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Politik

EU-Spitze soll direkt gewählt werden

14. Februar 2018

2019 hört EU-Kommissionspräsident Juncker auf. Sein Nachfolger sollte möglichst direkt vom EU-Volk gewählt werden. "Spitzenkandidat" heißt das Modell, das nicht alle mögen. Aus Brüssel Bernd Riegert.

Belgien EU | Pressekonferenz mit EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker
Voller Saal und keine wirklich neuen Vorschläge: Kommissionschef Juncker (Mitte) will SpitzenkandidatenBild: DW/B. Riegert

Nur äußert selten gibt sich der Chef selbst die Ehre. An diesem Mittwoch machte EU-Kommissionpräsident Jean-Claude Juncker eine Ausnahme und kam höchstpersönlich in die tägliche Pressekonferenz der Kommission. Der Pressesaal, sonst meist nur spärlich gefüllt, war vollgepackt. Man war gespannt, was Präsident Juncker zu verkünden hatte, zumal einer seiner Sprecher im Vorfeld von "wichtigen Ankündigungen" gesprochen hatte. Was der Kommissionspräsident dann gut gelaunt und mit kleinen Witzchen gespickt zum Besten gab, war zunächst Altbekanntes. Seine Vorschläge für eine effizientere Europäische Union hatte Jean-Claude Juncker bereits in seiner Rede zur "Lage der Union" im September im Europäischen Parlament in Straßburg vorgestellt. Und doch gab es auch Neues zu verkünden.

Spitzenkandidaten-Duell bei der Wahl 2014: Debatte vor leeren Rängen, kritisierte Jean-Claude Juncker (2. v. re.)Bild: Bernd Riegert

Juncker - das Versuchskaninchen

Denn jetzt hat die EU-Kommission die Vorschläge präziser gemacht und wird sie als Thesenpapier dem Europäischen Rat, also den Vertretern der 28 Mitgliedsstaaten, vorlegen. Jean-Claude Juncker sagte, er sei bei der Wahl zum Europäischen Parlament 2014 noch das "Versuchskaninchen" gewesen. Das sei manchmal "schmerzhaft und anstrengend" gewesen. Juncker kandidierte damals für die konservativen Parteien in Europa als Spitzenkandidat mit dem Anspruch, im Falle eines Wahlsieges zum EU-Kommissionspräsidenten gemacht zu werden. Schönheitsfehler im System: Den Kommissionspräsidenten bestimmen die Staats- und Regierungschefs der EU im Einvernehmen mit dem Europäischen Parlament. Eine direkte Wahl über den Umweg des Spitzenkandidaten ist nicht vorgesehen. Die Staats- und Regierungschefs sind daran formal nicht gebunden. Das will Jean-Claude Juncker jetzt ändern. Hier seine wichtigsten Vorschläge:

Spitzenkandidaten und eine kleinere EU-Kommission

- Das "Spitzenkandidaten"-Modell soll verfestigt werden. Die siegreiche Partei in der Europawahl soll automatisch den EU-Kommissionspräsidenten stellen. Der Wahlkampf um diese Person sollte früher beginnen als bislang. Die EU-Kommission schlägt ein halbes Jahr Wahlkampf vor dem Wahltermin im Juni 2019 vor. Die nationalen Parteien sollten ihren Wahlkampf "europäischer" führen und zum Beispiel einheitliche Logos in allen Mitgliedsstaaten verwenden.

Viele Regierungschefs wollen auf ihr vertragliches Recht zur Bestimmung des Kommissionspräsidenten nicht verzichten. Andere, wie zum Beispiel der kroatische Regierungschef Andrej Plenkovic, halten den Spitzenkandidaten für sinnvoll. "Das hat die Wahlbeteiligung gesteigert und verhindert reine nationale Protestwahlen auf dem Rücken Europas", sagte Plenkovic in Brüssel.

- Die durch den Brexit frei werdenden Sitze britischer Abgeordneter im Europäischen Parlament sollten zu einem "transnationalen" Wahlkreis zusammengefasst werden. In diesem könnten EU-Bürger aus allen Staaten gemeinsamen kandidieren. Alternativ könnte es auch transnationale Wahllisten der Parteifamilien geben. Das ist bislang nicht möglich, da die Wahlen zum Europäischen Parlament nach nationalem Wahlrecht abgehalten werden. Ein europäisches Wahlrecht gibt es (noch) nicht.

- Das Amt des EU-Kommissionspräsidenten und des Präsidenten des Rates der EU, in dem die Staaten vertreten sind, sollte langfristig zusammengelegt werden. Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron ist allerdings gegen diesen Plan, weil dies Exekutive (EU-Kommission) und Gesetzgeber (Rat der EU) vermischen würde. EU-Kommissionschef Juncker gesteht ein, dass er diesen Schritt während seiner politischen Karriere wohl nicht mehr miterleben werde.

- Die EU-Kommission, in die jeder Mitgliedsstaat einen Kommissar entsendet, sollte verkleinert werden. 28 Kommissare sind zu viele, meint deren Chef Jean-Claude Juncker. Eine Verkleinerung müsste von den EU-Staaten beschlossen werden, die das aber bislang mehrfach abgelehnt haben. Jede Regierung möchte ihren Mann oder ihre Frau am Brüsseler Tisch sitzen haben, meinte dazu ein EU-Diplomat.

Es soll nur einen geben: Kommissionspräsident (Juncker, li.) und Ratspräsident (Tusk) sollen verschmelzenBild: DW/Iurii Sheiko

"Keine langwierige Diskussion"

"Ich bin kein Träumer", sagte Jean-Claude Juncker vor der versammelten Presse und versuchte so kritischen Fragen nach der Umsetzbarkeit seiner Vorschläge den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die EU, so Juncker, brauche Reformen und Impulse. Es ist "nicht die Zeit für langwierige Diskussionen über institutionelle Reformen oder Änderungen der Verträge." Es gäbe aber eine Reihe von Schritten, die man ohne viel Aufwand gehen könne. "Der Möglichkeiten gibt es viele. Das Ziel muss aber immer dasselbe sein: ein Europa, das hält, was es verspricht", sagte Jean-Claude Juncker, der 2019 keine Wiederwahl anstrebt.

Bernd Riegert Korrespondent in Brüssel mit Blick auf Menschen, Geschichten und Politik in der Europäischen Union
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