball. Und er ist Mitglied des Kinder- und Jugendparlaments Herdecke, einer Stadt mit 26.000 Einwohnern am Rande des Ruhrgebiets. Knapp 30 Kinder- und Jugendliche sitzen in diesem Parlament. Gewählt werden sie an ihren Schulen. Für zwei Jahre sollen sie dann die Interessen ihrer Mitschüler vertreten und der Stadtverwaltung und dem Bürgermeister sagen, was die Jugend will.
Wünsche der Jugendlichen aus erster Hand
Solche Vertretungen gibt es in vielen deutschen Städten, allein im westlichen Bundesland Nordrhein-Westfalen sind es mehr als 40. Das Deutsche Kinderhilfswerk schätzt, dass es insgesamt deutlich über 100 solcher Einrichtungen in Deutschland gibt. Nicht immer in der Form eines eigenen Parlaments, manchmal werden auch Vertreter der Jugend in den Stadtrat geschickt.
Bürgermeister Hans-Werner Koch gewährt den Jugendlichen in Herdecke Zugang zu allen Unterlagen, die sie interessieren: "Und die entscheiden, über was sie reden wollen." Das seien nicht nur Kinder- und Jugendthemen. Oft wird auch über Soziales geredet. Anfangs, als das Parlament vor neun Jahren eingerichtet wurde, sei er skeptisch gewesen. Doch mittlerweile ist er vom"KiJuPa" überzeugt: "Wir kriegen aus erster Hand die Wünsche der Kinder und Jugendlichen mitgeteilt."
Bürgermeister nicht an Entscheidungen der Jugend gebundenAn die Entscheidungen des Jugendparlaments gebunden ist er allerdings nicht. Die jungen Parlamentarier haben lediglich ein Recht, Vorschläge zu machen und ihre Meinung zu sagen. In Herdecke hat der Bürgermeister jedoch auch schon einmal Fahrradwege umgeleitet oder Bushaltestellen verlegt, nachdem das Jugendparlament sich zur Verkehrsplanung der Stadt geäußert hat.
Lea Grams diskutiert seit mehr als drei Jahren mit, hat in der dritten Klasse mit der Politik begonnen: "Am Anfang wollte ich es mir erst mal nur angucken, aber dann fand ich es cool." Mittlerweile macht sie es aus Überzeugung: "Man kann relativ viel erreichen." Die 12-Jährige fühlt sich vom Stadtrat ernst genommen. Vor allem hat sie aber das Gefühl anderen Jugendlichen zu helfen. Jedes Jahr organisiert das Parlament eine Aktion – den Wunschbaum – bei der Bürger der Stadt den ärmeren Kindern ein Weihnachtsgeschenk kaufen.
Demokratische Spielregeln lernenLea ist auch im Kinder- und Jugendrat des Landes Nordrhein-Westfalen, der demnächst sogar im "großen" Parlament, dem Landtag, seine Sitzung abhalten wird. Mit Schule, Hausaufgaben und Sporttraining ist ihr Terminkalender dann schon gut gefüllt. "Manchmal muss ich dann eine andere Aktivität für das Jugendparlament ausfallen lassen, aber das ist es mir schon wert, dass ich mitentscheiden darf."
Die jungen Parlamentarier sollen, sagt Bürgermeister Koch, vor allem die demokratischen Spielregeln lernen, "und dass es sich lohnt, sich für das Gemeinwohl einzusetzen". Und schließlich hofft der Mann mit dem grauen Bart, dass der ein oder andere später in der Politik bleibt.
Hannah de Vries sitzt seit rund sieben Jahren im Kinder- und Jugendparlament. Dieses Jahr ist sie die Sprecherin. Sie will sich auch später in ihrem Beruf für Jugendliche engagieren, aber in der Politik zu bleiben, das kann sie sich nicht wirklich vorstellen. Denn im Kinder- und Jugendparlament gibt es keine Parteien. "Ich wüsste nicht, wo ich mich später anschließen sollte. Irgendwie hab ich noch nicht die perfekte Partei gefunden."